Beim Versuch, über koreanische Künstler:innen zu recherchieren, ohne der Landessprache mächtig zu sein, erscheint vor allem eins angebracht: Vorsicht! Es besteht akute Verwechslungsgefahr, besonders, wenn man einer Person mit dem sehr verbreiteten Familiennamen Kim nachspürt. In unserem Fall hilft allerdings auch der Vorname nicht viel weiter: Schon eine flüchtige Suche nach Kim So-hee spuckt drei in unterschiedlichen musikalischen Kontexten aktive Talente aus.
Eine Kim So-hee, geboren 1999 in Incheon, ist K-Pop-Idol und in den Reihen der Girlgroup Alice aktiv. Nein, das ist die falsche. Auch bei der Kim So-hee, Jahrgang 1995, aus Busan stammend und Mitglied von Nature handelt es sich nicht um die Frau, die wir suchen. Wir müssen also aufpassen wie die Luchse, um bei der richtigen Kim So-hee zu landen, bei der einen, die sich Queen WA$ABII nennt. Bei dieser hier:
Unsere Kim So-hee kommt am 1. Januar 1994 in Hapdeok-eup zur Welt, wahrlich nicht unbedingt eine HipHop-Metropole. Das Städtchen im Westen Südkoreas ist hauptsächlich seiner mächtigen katholischen Kirche wegen bekannt. Der Großteil der (übersichtlich zahlreichen) Bevölkerung hängt dem katholischen Glauben an, nahezu jede Familie im Ort rühmt sich einer oder mehrerer Märtyrer:innen in ihren Ahnenreihen. Liefert das wirklich fruchtbaren Boden für eine aufkeimende Rap-Karriere? Sieht so aus. Dass Queen WA$ABIIs Skills über jeden Zweifel erhaben sind, sollte sich zumindest nach ihrem Freestyle mit Ash-B herumgesprochen haben:
Der einjährige Aufenthalt in New York, den sie sich hauptsächlich deswegen gegönnt hat, um auf HipHops Spuren zu wandeln, scheint Früchte getragen zu haben. Beim Schreiben, so die Rapperin, achte sie jedenfalls besonders auf den Flow. Vor hartem Vokabular schreckt sie dabei so wenig zurück wie vor engagiertem Körpereinsatz. Als ihr 2022 beim Rapbeat-Festival das Oberteil verrutscht und sie etwas mehr Haut zeigt als eigentlich beabsichtigt, regt sich zwar das eine oder andere Boulevard-Blatt auf, nicht aber Queen WA$ABII selbst. Sie richtet sich in aller Seelenruhe das Top, reißt einen Witz und setzt ihren Auftritt unbeeindruckt fort. Profi, eben.
Dabei ist sie noch gar nicht sooo furchtbar lange im Geschäft: Ans Licht der Öffentlichkeit tritt sie erstmals 2019 an der Seite von Purple Bitch, mit dem gemeinsamen Track „Look At My!“ Danach geht es aber rasant weiter. Noch im selben Jahr erscheint die nächste Single „Hi, Baby?“, ihre erste EP „Spice It Up!“ folgt 2020. Ein Label im Rücken braucht Queen WA$ABII dafür nicht, ihren Karrierestart legt sie independent hin. Den medialen Rückenwind, den ihr die Teilnahme am TV-Format Good Girl beschert, nimmt sie aber gerne mit: Hier wetteifern bekannte und weniger bekannte Künstler:innen aus R&B, HipHop oder K-Pop um einen Geldgewinn. Der Preis ist jedoch zweitrangig, in erster Linie geht es um den Popularitätsschub.
Blöd nur, wenn der damit einhergeht, dass mehr Menschen mitbekommen, dass Queen WA$ABII in einem Videoclip locker mit dem N-Wort um sich wirft. Zum Glück merkt sie es noch selbst, auch wenn ihr „Upps! Das hätte ich wohl nicht sagen sollen“ (Völlig richtig, hättest du besser nicht!) schon ein wenig unreflektiert rüberkommt, insbesondere für jemanden, der an der prestigeträchtigen EWHA Womans University Erziehungswissenschaft studiert und an einer Schule Ethik-Unterricht gegeben hat. Immerhin: Queen WA$ABII kommt offenbar zur Vernunft. Sie nimmt die Kritik an und entschuldigt sich öffentlich für ihre rassistische Entgleisung.
Für eine Karriere als Entertainerin erscheint Queen WA$ABII als Rapperin, Sängerin, DJ und, wie ihre Videos zeigen, auch als Tänzerin mannigfaltig qualifiziert. Die in ihrem Style präsenten R&B- und K-Pop-Vibes bieten Fans verschiedenster Genres Andock-Möglichkeiten, während sie die eingeschworenen HipHop-Heads mit ihrer Technik am Mic abholt. Ein heißer Mix, genau wie ihr Künstlerinnenname: Den nämlich hat sie sich ausgesucht, weil Schärfe drinsteckt, „und trotzdem klingt es niedlich“. Na, dann…
Apropos niedlich, falls sich irgendein Kerl Chancen bei Queen WA$ABII ausrechnen sollte: „Ich habe keine hohen Ansprüche“, beschreibt sie selbst ihre Wunschvorstellungen, „ich bin bloß extrem wählerisch. Vor allem kann ich es nicht ausstehen, wenn jemand auf mich herabschaut. Ein Typ sollte also keinesfalls zu groß sein.“ Seht ihr? Manchmal kommt es eben DOCH auf die Größe an.