Die Österreicherin Sandra Neuner, bekannt unter dem Künstlerinnennamen SanTra, ist in den sozialen Netzwerken gar nicht so leicht zu entdecken. Auf Instagram dann doch als @___santra___ gefunden und auf den Abonnieren Button gedrückt, werde ich Teil der knapp 1350 Follower:innen, die die spannende Künstlerin auf ihrer Reise online begleiten. In ihrer Biografie verlinkt SanTra ihre eigene Band F63,8; zudem beschreibt sie sich dort mit den Worten „Bin offen wie ein Buch, doch schreibe zwischen den Zeilen“. Klingt vielversprechend!
Im normalen Leben studiert die Anfang dreißig jährige Innsbruckerin eigentlich Volksschullehramt und nimmt erst seit circa 2017 in der österreichischen Musikszene aktiv teil. Doch nicht nur ihren zukünftigen Schüler:innen möchte sie etwas lehren, auch ihre Zuhörer:innen können aus ihren Songs zu Themen wie Konsum und Kapitalismus etwas mitnehmen.
Wir sind überreizte Werbeträger im Garten Eden“
(SanTra in ihrem Song „Synthetisch“)
Dank der letzten Jahre liegt ein spannender musikalischer Werdegang hinter SanTra: Nach dem Aus ihrer damaligen Beziehung beginnt sie vor einiger Zeit, ihre Emotionen und Gedanken in Form von Rap-Texten zu verarbeiten. Professioneller wird alles durch ein Projekt an der Uni, für das sie gemeinsam mit einem Kommilitonen mit Rap herumexperimentiert und in diesem Zusammenhang den deutschen Rapper Wiedmann kennenlernt. Dieser lädt sie nur kurze Zeit später als Supportact auf seiner Tour ein. Anfangs nutzt SanTra noch Beats von YouTube, wenig später kommt es jedoch schon zur Zusammenarbeit mit dem Produzenten Testa und dessen Label Duzz Down San. Und auch Banderfahrung bringt sie mit. Als Sängerin der Band F63,8 , mit der sie bereits die EP „Viecher“ veröffentlicht hat, spielt sie Musik, die sie selbst als „Funky-Rap-Rock-Zeug“, kurz FURRZ, bezeichnen.
Nachdem sie sich für ihre Solo-Projekte während der Hochphase der Pandemie vor allem dem Texten hingibt, lernt sie nun selbst noch Schlagzeug und Synthesizer zu spielen. Mal ganz abgesehen davon, dass sie ihre Videos ebenfalls selbst schneidet – alles, um so selfmade, wie irgend möglich, produzieren zu können.
Das österreichische Magazin Alpenfeuilleton bezeichnet SanTra als Wortakrobatin – und tatsächlich ließe sich eine passendere Beschreibung vermutlich kaum finden: Ihre große Freude daran, Neues zu entdecken, verleitet sie dazu, Extreme zu mögen und vor allem Worte, die solche widerspiegeln. Sprache und musikalische Poesie nutzt SanTra als Rückzugsorte und möchte mit ihnen gleichzeitig ihre eigene Lebensrealität für andere verständlich darstellen, jene aber trotzdem optimieren und außerdem auch noch kritisch betrachten. Dafür dient der vielseitigen Künstlerin schlichtweg alles aus dem Alltag als Inspiration und hat so einen großen Einfluss auf ihre Musik.
Das Ergebnis dieser Inspiration in Form ihres Solo-Debütalbums „Tausendfüßler“, das durch leichte Beats und wortgewandte Texte Träumen und Kapitalismuskritik miteinander verbindet, kann sich hören lassen. Nach Verzögerungen des Releases wegen der Pandemie und der finalen Phase ihres Studiums, ist das von dem in Wien ansässigen Produzenten Testa produzierte Album im April 2022 erschienen. Darauf lässt einer der Hauptkritikpunkte SanTras, die Folgen des Spätkapitalismus, das lyrische Ich oftmals fragil und unter dem stetigen Druck, sich selbst optimieren zu müssen, erscheinen.
Die Erde im Fieber, im Fieber schwirren wir umher. Der Mensch der will alles und immer noch mehr. Er breitet sich aus, wie das Plastik im Meer. […] Bis morgen dann, dann fängt das Spiel von vorn an, von vorn an!“
SanTra auf ihrem Album „Tausendfüßler“
In der Musikszene findet die Österreicherin gegenseitigen Support unter FLINTA* enorm wichtig. Besonders in der Tiroler HipHop-Szene gebe es nur sehr wenig Repräsentanz und sie selbst habe sich in diesem von Männern dominierten Raum anfangs oft belächelt gefühlt. Andere möchte sie so durch ihre Präsenz weiter darin bestärken, die Richtig- und Wichtigkeit zu verinnerlichen, in Momenten, in denen man selbst Sexismus und Antifeminismus erlebt, für die eigenen Werte und Vorstellungen einzustehen.
Für die Zukunft wünscht sie sich, dass die Musik weiterhin ihr Ausgleich zum alltäglichen Geschehen bleiben kann und diese, wie schon während ihres Masterstudiums, nicht zum Hauptberuf wird. Sie gibt an, Musik in erster Linie für sich selbst zu machen und möchte sich auf diese Weise davon frei machen, was andere von ihr und dem, was sie macht, denken. Etwas, wovon sich in unserer heutigen Zeit wohl jede:r eine Scheibe abschneiden könnte!