Happy new year, happy new decade!
2019 war ein aufregendes, ein verrücktes Jahr – und 2020 verspricht, dem in nichts nachzustehen. Das betrifft natürlich auch das sich gerade im Winterschlaf befindende Projekt 365 Female* MCs. Einiges wird anders werden im neuen Jahr – und die größte und mit Abstand wichtigste Änderung tritt bereits zum 1. Januar in Kraft: 365 Female* MCs wird kein reines Mona Lina-Projekt mehr sein.
Ein Jahr lang wurden auf diesem Blog Rapperinnen* aus aller Welt vorgestellt, in kurzen Portraits und einer Spotifyplaylist. Ein für mich sehr erfüllendes, aber vom Arbeitspensum her auch völlig irres Unterfangen. Natürlich soll es weiter gehen, aber nach einem Jahr One-Woman-Show steht die Erkenntnis: Manchmal verderben viele Köch*innen nicht den Brei, sondern machen ein sehr viel schmackhafteres, vielseitigeres Mehr-Gänge-Menü. Hinter 365 Female* MCs steht deshalb ab sofort ein ganzes Team. Ich bin von jeder*m Einzelnen Fan und euch wird es mit Sicherheit bald ganz genauso gehen, wenn ihr sie nach und nach kennen lernt.
Und wie könnte man besser in eine neue Dekade starten als mit einem Blick zurück? 2019 überzeugte nicht nur mit genereller Aufregung und Verrücktheit, sondern vor allem mit einer unfassbar krassen Releasedichte – und die spannendsten Alben stammten meiner Meinung nach von Rapperinnen*. Damit ihr im Januar ausreichend Hörmaterial habt, stellen wir euch für jeden Tag des neuen Monats ein Lieblingsalbum aus 2019 vor, kuratiert von der frischen 365 Female* MCs-Redaktion: Laura Klar (ihr kennt sie bereits von ihren phantastischen Artikeln zu Producerinnen* und Female Support im HipHop), Christina Bakaj, Niklas Wilhelm, Penelope G., Tina Küchenmeister, Tobias Esser und natürlich meiner Wenigkeit. Eine (selbstredend nicht völlständige) Übersicht weiterer Female Rap-Releases findet ihr im unteren Teil des Beitrags.
Wir wünschen euch ein wunderbares, friedliches, empowerndes und inspirierendes Jahr 2020 mit großartiger Musik.
365 Female* MCs: Der Female Rap Jahresrückblick:
01 Lizzo – Cuz I Love You
Lizzos Albumtitel spricht aus, was wohl die meisten über sie denken. Diese unglaublich mitreißende Rapperin, Sängerin und Flötistin strahlt einfach nur Liebe aus – Liebe zu sich selbst und Liebe zu Anderen. “Cuz I Love You” ist ihr musikalisches Manifest dazu. Auf Lizzos dritten Studioalbum haben auch HipHop-Größen wie Missy Elliott (“Tempo”) und Gucci Mane (“Exactly How I Feel”) einen Platz gefunden, Lizzo sitzt aber trotzdem immer in der ersten Reihe. Ihre Songs sind energetisch und bringen jeden Körper zum Tanzen. Ruhephasen sind selten, trotzdem fehlt es dem Album an keinerlei Tiefe. Auf frische Popsongs, straight aus dem Cocktailglas, folgen hymnische Balladen im Abendkleid und Reime, wie aus einem Maschinengewehr geschossen. Lizzos Stimmgewalt bringt Vulkane zum Ausbruch und doch ist ihr Album “nur” eine Predigt, sich selbst zu lieben – unabhängig von Körperform, Hautfarbe oder Geschlecht. Bei “Cuz I Love You” kommt außerdem keine*r an der Deluxe Version vorbei: Der darauf enthaltene Song „Truth Hurts“ sagt alles, was über Lizzo bekannt sein muss: „100% That Bitch“. Ein absolutes Muss für 2019 und alle Jahre, die noch folgen. (Laura Klar)
