In den Kommentarspalten ihrer Videos wird Tenzin Seldon aka TiBcHiCk immer wieder von ihren Fans liebevoll als tibetanische Cardi B bezeichnet. Auch wenn wir die Intentionen hinter diesem Vergleich durchaus verstehen, plädieren wir dennoch stark dafür, TiBcHiCk als das anzusehen, was sie ist: Nämlich eine talentierte Texterin, selfmade Produzentin und zudem auch die erste im Exil lebende tibetische Rapperin.
So sehr man auch über die Entwicklungen und den Einfluss sozialer Medien streiten mag, bieten sie zahlreichen Künstler:innen die vorteilhafte Möglichkeit, sich selbst vermarkten und auf ihre eigene Weise präsentieren zu können. Eine Tatsache, die es in den letzten Jahren zahlreichen Künstler:innen in der tibetischen Diaspora ermöglicht hat, sich zu entfalten sowie vor allem aber auf sich aufmerksam zu machen. Von Künstler:innen wie Kunga Norbu aka Shabhaley, Dawa Tsona, Tenzin Seungyi bis zu TiBcHiCk: Die tibetische (Rap-)Musikszene im Exil existiert und blüht zunehmend auf.
Nachdem Tenzin Seldon Anfang der 2010er Jahre beginnt, ihren YouTube-Kanal mit vereinzelten amateurhaften Tanzvideos zu füttern, veröffentlicht die Rapperin 2017 ihre ersten Rap-Tracks, wie u.a. „Tsemo (come play with me)“ oder „Bhoepey Bhumo“. Bei letzterem handelt es sich um ihre sehr hörenswerte tibetische Version des Songs „The Baddest Female“ der südkoreanischen Rapperin CL. Innerhalb kürzester Zeit erreicht sie mit weiteren Songs wie „Don’t test me“ sowie dem absoluten Ohrwurm „fearless (འཇིགས་མེད།)“ mehrere hunderttausende Klicks. Bis heute wächst TiBcHiCks Reichweite stetig.
Als Tibeterin in der zweiten Generation im Exil fühle sie sich einerseits sehr geschmeichelt, als erste tibetische Rapperin diese Form der Aufmerksamkeit zu erhalten, sagt sie selbst. Gleichzeitig erkennt TiBcHiCk darin jedoch auch den Spagat, den sie zu bewerkstelligen hat: Zwischen ihren eigenen Ansprüchen, auf der einen Seite eine gewisse Frische und Originalität in ihrer Musik zum Ausdruck bringen zu wollen, und auf der anderen Seite aber auch ihre Wurzeln angemessen zu repräsentieren, ohne dabei die eigene tibetische Community vor den Kopf zu stoßen:
There had been many negative comments speaking against the type of Tibetan I speak and rap. I want people to look beyond the slang, I want people to understand what I’m actually saying through my rap and not trying to sound smart or feel accepted in our community by changing the way I rap/speak or look. And most importantly people know that – Hip-hop has never played by the rules”.
TiBcHiCk im Interview mit Phayul
Wenngleich sie selbst im Teenageralter mit ihrer Familie von Delhi in die Niederlande umzog und in ihrer neuen Heimat problemlos einen niederländischen Pass erhielt, weiß TiBcHiCk um das innere Gefühl der tibetischen Diaspora, sich nie wirklich angekommen zu fühlen. Themen wie Flucht, Migration, Selbstakzeptanz, Vertrauen und Zuversicht spielen daher auch in TiBcHiCks Songs immer wieder eine große Rolle. Rap stellt nun mal ihr persönliches Sprachrohr dar, um derartige Aspekte anzusprechen und zu verarbeiten. Zurecht wurde ihr Song „fearless (འཇིགས་མེད།)” daher auch im Jahre 2019 bei der neunten Ausgabe der seit 2003 stattfindenden Tibetan Music Awards in der Kategorie „Best Rap/HipHop“ ausgezeichnet. Der Song lässt sich als empowernde Hymne für ihre Community bezeichnen.
Insofern gönnt Euch diesen Song ebenso wie TiBcHiCks neuste Releases „Losar“ und „Struggle“ aus dem Jahre 2020 und lasst ein bisschen Liebe für diese starke Künstlerin da!