Bei ihren Battles wurde Clara Lima eine Schlampe genannt, ein Transvestit mit Schnurrbart – obwohl sie bei ihren ersten One-on-Ones gerade einmal 14 Jahre alt war. Die brasilianische Rapszene ist hart, vor allem für Frauen. Etwas zu hart für Clara Limas Mutter, die ihr nach ihrem ersten Auftritt eröffnete: „Ich kann es nicht ertragen, wenn Leute dich so verfluchen. Ich gehe.“ Aber Clara Lima blieb.
Die Battles waren ihre Art, den schwierigen Familienverhältnissen zu entfliehen. Und sie halfen ihr, sich ihren Platz in der Gesellschaft zu erkämpfen – auch außerhalb der Musik: „Was ich im Rap erlebe, ist nicht anders als das, was man täglich in der Gesellschaft erlebt. Rap war für mich also nur eine andere Möglichkeit zu zeigen, was ich kann und wie ich es tun möchte, dass ich es wert bin, jeden Raum zu besetzen!“, erzählt sie in einem Interview.
Als schwarze, homosexuelle Frau in Brasilien keine Selbstverständlichkeit, wenn man, wie die heute 20-Jährige, in Ribeiro de Abreu, einem Stadtteil von Belo Horizonte mit viel Armut und Kriminalität aufwächst. Und erst recht nicht, wenn das Land von einem Präsidenten regiert wird, der einer Politikerin ins Gesicht sagt, er würde sie nicht vergewaltigen, weil sie es „nicht wert“ sei und „Wenn ich sehe, wie sich zwei Männer auf der Straße küssen, werde ich sie schlagen.“ Diskriminierung ist in Brasilien ein riesiges Problem, die Rapszene ist davon keine Ausnahme.
Für Clara Lima ist das erst recht Grund zum Widerstand. Sie wurde Teil des Rapkollektivs DV Tribo und spielte die Hauptrolle in dem Kurzfilm „Nada“, der bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt wurde. Kein Rap, passt aber trotzdem gut ins Schema. Denn in dem Film geht es um eine junge Frau, die sich gegen ihr Umfeld stellt und ihren eigenen Weg finden will, um erwachsen zu werden. Ganz wie sie selbst, nur dass Clara Lima schon genau weiß, was sie will: Weiter Musik machen.
Zwei Alben sind schon von ihr erschienen. Ging es in ihren ersten Album „Transgressão“ noch um Kriminalität und das Leben in ihrer Heimatstadt, schlägt sie bei ihrem zweiten Album „Selfie“ sanftere Töne an – es ist eine Art Selbstportrait, mit Sambaeinflüssen, ruhiger Stimme und Tracks über Liebe. Gut geeignet um abends tief ins Sofa zu sinken und abzuschalten. Ihre Anfänge im Battlerap hört man (leider) nur noch selten raus, trotzdem gilt, was sie selbst einst vor einem Finale sagte: „Wenn ich gewinne, Bruder, freue ich mich. Aber ich bin jetzt schon die Gewinnerin, weil ich diesen Raum besetze.“