02 Little Simz – Grey Area
“I said it with my chest and I don’t care who I offend!” Im März 2019 meldete sich Little Simz mit einem gehörigen Knall und dem vielleicht besten Album des Jahres zurück: „Grey Area“ rasiert nicht, es lasert sämtliche Hater, Neider*innen und Zweifler*innen mit Vollkaracho weg. Little Simz, die „Picasso with the pen“, hat mit „Grey Area” ihr vielleicht zugänglichstes Werk geschaffen, ohne dabei an Komplexität einzubüßen. Denn spätestens auf „Venom“ zerflext sie einfach alles, jeden, deinen Vater und vor allem das Patriarchat mit all den Vollidioten, die auch 2019 immer noch der Meinung sind, Frauen könnten/sollten/dürften nicht rappen. Doch auf „Grey Area“ finden nicht nur empowernde Hymnen a la „Boss“, „Offence“ und besagtes „Venom“ Platz: Da geht es um die kritische Auseinandersetzung mit Waffengewalt („Wounds“), den Kampf mit den eigenen inneren Geistern („Therapy“) und natürlich die Reflektion ihrer eigenen Story („101 FM“). Simz‘ Haus-und-Hof-Producer inflo hat auf dem Longplayer wieder einmal ganze Arbeit geleistet: Ein organischer, warmer, jazz- und soulgeprägter Sound ist das Ergebnis, der dennoch genug Abwechslung bereithält, um auch ein Dreivierteljahr nach Release noch Spaß zu machen. Ein Album, das das Zeug zum Klassiker hat! (Lina Burghausen)
03 K4L – Ebow
„Die Leute haben auf eine politische Kanakin gewartet!“ – und god damn, DAS haben wir und erst recht die Raplandschaft in Deutschland! Mit ihrem bereits dritten Studioalbum „K4L“, Kurzform für den powervollen Ausruf „Kanak* 4 Life“, hat Ebru Düzgün aka Ebow im Frühjahr 2019 nicht einfach nur – ganz in der Manier der Vorgänger „Ebow“ (2013) und „Komplexität“ (2017) – eine weitere in sich rundum stimmige und meinungsstarke Platte abgeliefert. Im Gegenteil: „K4L“ ist vom ersten bis zum letzten der insgesamt 14 Songs ein klares gesellschaftskritisches Statement sowie eine Ansage an die hiesige machistische Deutschrap-Szene, aber vor allem – und dafür gilt Ebow jeglicher Dank und Respekt – ist es auch ein musikalisches Shoutout an ihre eigene Crew, ihre Community sowie alle Frauen* und non-binären BPoCs, die viel zu oft in dieser Szene ungehört und unbeachtet bleiben. Musikalisch wie vor allem aber auch inhaltlich liefert Ebow auf „K4L“ die gesamte Bandbreite ihres Könnens ab und scheut sich nicht vor klaren feministischen Ansagen („Schmeck mein Blut“) oder hält gar in Songs wie „Amk“ der weißen Mehrheitsgesellschaft gerne auch mal den „Hört auf mit Eurem Aneignungsbullshit“-Spiegel vor die Nase. Gilt Ebow doch bereits seit einigen Jahren als große Hoffnungsträgerin im Deutschrap, so kann man nur hoffen und sich wünschen, dass mit „K4L“ der Grundstein für einen neuen mutigen, empowernden und Haltung zeigenden Sound in der Rapszene gelegt wurde. (Penelope G.)
(*Der Begriff „Kanak“ ist in diesem Zusammenhang als Reclaiming
und empowernde Selbstbezeichung zu verstehen, sodass wir um eine
reflektierte Gebrauchsweise bitten - mind your privileges and words!)
