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Lady Scar

Lady Scar

Seit März 2023 veröffentlicht WDR COSMO den Podcast „Deso – Der Rapper, der zum IS ging“ über den deutschsprachigen Ex-Rapper Deso Dogg. In diesem Zuge ist der Diskurs um Rap und Religion wieder lauter geworden und auch der Name Lady Scar ist wieder vermehrt zu hören. Nicht nur, weil Lady Scar selbst in engem Kontakt zu Deso Dogg stand, sondern auch, weil sie als muslimische Straßenrapperin mit Kopftuch aus damaliger Perspektive immer wieder für Gesprächsstoff sorgte. Ob in Bezug auf ihren Glauben, ein überaus kontroverses Battle bei Feuer über Deutschland oder ihre stellenweise abwertende Haltung gegenüber anderen Frauen im Rap – Die Geschichte von Lady Scar ist vielseitig.

Vorweg ist anzumerken, dass Lady Scar ihre Karriere mittlerweile auf Eis gelegt hat. Sowohl frühere Releases wie auch Social Media Profile wurden fast vollständig aus dem Internet gelöscht, sodass wir uns bei 365 Fe*male MCs für dieses Porträt hauptsächlich auf Sekundärquellen verlassen mussten und nur wenig originales Material sichten konnten.

Der musikalische Lebenslauf von Lady Scar beginnt so, wie der vieler anderer Rapper:innen auch. Bereits im jüngsten Kindesalter singt sie erst in einem Mädchen-, dann in einem Gospelchor, bevor sie später auch das Tanzen lernt. Mit afroamerikanischem und puertoricanischem Background in Berlin geboren, wächst sie zunächst in Frankfurt auf, bevor es wieder zurück nach Berlin geht. Auf der Suche nach der eigenen Identität und Heimat dient die Musik in dieser Zeit nach eigener Aussage als ihre einzig konstante Stütze. Als ihre Mutter schließlich in die USA geht und Lady Scar zu einer Pflegemutter zieht, beginnt die prägendste Zeit ihrer Kindheit und Jugend. Auf den Straßen Berlins lernt sie nicht nur die teils bittere Realität, sondern auch HipHop kennen. Inspiriert von Funk, Soul, G-Funk und Westcoast-Rap schreibt sie mit zwölf Jahren ihre ersten Texte auf Englisch. Viele Jahre Untergrund-Musik und Aliase folgen, bis sie sich 1998 den Namen Lady Scar gibt.

Lady hab‘ ich deshalb davor gesetzt, weil ich, egal wie Ruff [sic!] ich ‘ne Zeit lang war oder auch noch rüberkomme, eine Frau bin! Was Frauen im Rap ja automatisch irgendwie aberkannt wird, egal was und wie sie rappen oder aussehen. Entweder sind es Bitches oder Mannsweiber – FALSCH – ich bin eine Lady… Lady Scar!“

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Lady Scar im Steckbrief-Interview bei Nicky Berlin

Ihre Karriere im Berliner Untergrund scheint unaufhaltsam. Die Zahlen ihrer MySpace-Seite schießen in die Höhe und verschiedene Labels arbeiten mit ihr zusammen, während sie Rap-Workshops für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund gibt und ganz nebenbei selbst das Label-Management für Aus dem Nichts Entertainment übernimmt. Ob sie bei all dem mehr Straßenrapperin oder eine ruhige Seele sein will, weiß sie selbst viele Jahre nicht. Unter dem Pseudonym Mellow Drama featured sie andere Artists mit Gesangshooks, während sie parallel dazu bei Feuer Über Deutschland im Ring steht und unter anderem im Battle gemeinsam mit Emely nicht nur das erste Female-Battle auf die Bühne bringt, sondern aufgrund von Emelys Aggressivität gleich doppelt in die Feuer Über Deutschland-Geschichte eingeht. Mit ihren unterschiedlichen Facetten kommt Lady Scar in diversen Ecken der deutschen Rap-Szene gut an, sodass nach den unzähligen Live-Shows auch der Wunsch nach einem Debüt-Album immer größer wird. In diversen Interviews spricht Lady Scar viele Jahre lang vom Debüt-Album „Mord im Affekt“, das sie gemeinsam mit Rappern wie Manuellsen, MC Bogy oder Deso Dogg aufgenommen hätte – erschienen ist dieses Album bis heute nicht.

Kritik gibt es besonders aus heutiger Sicht besonders wegen Lady Scars Einstellung gegenüber anderen Frauen im Rap-Business. In mehreren Interviews macht sie deutlich, dass sie sich von anderen Frauen abgrenzt – besonders von denen, die sich selbst Sexualisieren und zu „Bitches“ stilisieren. Vor allem Lady Bitch Ray wird zur Zielscheibe – nicht nur in Form eines Disstracks, sondern auch einer „Anti-Bitch-Vereinigung“, die Lady Scar auf ihrer Webseite bewirbt. Mit den Jahren nimmt diese Pöbel-Haltung jedoch zunehmend ab, bis sie schließlich ihr gesamtes Image wechselt. Sätze wie „Wer genug von den wannabe Ganxtas hat, sollte sich Muschi anhören“ (so geschrieben von Lady Scar auf MySpace), gibt es ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr – die Zeit der Battles und Straßen-Attitüde sind vorbei. In verschiedenen Quellen spricht Lady Scar davon, erkannt zu haben, dass sie als Person in der Öffentlichkeit auch immer eine beeinflussende Rolle innehabe – besonders Jugendlichen und Kindern gegenüber. Aus der Sorge heraus, ein schlechtes Vorbild zu sein, legt Lady Scar erst die Beleidigungen und Aggressionen, später ihre gesamte musikalische Karriere nieder. Wenige Suchergebnisse bei Google und einige Battles sind das letzte, was heute an ihre Karriere erinnert. Inzwischen arbeitet die gelernte Make-Up-Artistin als Sozialarbeiterin und verwirklicht ihren Wunsch, ein guter Einfluss für junge Menschen zu sein, vermutlich mehr denn je. Dass es nochmal ein musikalisches Lebenszeichen von ihr geben wird, ist unwahrscheinlich – aktuelle (politische) Rap-Diskurse, wie jener um Deso Dogg, holen ihren Namen trotzdem immer wieder aus dem Untergrund hervor und machen damit deutlich, welch große Rolle sie in den Geburtsstunden deutschen Raps spielte.

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