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Sha-Rock

Sha-Rock

1.000. Das heutige Portrait markiert einen historischen Meilenstein in der Geschichte von 365 Fe*male MCs: 1.000 (in Worten: eintausend) Rapperinnen wurden auf diesem Blog vorgestellt. HipHop-Legenden neben Newcomerinnen, Oldschool neben Newschool, Mainstream neben Underground. Eintausend Geschichten von Dopeness und Skills – und doch sind wir längst noch nicht fertig. Als wir bei unserer letzten Redaktionssitzung darüber sprachen, welcher Rapperin wir das 1.000. Portrait widmen würden, fiel uns die Wahl denkbar leicht: Dieses besondere Spotlight gebührt der „Mother of the Mic“, Sha-Rock.

Ihren Titel trägt Sharon Green nicht ohne Grund: Sie gilt vielen als erste Rapperin überhaupt, für andere ist sie die erste Female MC „on wax“, also auf einer Vinyl-Platte. Wieder andere bezeichnen sie als ersten weiblichen Rap-Act mit einem seriösen Plattendeal. Während sich die Frage, wer denn nun „die Allererste“ war, nie wirklich zweifelsfrei klären ließ, können wir eins festhalten: Sha-Rock ist eine der prägendsten und wichtigsten Akteur:innen, in den Geburtsjahren unserer Szene und darüber hinaus.

Sha-Rock erblickt in North Carolina das Licht der Welt und entdeckt dort auch die Liebe zur Musik. Als Kind spielt sie Klavier. Sie ist acht Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihren drei Geschwistern nach New York zieht, zunächst in die Bronx, weiter nach Harlem, dann zurück in die South Bronx, den Geburtsort von HipHop. Sie zeigt eine gewisse poetische Neigung, worauf ihre Mom sie zu Poetry Slams anmeldet. Außerdem ist Sharon passionierte Tänzerin und steht so schon früh auf der Bühne. In ihrer Freizeit schleicht sich die junge Frau wahlweise zum Tonbandgerät ihres Stiefvaters oder zum Ghettoblaster ihres Schulfreundes JJ, der später als MC Jazzy Jeff ein Crew-Kollege von Sha-Rock werden soll.

Die South Bronx ist zu dieser Zeit ein Krisenherd. Die Armut ist erdrückend, nicht wenige Familien haben keinen Strom. Umso höher ist die Kriminalitätsrate. Das einzige Get-Away aus dieser deprimierenden und oft auch gefährlichen Umgebung, wie Sha-Rock es später beschreibt, sind die Park Jams. Auf diesen Jams macht die junge Sharon erste Versuche als B-Girl und wird so schnell Teil der Bewegung, die damals noch keinen Namen trägt, bald aber als HipHop die Welt verändern soll. Wie damals üblich, hält es die junge Künstlerin nicht nur in einer Disziplin: 1977 – Sharon ist etwa 15 Jahre alt – erfährt sie von einem Casting für MCs. Erfahrungen als Rapperin kann sie nicht aufweisen, ihren Rap-Part schreibt sie im Bus auf dem Weg zum Gig. Die Jury überzeugt sie dennoch als echtes Naturtalent. Jazzy D, der das Casting leitet, verpasst ihr daraufhin kurzerhand den Namen Sha-Rock und steckt sie gemeinsam mit Jazzy Jeff, Keith Keith, K.K. Rockwell, Raheim und DJ Breakout in eine Band. Es ist die Geburtsstunde der Funky 4 + 1, wobei Sha-Rock als einziger weiblicher Artist als das +1 firmiert. Die Band schreibt Geschichte: Als eine der ersten Crew mit einer Female MC und als erster HipHop-Act, der im Fernsehen auftritt – und das gemeinsam mit Debbie Harry von Blondie, direkt bei Saturday Night Live. Ihre Debütsingle „Rappin and Rocking the House“ wird damit auch weit über die Grenzen der Bronx hinaus ein Hit. Doch innerhalb der Band wird es der MC nicht immer leicht gemacht:

Ich wusste, dass ich mich mehr anstrengen musste […] Es war fast so, als wären sie nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass ein Mädchen wirklich ein MC sein kann.“

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(Sha-Rock über ihre Crewkollegen Keith Keith und K.K. Rockwell, in: „The Story of the Beginning and End of the First Hip Hop Female MC: Luminary Icon Sha-Rock“)

Auch ihren Auftritt bei Saturday Night Life hat Sha-Rock in eher zweifelhafter Erinnerung: Zum Zeitpunkt der Show ist sie schwanger, ihre Crew reagiert auf diese Meldung alles andere als unterstützend. Bis 1983 veröffentlichen die Funky 4 + 1 eine Hand voll Singles, die meisten davon über Sugarhill Records, darunter ihren größten Hit „That’s the joint“. Zu einer LP-Veröffentlichung kommt es genauso wenig wie zum geplanten Tour-Support für Blondie. Nach dem Ende der Funky 4 + 1 schließt sich Sha-Rock mit Lisa Lee und Debbie D zu den US Girls zusammen. Das Trio ist unter anderem im legendären Film Beat Street zu sehen. Große Releases oder gar ein Solo-Album von Sha-Rock bleiben aber aus.

Es bleibt ihre Legacy: Mit ihrem Faible für starke Storyteller-Parts und ihrem Flow inspiriert Sha-Rock eine ganze Generation an MCs. So nennen beispielsweise MC Lyte und DMC die Rapperin als wichtigsten Einfluss. Auch über 40 Jahre nach Beginn ihrer Karriere wird Sha-Rock nicht müde, ihre Story zu erzählen und so ein wichtiges Puzzlestück zu der sonst oft rein männlichen HipHop-Geschichtsschreibung beizusteuern. „Each one teach one“ bedeutet für die einstige Zulu Nation-Anhängerin auch heute mehr als nur eine Phrase. Wie viele Türen Sha-Rock wirklich geöffnet hat, wie viele Artists sie inspiriert hat, lässt sich heute nur mutmaßen. Fakt ist: Diese Frau hat die Geburt von HipHop ebenso mitgestaltet wie die Kurtis Blows, Sugarhill Gangs und Furious Fives aus euren liebsten Rap-Dokus.

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