Tomasa del Real wird nicht umsonst als „La Reina del Neoperreo“ (Königin des Neoperreo) bezeichnet. Nicht nur gilt sie als Erfinderin dies Subgenres des Reggaetons. Sie hat auch maßgeblich zum globalen Erfolg der neuen Musikrichtung beigetragen.
Valeria Cisternas, so Tomasas bürgerlicher Name, wächst in Iquique, Chile zu den Klängen von Reggaeton auf. Sie studiert zunächst Design und fängt 2011 an, als Tätowiererin zu arbeiten und reist durch das ganze Land, um die Haut von Menschen mit Farbe zu verschönern. Als ihre Mutter ihr eines Tages einen MacBook schenkt, beschließt Tomasa kurzerhand Musik zu machen und nimmt ihre ersten eigenen Songs auf. Dazu dreht sie selbst die Videos, lädt sie auf Facebook und YouTube hoch und performt diese auf selbstorganisierten Reggaeton-Parties während ihren Tätowier-Reisen. So macht sich Tomasa del Real innerhalb kürzester Zeit einen Namen in ihrer Heimat. Mittlerweile pausiert sie ihr Dasein als Tätowiererin, um sich voll auf die Musik zu konzentrieren.
Obwohl sie Reggaeton macht, tut sich Tomasa del Real schwer damit, es auch so zu benennen: Sie selbst kommt eben nicht aus Puerto Rico, wo das Genre seine Anfänge hat, sondern aus Chile. Um somit jegliche Form der Cultural Appropriation zu vermeiden und auch ihren eigenen Zugang zu Reggaeton zu beschreiben, der maßgeblich durch das Internet und das digitale Zeitalter geprägt ist, beschließt sie, das Wort „neoperreo“ zu verwenden. Eine alternative Bezeichnung wie Neoreggaeton beispielsweise kommt dabei nicht infrage, da Tomasa nicht nur Einflüsse des Reggaeton nutzt, sondern auch Genres wie Dembow, Dancehall oder Trap in ihre Musik einfließen lässt. Alles wozu man neben Reggaeton ebenso gut tanzen (zu Spanisch: „perrear“1) kann.
Die DIY-Mentalität des Reggaeton wird beibehalten und in das Zeitalter des Internets übertragen: Songs werden mithilfe von WiFi, eines Laptops, Fotos aus dem Internet und mit der Unterstützung der Community produziert und verbreitet.
(…) the thing is, you can do all this yourself. Anything that you see that comes out from me, I can tell people the program I used to record it and they can do it at home.“
Tomasa del Real im Interview mit Rolling Stone
Schnell verbreitet sich der Hashtag #neoperreo und Tomasa entschließt sich, die Menschen bei Parties zusammenzubringen. Daraus entsteht auch ein YouTube-Kanal, der für alle Künstler*innen offen ist, die ebenfall Neoperreo machen. Nicht ohne Grund hat sie den Begriff Neoperreo patentieren lassen, da sie darunter zugleich ihre ganz eigene Brand und einen safe space für gleichgesinnte Künstler:innen geschaffen hat.
2016 erscheint ihr erstes Album „Bien y Mal“, das eine Compilation ihrer bis dato aufgenommen Songs darstellt. 2018 und 2019 folgen weitere Platten mit den Titeln „Bellaca del Ano“ sowie die über Nacional Records erschienene LP „TDR“. Gepaart mit Autotune und frechen Lyrics lassen Tomasas Tunes die Tanzflächen erbeben und empowern Frauen, sie selbst zu sein sowie ihre Sexualität auszuleben. In Tomasas Lyrics übernehmen Frauen selbst das Kommando und nehmen eine aktive Rolle ein, während den Männern die passive Rolle zugeteilt wird.
Ihre aktuelle Single „La Puteria“ ist eine Kollaboration mit der Künstlerin Lizz, die wie Tomasa Del Real ebenfalls für ihre sexpositive und empowernde Musik bekannt ist. Für dieses Jahr ist ein neues Album geplant, auf das ihre Fans schon gespannt warten.
1 „perrear“ ist eine Wortneuschöpfung und bezeichnet eine laszive, meist paarweise Form des Tanzens zu Reggaeton. Im Amerikanischen vergleichbar mit „grinding“ oder „booty dancing“.