04 Haiyti – Perroquet
Erst im Dezember durfte ich der jüngsten Tour von Deutschraps selbsternannter Trap-Queen beiwohnen. Während des Konzerts wurde mir erst klar, wie viele Songs, EPs, Alben und Mixtapes Haiyti nur innerhalb der vergangenen paar Jahre eigentlich herausgebracht hat, und vor allem wie viele Hits dabei herausgekommen sind. In der Position, daraus eine Set-List machen zu müssen, möchte ich nicht sein. Mittlerweile hat sich die Hamburgerin eine komplett eigene Welt innerhalb der Deutschrap-Szene gebastelt, die eigenes Vokabular verwendet und sich auch sonst nicht an Genre-Üblichkeiten halten will. Auch „Perroquet“ schließt da konsequent an. Was Haiyti so stark macht ist ihre unkonventionelle und sich stets neu erfindende Art zu flowen. Hinzu kommt die Tatsache, dass sie es mühelos schafft knallharte alles-egal-Bretter wie „Tansania“ an gefühlvolle Balladen wie „Chatboy“ anzuschließen. Diese beiden Qualitäten ziehen sich durch jedes Haiyti-Release, werden jedoch auch auf „Perroquet“ nicht langweilig. (Niklas Wilhelm)
05 alyona alyona – Pushka
„Pushka“ – Bombe. Der Albumtitel zu alyona alyonas Debütwerk könnte nahezu symbolisch für ihr Jahr 2019 gesehen werden. Rap-Sensation, „the next big thing“, Ankor-Preisträgerin – die ukrainische Rapperin war und ist einfach überall. Und das völlig zurecht: „Pushka“ bringt genau die richtige Mischung aus Boasting und Nachdenklichkeit mit, thematisiert die Rolle der Frau in einer patriarchalen Gesellschaft ebenso wie den Kontrast zwischen Dorfleben und dem Ruf der Hauptstadt, dem sich nicht nur die junge ukrainische Bevölkerung ausgesetzt sieht. Dazu schafft alyona alyona den Spagat zwischen eigenem, stark charakteristischen Musikstil und zeitgenössischem Sound, schreckt nicht vor der (Klang-)sprache ihrer Heimat zurück und steht in Sachen Rapskills quasi außer Konkurrenz. Diese Frau ist jeden Hype wert! (Lina Burghausen)
06 Presslufthanna – Eingangsbereich
Mit „Eingangsbereich“ präsentiert die Kieler Rapperin Presslufthanna mit ihrer Debüt EP 2019 auf acht Tracks eine Hommage an gelebten HipHop. Auf klassischen BoomBap-Beats, produziert von plusma aus Hamburg und Oskar Hahn aus Göttingen, zeichnet sie die Diskrepanz zwischen HipHop-Kultur im Underground und dem HipHop-Business im Mainstream auf. Mit scharfsinnigen Punchlines und ihrem gewohnt hungrigem und von Nachdruck geprägtem Flow bleibt sie nicht nur ihrem Image als Realkeeperin treu, sondern vor allem ihrem Namen. Auf dieser EP beweist sie sowohl in düsteren Tracks wie „Vergilbtes Foto“ und „Suchtverhalten“, als auch auf melancholisch-aggressiven Beats wie in „Eingangsbereich“ oder „Priorität“ und auf jazzigen Kopfnicker Beats („Witzfiguren“), dass HipHop mehr als nur ein Musikgenre ist. Mit fein ausgewählten Samples und taktisch gut gesetzten Cuts von DJ Jonas Gold, Pola und Sotah wird die Message jedes einzelnen Tracks unterfüttert und echte Liebe zur HipHop-Kultur und ihrer Geschichte deutlich. (Christina Bakaj)
07 Sampa the Great- The Return
