Die all-female Crew H.W.A. aus Kalifornien trägt einen der ikonischsten Bandnamen der Rap-Geschichte. Das Akronym H.W.A. steht für „Hoez With Attitude“, und auch sonst prägt das Trio mit provokanten Texten und selbstbewusstem Auftreten die HipHop-Szene der 1990er Jahre und stellt die Weichen für nachfolgende fe*male MCs neu.
1989 formiert sich die Gruppe um die Begründerinnen Jazz, Diva und Baby Girl in Compton. Einige mögen da bereits Assoziationen im Kopf haben: Die Initialen H.W.A. erinnern nicht zufällig an die Comptoner Rap-Crew N.W.A. Die Rapperinnen bewegen sich im Dunstkreis des verstorbenen Rappers Eazy-E und wechseln, nachdem ihr Debüt „Livin‘ In A Hoe House“ nicht den erwünschten Erfolg verzeichnet, auf dessen Label Ruthless Records. Dort erscheinen noch zwei weitere Alben, ehe sich H.W.A. einige Mitgliedswechsel später nach fünf Jahren Bandgeschichte 1994 auflösen.
Stilistisch bewegen sich H.W.A. mit synthetischen Basslines, entspannten und funkigen Grooves sowie Einflüssen aus Soul, Funk und Jazz in der Tradition der beginnenden G-Funk-Ära der Westküste. Was damals besonders Aufsehen erregt, ist nicht unbedingt der Sound, sondern die Texte. Frauen, die offen über Sex und Schwänze rappen, gehören in der Zeit, als Rap noch in den Kinderschuhen steckt, zu einer Minderheit. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen müssen sich Jazz, Diva und Baby Girl immer wieder für ihre Texte rechtfertigen und erklären.
You are calling us bitches and hoes, so this hoe is going to respond.”
Tonja Simmons alias Jazz im Interview mit Megan Schuller
Qua Bandname zeigen die drei ein kritisches Bewusstsein für stereotype Rollenzuschreibungen. Die Selbstbezeichnung als ‚Hoe‘ sowie die Verwendung von hypersexualisierten Texten sind Ausdruck ihrer Handlungsoptionen in der männerdominierten Gesellschaft. Ihnen geht es darum, die misogyne Doppelmoral im HipHop zu thematisieren, aber auch Veränderungen anzustreben und die negative und männlich geprägte Konnotation umzudefinieren. Für H.W.A. steht die Bezeichnung ‚Hoez‘ für Optimismus, Ehre und Kraft, sie steht für Frauen, die für das, das sie tun, ordentlich bezahlt werden.
Vor allem Schwarze Rapper:innen wie Queen Latifah oder Lauryn Hill werfen in den 80er und 90er Jahren die Geschlechterordnung im HipHop um. Trotz ihres bescheidenen kommerziellen Erfolgs haben H.W.A. wesentlich dazu beigetragen, die Wahrnehmung von Frauen im Rap zu verändern. Dass Jahre später explizite Künstler:innen wie Lil‘ Kim oder Foxy Brown über weibliche Sexualität rappen und nicht von Musiksendern in den Giftschrank verbannt werden, liegt auch an der Vorarbeit der Queens aus Compton. Die Kämpfe um die Um- und Bedeutung der Worte ‚Hoe‘ und ‚Bitch‘ mögen heute noch andauern, doch diesen wichtigen Mitstreiterinnen gehört deutlich mehr Tribut gezollt.