Jede:r habe eine ruhige und eine laute Seite, berichtet die brasilianische MC Bivolt in einem Interview. Beide spiegeln sich in ihrem Namen wider, der für die Verbindung zweier unterschiedlicher Spannungen steht. Auch auf ihrem gleichnamigen Album „Bivolt“ spinnt sie das Konzept weiter und veröffentlicht die beiden Songs „100v“ und „220v“, die als Intro beziehungsweise Outro dienen. Während der eine Song mit ruhigen und sanften Melodien ausgestattet ist, umgarnt der andere die Zuhörer:innen mit elektrisierenden Beats und harten Raps. Das Besondere hieran: Spielt man die beiden Tracks gleichzeitig ab, entsteht ein neues Klangerlebnis und somit ein dritter Bonustrack.
Die Idee war, irgendwie mit einem Konzept zu erklären, was ‚Bivolt‘ ist. Es ist ein Höhepunkt an Emotionen und Gefühlen, genau wie ich es bin. Zwei Seiten, die, wenn sie zusammenkommen, ein und dasselbe sind.
Im Original: „A ideia era de algum modo, através de um conceito, explicar o que era a ‘Bivolt’. São picos de emoções e sentimentos, exatamente como eu sou. Dois lados que quando se juntam se tornam a mesma coisa.“
Die aus São Paulo stammende Rapperin hat bereits Geschichte geschrieben. Seit ihrem 15. Lebensjahr nimmt Bivolt als Bárbara Bivolt erfolgreich an verschiedenen Rap-Battles teil und startet daraufhin 2017 ihre Solokarriere. Bereits im selben Jahr schafft sie es, als erste weibliche Rapperin auf dem Musikfestival „Rock in Rio“ aufzutreten. Ihr Track „Cubana“, Teil des Soundtracks der brasilianischen Telenovela Um Lugar ao Sol, beschert ihr eine Grammy-Nominierung in der Kategorie „Melhor Vídeo Musical Versão Curta“ (Bestes Musikvideo-Shortversion). Ihr Bild wurde sogar im Rahmen einer Spotify-Aktion auf dem Times Square abgedruckt.
Ihre Dualität und das Zusammenbringen ihrer verschiedenen Seiten ermöglichen ihr, mit verschiedenen Genres und Rhythmen zu experimentieren. Innerhalb ihrer Songs switcht die Künstlerin zwischen R&B und Rap und probiert sich an Trap, Funk, Samba oder Jazz-Elementen aus. Vor ihrem ersten richtigen Album veröffentlicht die MC bereits andere Werke, um der Öffentlichkeit ihre Vielseitigkeit zu zeigen. Dazu gehören Tracks wie „Lágrimas“, „Entre Tu e o Meu Som“ oder „Olha Pra Mime“. Auf Bivolts 2020 veröffentlichtem gleichnamigen Album bewegt sie sich gekonnt zwischen ruhigen und energiegeladenen Melodien und nutzt den Rap, um mit stereotypischen Macho-Klischees abzurechnen. Musik bedeutet für Bivolt eine Erweiterung ihrer eigenen Person und ihres Lebens. Ihre Kompositionen beruhen auf ihren Erfahrungen, gesellschaftspolitischen Reflexionen oder Liebesbeziehungen. Ihr geht es darum, Neues und Altes zu kombinieren, vor allem, seit Rap auch Popmusik ist.
Bivolt sieht sich als eine Art Pionierin und Vorreiterin. Ihr Ziel ist es, Grenzen zu durchbrechen und neue Dinge auszuprobieren, die zuvor niemand gemacht hat. Damit will sie vor allem anderen Frauen in der brasilianischen Rap-Szene einen Weg ebnen: „Ich hoffe immer noch, dass ich die erste Frau bin, die viele Dinge tut, aber nicht die letzte – das ist das Wichtigste.“ (Im Original: „Espero ainda ser a primeira mulher a fazer muitas coisas, mas não a última.“) Dennoch oder gerade deswegen liegt ihr Fokus darauf, in Zukunft weitere internationale Erfolge zu erzielen. In einem Interview mit der Glamour erwähnt sie, sie habe vor, sich auf ihre Wurzeln zurückzubesinnen und die Musik der 90er wieder aufleben zu lassen.