Sampa Tembo aka Sampa the Great veröffentlichte ihre Debüt-LP „The Return“ 2019 und schenkte uns damit ein full-length Album, dass uns sowohl auf eine musikalische Reise durch Soul, R&B, Funk, Blues, Gospel und Rap nimmt, als auch auf eine spirituelle Reise durch ihr junges aber erfahrungsreiches Leben. Geboren in Zambia und aufgewachsen in Botswana ging Sampa the Great für ihr Studium in die USA und lebt nun in Melbourne – eine Reise, die sich auch in ihrer Musik zu erkennen gibt. Erfahrungen, Selbsterkenntnisse und Konflikte die sie in sich trägt und die geformt wurden durch Fragen nach dem „Woher komme ich?“ und „Wohin gehe ich?“, spiegelt sie in ihren Tracks („OMG“, „Leading Us Home“) auf eine Art und Weise wider, die von einem immensen Pool an musikalischem Verständnis, Talent und Nähe zum eigenen Selbst und zur eigenen Geschichte zeugen. Mit „Freedom“, „Final Form“ und „The Return“ zelebriert Sampa The Great ihre kulturelle, spirituelle und musikalische Herkunft und setzt damit bewegende Statements auf ihrem Album, die es zu einem musikalischen, transzendenten Werk werden lassen, das keinesfalls in unserem Jahresrückblick 2019 fehlen darf. (Christina Bakaj)
08 Megan Thee Stallion – Fever
„Fever“ ist ein wahres Manifest für technisch-versierten Rap, der ja, wie man es leider heutzutage viel zu oft lesen muss, angeblich komplett von der von Lean durchtränkten Gleichgültigkeit der Generation SoundCloud ermordet worden sei. Megan Thee Stallion nagelt hier dagegen Brett an Brett und bringt Nacken wie Hüften gleichermaßen zum Bersten. Durchweg ordnet sie sich in eine Tradition des Südstaaten-Raps ein, dem spätestens mit dem Juicy J-Feature auf „Simon Says“ ein Denkmal gesetzt wird. Sicherlich ist „Fever“ mit dafür verantwortlich, dass die legendäre HipHop-Stadt Houston 2019 ein starkes Comeback auf der Rap-Landkarte der Vereinigten Staaten feierte. Ein anerkennendes Kopfnicken geht an dieser Stelle in Richtung des ebenfalls aus Houston stammenden Maxo Kream, auf dessen Platte Megan ebenfalls ein Jahres-Highlight hinterlässt. Und ganz nebenbei ruft sie dann kurz nach „Fever“ gemeinsam mit Nicki Minaj und Ty Dolla Sign den „Hot Girl Summer“ aus und landet damit mal eben die Sommer-Hymne 2019. (Niklas Wilhelm)
09 Ill Camille & Damani Nkosi – Harriett
Das Konzert von Ill Camille in Halle (Saale) war mein Überraschungskonzert des Jahres. Ich hatte mir zur Vorbereitung ihr „NPR Music Tiny Desk Concert“ bei YouTube angeguckt und war nach den 15 Minuten schon ganz hin und weg. Bei dem Konzert in Halle gab es keine Bühne, sondern Camille stand einfach in der Menge und rappte. Immer wieder fiel die Technik aus, doch sie machte einfach weiter, rappte Acapella, freestylte und freute sich, wenn jemand aus dem Publikum mitsingen konnte. Die Rapperin aus LA hat ihren ganz eigenen Style gefunden und bewegt sich mit ihren durchdachten und zum Teil sehr poetischen Texten irgendwo zwischen Underground und Mainstream. Sie hat bereits mit Größen wie Kendrick Lamar und Snoop Dogg zusammengearbeitet und für ihre neues Album mit dem sehr talentierten Rapper Damani Nkosi kollaboriert. Zusammen nennen sie sich „Harriett“ und haben auch gleich ihr Album danach benannt. Es ist im Oktober erschienen und bietet mit seinen klugen Texten und entspannten Beats eine wortgewandte Alternative zum häufig doch sehr trappigen HipHop dieser Tage.
