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EsRAP

EsRAP

Seit fast zehn Jahren machen die Geschwister Esra und Enes Özmen nun bereits gemeinsam Musik und stellen mit ihrem musikalischen Output als powervolles wie meinungsstarkes Duo EsRAP die Wiener Rap-Szene gewaltig auf den Kopf. Sowohl auf musikalischer wie auch performativer Ebene lässt sich EsRAP als wahre Ausnahmeerscheinung betiteln, die zudem noch klare politische Kante in ihrer Musik bezieht, ohne dabei die Freude am Leben zu verlieren („Kabadayi“ und „Para Queen“).

Als Enkel angeworbener Gastarbeiter*innen aus der Türkei wachsen Esra und Enes im Wiener Arbeiterviertel Ottakring auf. Schon früh werden sie damit konfrontiert, was es bedeutet, sich im eigenen Land fremd zu fühlen beziehungsweise als türkische Östereicher*innen, wie sie sich selbst bezeichnen, irgendwie nie so richtig dazuzugehören („Meine Welt“ aka. „Enkel der Gastarbeiter“). Musik entwickelt sich in diesem Zusammenhang schnell zum passendem Medium für die Geschwister, um sowohl den eigenen Gedanken und Gefühlen Ausdruck zu verleihen als auch, um über alltägliche diskriminierende Erfahrungen in ihrer Heimat Österreich zu sprechen. So geht es in vielen Songs des Duos um die Suche nach der eigenen hybriden Identität („Kids of Diaspora“ feat. Kid Pex), die Gleichstellung von Frauen oder die Notwendigkeit gelebter Solidarität und das Auflehnen gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeiten („Kabadayi (Die Tage werden besser)“): Aspekte, die die Geschwister nicht nur besingen, sondern auch leben. Es geht den beiden vor allem darum, ihre Stimmen zu nutzen, um für mehr Respekt und Akzeptanz im eigenen Land sowie für mehr Sichtbarkeit marginalisierter Bevölkerungsgruppen zu kämpfen. Von Anfang an stand für Esra und Enes deshalb fest, dass ihre Musik bilingual sein soll, um nicht nur die deutschsprachigen Zuhörer*innen zu erreichen, sondern auch die türkische Diaspora. Ein Konzept, das in jedem einzelnen Song von EsRAP wunderbar funktioniert: Entgegen gängiger Rap-Szene-Klischees spittet nämlich Esra, zum Teil in krasser Doubletime, ihre Bars in der Regel auf Deutsch beziehungsweise mit österreichischem Akzent, während ihr Bruder Enes, angelehnt an die Tradition des orientalischen Genres Arabeske, auf Türkisch mit seinem feinfühligen Gesang die Vokalparts beisteuert. Charakteristisch für Arabeske, welches als Mischung aus popmusikalischen und arabischen Klängen sowie türkischer Volksmusik bezeichnet werden kann, ist dabei vor allem, dass auf inhaltlicher Ebene oft sehr emotionale Themen wie zum Beispiel das Leid in der Welt, alltägliche Sorgen oder aber auch unerfüllte Liebe besungen werden („Gecelere Bak“). Insofern lässt sich EsRAPs musikalische Erfolgsformel auf mehrheitlich partytauglichen, jedoch dabei stets gesellschaftskritischen Rap in Kombination mit Arabeske herunterbrechen, mit der das Duo bereits seit vielen Jahren begeistert.

Denn auch wenn EsRAP erst 2019 ihr Debütalbum mit dem empowernden Titel „Tschuschistan“* (via Springstoff) sowie im gleichen Jahr, zusammen mit der Wiener Balkan-Polka-Rock-Band Gasmac Gilmore, die EP „Freunde dabei“ veröffentlicht haben, zählen sie mit ihrem musikalischen Output und künstlerischen Dasein unverkennbar zu den wichtigen Protagonist*innen in der deutschsprachigen Rap-Landschaft und beweisen einmal mehr, dass aus dem Mut und Willen zur Konfrontation Positives entstehen kann.

Wer EsRAP bislang noch nicht kannte, checkt das Duo am besten direkt aus und lässt im Namen von 365 Female* MCs ein bisschen Liebe da!

* Im österreichischen Deutsch ist „Tschusch“ eine beleidigende beziehungsweise abwertende Bezeichnung für Migrant*innen. Mittlerweile wird der Begriff jedoch, ähnlich wie im Deutschen der Begriff „K*nake*in“, als bewusste, empowernde Selbstbezeichnung der heutigen postmigrantischen Generationen verwendet und positiv für sich umgedeutet. Insofern versuchen EsRAP, mit „Tschuschistan“ einen utopischen Raum zu schaffen, in dem jede*r akzeptiert wird und sich wohl fühlt, frei von Vorurteilen aufgrund der ethnischen oder religiösen Herkunft.

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