„Wenn ich rappe, fühle ich mich wie ein anderer Mensch“, sagt Gennie. „Als wäre ich frei und würde keinerlei Beschränkungen unterliegen.“ Kein Wunder, dass sie von grenzenloser Freiheit träumt: Die Realität sieht für Frauen in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbataar oft genug ganz anders aus.
Der Zerfall der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre brachte der Mongolei Demokratie und freie Marktwirtschaft, doch wie überall sonst auf der Welt brachten diese Errungenschaften auch ihre Kehrseite mit. Knapp die Hälfte der mongolischen Bevölkerung lebt in der Hauptstadt und ihren Balieues. Mit der Reitervolk- und Nomaden-Romantik, die die meisten mit dem zentralasiatischen Land verbinden, ist es da nicht weit her.
Gennie erzählt in ihren Texten von den Härten des Lebens. Sie thematisiert Ausbeutung und Zerstörung der Natur, den grassierenden Alkoholismus und die Armut in den Straßen ihrer Heimatstadt und rappt schonungslos über häusliche Gewalt. Insbesondere geht es ihr darum, die Situation von Frauen sichtbar zu machen, die oft genug erst von ihren Männern, dann vom Staat im Stich gelassen werden.
Dabei fühlt sich Gennie gar nicht als „typische“ Vertreterin ihres Geschlechts: „Ich bin wahrscheinlich eher eine maskuline Person“, schätzt sie sich selbst ein. „Deswegen habe ich auch einen Männerjob.“ Um sich und ihr Kind finanziell über Wasser zu halten, arbeitet sie tagsüber als Mechanikerin: Sie wartet die Heizungsanlagen eines Appartment-Komplexes. Ihre Liebe allerdings gehört nicht irgendwelchen Rohrleitungen, ihr Herz schlägt für HipHop: „Weil ich ihn so geliebt habe, habe ich ihm gestattet, mich auf vielerlei Art zu beeinflussen.“
„Mein Englischlehrer war Eminem„, beschreibt sie, wie ihr Songtexte buchstäblich eine ganze Welt eröffneten. Seit sie zwölf ist, rappt sie selbst. Die ersten Tracks nimmt sie mit 14 auf. Der mongolische HipHop-Pionier Enkhtaivan erkennt ihr Talent und fördert sie. 2010 reicht die Kunde von Gennies Können schon weit über die Grenden Ulaanbataars und der Monglei hinaus. Bald absolviert sie Auftritte in Europa, Aufnahmesessions in San Franciso und entpuppt sich als der (gar nicht einmal so heimliche) Star der australischen Dokumentation „Mongolian Bling“, die die Rap-Szene der Mongolei beleuchtet.
Der Titel „Queen of Mongolian HipHop“ erscheint wie für sie gemacht, allerdings bekommt das Genre mit ihr eine Königin, die sich um die auch hier gängigen Themen – Reichtum, Autos, die üblichen Gockeleien – einen Dreck schert. Ihr geht es, wie sich das für eine gute Monarchin gehört, um die Menschen hinter den Fassaden. Während sich die Szene vor Ort noch zerfleischt, was „mongolischer HipHop“ denn überhaupt sei und welche Kriterien er erfüllen müsse, hat Gennie die Definition längst geliefert: „Ich bin Mongolin“, erklärt sie selbstbewusst. „Was ich mache, IST mongolischer HipHop.“