10 Antifuchs – Love, Weed & Mittelfinger
Mittelfinger hoch, hier kommt Antifuchs. In der ersten Jahreshälfte war die Hamburgerin mit der Metalcoreband Callejon auf Tour und zeigte dort, dass es sich auch zu HipHop vorzüglich moshen lässt. Am 29.11.19 erschien das neue Album der Rapperin mit der Fuchsmaske – und dessen Titel „Love, Weed & Mittelfinger“ ist Programm: Mit dem Mittelfinger für Faschos, Hater und einen Großteil der Szene sowie mit einem dicken Joint in der Hand flowt Antifuchs über die Beats und zeigt, dass sie zu den besten deutschsprachigen MCs gehört. Dabei verpackt sie die drei zentralen Themen – Liebe, Gras und Mittelfinger – überraschend vielseitig. Neben basslastigen Clubbangern („Pizdez“ mit Nullzweizwei), zu denen auch auf Antifuchs‘ Clubtour die Ellenbogen durch die Clubs flogen, schlägt die Hamburgerin auf Songs wie „Still“ oder „IWNWIW“ ruhigere Töne an, mit denen sie eine scheiternde Beziehung oder den bisherigen Verlauf ihrer Karriere reflektiert. Ohne diese Songs liefe das Album Gefahr, schnell zu einem langweiligen Einheitsbrei zu verkommen – mit ihnen besitzt es die klangliche Vielseitigkeit, die man von einem Spitzen-MC im Jahr 2019 erwarten kann. Dass Antifuchs in dieser Liga spielt, zeigt sie mit „Love, Weed & Mittelfinger“ eindrucksvoll. (Tobias Eßer)
11 Lady Lykez – Muhammad Ali EP
Ihr sucht eine Künstlerin, mit deren Songs ihr jede noch so eingeschlafene Dancehallparty zum Kochen bringen könnt? Oder wollt ihr eher eine Rapperin hören, die scheinbar mühelos Doubletimes auf harte Beats spittet? Mit beiden Wünschen seid ihr bei Lady Lykez aus London genau richtig. Während die Britin mit jamaikanischen Wurzeln auf ihrem letzten Release „Sting“ noch ganz soliden Grime ablieferte, kommt ihre neue „Muhammad Ali EP“ als wilder Genremix zwischen High-Energy Dancehall, Grime, HipHop und UK Gqom daher, der überraschenderweise ziemlich gut funktioniert. Das liegt vor allem an den technischen Skills und der lyrischen Tiefe von Lady Lykez. Während sie auf dem vergleichsweise ruhigen Track „Lyke U“ über eine unerfüllte Liebe singt, flext sie auf den anderen drei Tracks der kurzen EP ohne Gnade über die Beats und beerdigt dabei ihre fiktiven Gegner*innen mit scharf geschossenen Punchlines. Die EP macht definitiv Lust auf weitere Releases von Lady Lykez und hilft der Künstlerin hoffentlich dabei, ihren Traum zu erreichen, den sie dem deutschen Skug-Magazin verraten hat: „Boy, in zehn Jahren – Superstar. Megastar. Drei Häuser, Immobilien in verschiedenen Ländern … yeah man, Millionärin.“ (Tobias Eßer)
12 Linda Pira – Legendarisk
Auch wenn uns die Schwedische Musikszene in den vergangen Jahren vor allem mit feinsten popmusikalischen Klängen von Musiker*innen wie u.a. Lykke Li, Robyn oder Zara Larsson beglückt hat, sollte allen klar sein, dass es darüber hinaus noch unzählige weitere Künstler*innen zu entdecken gibt – allen voran in der Schwedischen Rapszene, sodass schnell klar war, dass diese Künstlerin bzw. Platte in unserer Liste nicht unerwähnt bleiben darf: Linda Pira gehört seit ihrem großen Durchbruch mit ihrer EP „Matriarken“ im Jahre 2013 zu den ganz großen Stimmen und Gesichtern im schwedischen Rapgame – und das, obwohl es in den vergangenen Jahren eher still um die gebürtige Schwedin mit kolumbianischen Wurzeln geworden ist. Umso größer nun also die Freude über das schon viel zu lang herbeigesehnte Debütalbum „Legendarisk“ („legendär“), auf welchem Pira einmal mehr ihre künstlerische, aber vor allem musikalische Vielfalt unter Beweis stellt und insgesamt neun Tracks voller geballter Frauenpower und Attitüde abliefert: „Lege-lege-legendarisk“ – Linda Pira at her best! Und auch wenn Pira direkt im Opener „Bon Voyage“ eine deutliche Ansage an all ihre Kritiker*innen raushaut – ”Behöver bara en låt om året/Det räcker för att hålla mig relevant” („Brauche nur ein Lied pro Jahr / es ist genug um relevant zu bleiben“) -, können wir nur hoffen, dass bis zum nächsten Release von Pira, nicht wieder so viel Zeit vergeht. Doch bis es soweit ist, vergnügen wir uns noch sehr gerne mit Bangern wie „Gang, Gang“ oder „Limbo“ von „Legendarisk“ – Gönnung! (Penelope G.)
