Glasgow hat sich bisher eher nicht als HipHop-Hochburg ausgezeichnet. Die sphärischen Shoegaze-Klänge von Jesus & The Mary Chain, die lieblichen Indiepop-Perlen von Belle & Sebastian, die mächtig mäandernden Postrock-Riffs von Mogwai oder der Emo-Alternative-Rock von Biffy Clyro – der Sound größtenteils männlich besetzter Gitarrenbands war es über Jahrzehnte, der aus der grauen und verregneten schottischen Hauptstadt nach außen drang und weltweit Fans fand.
Das änderte sich schlagartig im Jahr 2018, als CHLOBOCOP Glasgow mit roter Signalfarbe auf die HipHop-Landkarte klatschte. „LiL‘ RED RIDIN‘ FROM THE HOOD“ heißt die Debüt-EP der zu diesem Zeitpunkt 20-jährigen Rapperin, auf deren sieben Tracks sie mit einem unnachahmlich hypnotischen Sing-Sang scheinbar mühelos mit den Silben jongliert. Als die EP erschien, rappte die Glasgowerin gerade einmal wenige Monate lang. Kurz vorher veröffentlichte sie den Track „TiNA“ (was sich passenderweise ganz gut auf „Kokaina“ reimt) auf Soundcloud. Es entstand ein kleinerer Hype, der zu einem größeren Hype wurde und dann ging alles ganz schnell.
Im April 2019 legte CHLOBOCOP die 3-Track-EP „Pay As You Go“ nach, mit der ihre psychedelische Lautmalerei auf futuristischen Trap Drums den nächsten Schritt machte. In „Who’s dat?“ schmeißt sie ungeniert mit rüden Schimpfwörtern um sich, „Voice Clips“ scheint eine ziemlich verkorkste Beziehung aufzuarbeiten und dann wäre da noch die süchtig machende Anti-Polizei-Hymne „999“. Der eingängige Track arbeitet detailliert eine persönliche Geschichte auf, die der Rapperin Ende des Jahres 2015 widerfahren war. Die damals 17-jährige war im Auto auf dem Weg nach Hause von der Polizei angehalten und wegen Drogenbesitzes festgenommen worden. Da das zuständige Gericht über die Jahreswende mit dem Betrieb pausierte, hockte die Teenagerin sechs lange Tage in einer Zelle. Die zwei folgenden Jahre waren von Ungewissheit, Angst- und Panikattacken geprägt.
Erst anderthalb Jahre später, im Juni 2017, wurde der Teenagerin gesagt, sie komme um eine Gefängnisstrafe herum. Ein weiteres Jahr später nahm sie in der Wohnung eines Freundes erstmals ihre Stimme auf einem Beat auf, entdeckte ihre Berufung und widmete sich mit voller Überzeugung und Energie der Musik, die sie auch nutzt, um ihre traumatische Vergangenheit aufzuarbeiten.
Drogen sind also ein beliebtes Thema. Auch das aktuelle CHLOBOCOP-Kunstwerk in knallrot huldigt „NARCOTICS“. Das Pulver auf dem Cover ist selbstverständlich in ihre Lieblingsfarbe getränkt, genau wie der „Parental Advisory“ Sticker. In „NARCOTICS“ kullern die Worte, die bei CHLOBOCOP immer ein bisschen wie Phantasiesprache klingen, über ein gezupftes Gitarren-Instrumental. Einen Mann braucht sie dafür nicht. Produziert werden CHLOBOCOP Songs traditionell von ihrer besten Freundin K4CIE. Auch auf ihrem (hoffentlich bald erscheinenden) Debütalbum, das laut Eigenaussage ein großer Cocktail an Rock, Punk und Jazz sein wird, möchte CHLOBOCOP im besten Fall ohne Männer auskommen: „Fuck men. I’ve proven myself a woman in this city and I just want to prove women to the world.“ (CHLOBOCOP in The Face)