Allzu oft erzählen wir hier Geschichten von jungen, aufstrebenden Musiker:innen und geben in unseren Portraits einen Ausblick auf bevorstehende Karrieren. Im Fall der Musikerin und YouTube-Creatorin Lil Bo Weep aka Unaloon fand diese Karriere jedoch ein viel zu frühes, tragisches Ende. Nach einem langen Kampf mit ihrer eigenen Psyche verlor die Australierin im März 2020 gegen ihre inneren Dämonen. Dabei hinterließ nicht nur eine trauernde Familie und Freund:innen, sondern auch eine große Fanbase, die sich von ihrer Musik verstanden fühlte und es auch nach ihrem Tod noch tut.
Triggerwarnung: Bei diesem Portrait handelt es sich um einen Nachruf, in dem Suizid, Depressionen, Drogen und Traumata erwähnt werden. Solltest du dich mit diesen Themen gerade unwohl fühlen, lies diesen Text gerne zu einem anderen Zeitpunkt. Solltest du selbst mit mentalen Erkrankungen kämpfen, findest du am Ende des Textes Webseiten und Telefonnummern zu verschiedenen Unterstützungsangeboten.1
Winona Brooks wurde als Winona Lisa Green in Adelaide in Süd-Australien, geboren, verschiedene Quellen sind sich uneinig, ob im Jahr 1998 oder 2000. Als Kind lebte sie zunächst auf einer Farm, bevor es mit ihren Eltern zurück in die Geburtsstadt ging. Über ihr Privatleben gab sie ansonsten nie viel preis. Das musste sie auch gar nicht, offenbarte sie die intimsten Details ihres Lebens doch in der Musik. PTBS, Depressionen, Traumata und Drogenabhängigkeit wurden zum Kern ihrer Musik, in der sie ihrem Schmerz freien Lauf lassen konnte. Im November 2015 begann sie, Songs auf SoundCloud zu veröffentlichen – sowohl unter dem Namen Lil Bo Weep als auch als Unaloon. Mit ihrem Lofi-Sound war sie besonders auf dieser Plattform, die eine Heimat für Musik abseits des Mainstreams darstellt, ideal aufgehoben. Dabei handelt es sich überwiegend um softe und zugleich schmerzerfüllte, ruhig gesungene Lieder, die Fans als Emo-Indie bezeichnen. Nichtsdestotrotz verdient Lil Bo Weep sich ihren Platz bei 365 Fe*male MCs. Mit Tracks wie „SORRY“ oder „not ok but its ok“ gehörte sie zu den populärsten Vertreterinnen eines experimentellen LoFi-HipHop-Genres, das mit Trap-Beats und zerbrechlichen (Sprech-)Gesängen arbeitet.
But I’m just a bad as you
Lyrics „Codependency“
When I’m alone too I wanna die inside
I convince myself I’m fine
But now that I can see It’s just my codependency
Can not sleep, can not think
Demons eating away at me
High on Xanax, I’m a fiend
I can’t reach the in between“
Dass es in Lil Bo Weeps Diskografie keine glücklichen Song geben wird, verriet eigentlich schon die Auswahl ihres Künstlerinnennamens. Im Interview mit HighThoughtsTV erklärte sie den Unterschied zwischen ihren beiden Namen Lil Bo Weep und Unaloon: „Weep is just like sadness, whereas my Unaloon alias […] meaning healing.“ Nach diesem Prinzip teilte sie auch die Songs zwischen den beiden Profilen auf: Die selbstzerstörerischen, schmerzlichen Songs erschienen unter Lil Bo Weep, die mit einem Funken Hoffnung und dem Wunsch nach Besserung als Unaloon. Betrachtet man die Künstlerin hingegen in Interviews und Videos, ist eine extrovertierte, aufgeschlossene und herzliche Frau zu sehen. Mit ihrer Musik im Handgepäck um die Welt zu reisen und dabei neue Menschen kennenzulernen, waren Gründe dafür, warum ihr die Musik so viel bedeutete. Trotz der Krankheiten, mit denen sie kämpfte, veröffentlichte sie immer wieder neue Songs und YouTube-Videos, die sie sowohl in besseren als auch schlechteren Zuständen zeigten. Im März 2020 bestätigte ihr Vater ihren Tod via Facebook-Post, nachdem Winona bereits am Vortrag ein Instagram-Video veröffentlicht hatte, das einigen Follower:innen große Sorgen bereitet hatte.
This weekend we lost the fight for my daughter’s life against depression, trauma, PTSD and drug addiction that we have been fighting since we got her back from America through emergency repatriation DFAT but broken. She fought hard against her demons as we all did side by side next to her and picking up the broken pieces over and over again but she could not fight any more and we lost her. As her dad I am proud of her beyond words as she is my hero, my daughter and my best friend that I love so so much. She is no longer hurting now with the universe wanting their angel back.“
Matthew Schofield auf Facebook
Wir zitieren ihren Vater an dieser Stelle so ausgiebig, da es wohl keine treffenderen Worte für den Verlust einer Person gibt, als solche, die von einer nahestehenden Person kommen. Wir können den Schmerz ihrer Familie und Freund:innen nicht nachempfinden, stattdessen aber festhalten, dass die (Musik-)Welt mit Lil Bo Weep eine inspirierende Seele verloren hat, die bis zum Schluss versuchte, zu kämpfen. Für viele Fans von klassischem HipHop mag Lil Bo Weep keine relevante Künstlerin gewesen sein, da ihre häufige Einordnung ins Genre Rap durchaus Anlass zu Kritik gibt. Für eine gewisse Bubble hingegen, die sich besonders auf SoundCloud und anderen Untergrund-Plattformen mit Subgenres wie LoFi-Emo befasst, war sie eine bedeutende Künstlerin, der auch wir bei 365 Fe*male MCs mit diesem Portrait gedenken und unseren Respekt aussprechen möchten. Auch wenn sie heute nicht mehr für sich selbst musizieren kann, hinterlässt sie unzählige Songs, die andere Personen in deren ganz persönlichen Kämpfen unterstützen und ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind.
1 Solltest du selbst das Gefühl haben, Hilfe zu benötigen, wende dich bitte umgehend an eine dir vertraute Person oder die Telefonseelsorge. Unter der Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du anonym Unterstützung bei suizidalen oder selbstverletzenden Gedanken. Weitere Hilfe findest du auch bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.