13 shinyujinssi & Untell – Do you still wanna lie?
Wie rezensiert man ein Album, bei dem man bestenfalls ein paar englische Wortfetzen versteht? Als ich während meiner Recherche für 365 Female MCs zufällig auf die südkoreanische Rapperin shinyujinssi stieß, war ich instant Fan. Kein Wunder, zeigte die Rapperin und Sängerin in Tracks wie „monochrome“ doch messerscharfe Rapskills auf sperrig-düstere, fast fragmentartige Beats, die schneller die Farbe ändern als dein Stimmungsring in der Mittelstufe. Für ihren letzten Streich, die EP „Do you still wanna lie?“, hat sich die Künstlerin, die auch unter dem Namen Jan. aktiv ist, nun mit Newcomer-Rapper Untell zusammengetan. Entstanden sind sechs Anspielstationen, in denen beide MCs sich ebenbürtig die Booth teilen und flexen, was das Zeug hält. Beginnt die EP zunächst melancholisch-düster mit einem klaren Fokus auf straighten Rap, öffnen sich die beiden Closer-Tracks „Approval“ und „Do you still wanna lie?“ in Richtung Pop und Elektro. Klassische Genregrenzen gibt es im ostasiatischen Rap eh nur selten. Davon könnten sich die deutschen Kolleg*innen gern mal eine Scheibe abschneiden – und „Do you still wanna lie?“ kann da gern zum Maßstab genommen werden. (Lina Burghausen)
14 IAMDDB – Swervvvvv.5
Wer auf HipHop zwischen den Sphären von Soul und Jazz steht, kommt an IAMDDB nicht mehr vorbei. Auf ihrem neuen Album “Swervvvvv.5” packte IAMDDB einen Koffer und nahm darin Soul, Jazz, Trap, Chill-Hop und das Undefinierbare mit. Oder vielleicht ist es auch einfach der Urban Jazz, als den sie ihre Musik selbst beschreibt. Diana de Brito fabriziert unfassbar schöne Klänge, am liebsten würde ich ihre Stimme zu einem Pullover spinnen und mich den ganzen Tag an ihn schmiegen. Der Song „Give Me Something“ mit verspieltem Beat ist dafür ein perfektes Beispiel. Während deeper und bassiger Trap-Flex auf den Songs „Sweg“ und „Asss$“ wieder beweist, that she’s still keeping it G, lädt sie mit “I’m Home” zu tropischen Dancehall-Klängen zum Engtanz mit sich selbst ein. IAMDDB live auf dem Spektrum Festival in Hamburg zu sehen war ein großes Highlight für mich, die junge Britin wickelt ihr Publikum charmant um all ihre Finger und performt jeden Song mit ganzer Existenz und Eleganz. “Swervvvvv.5” (mit fünf Vs!) ist DAS Album, um nach den stressigen Feiertagen wieder runterzukommen und 2019 ganz entspannt ausklingen zu lassen. (Laura Klar)
15 Rico Nasty & Kenny Beats – Anger Management
Ein Rico Nasty-Album kann einen gerne mal sprachlos zurücklassen. In gerade mal 19 Minuten rappt, schreit, singt und kreischt sie sich durch die acht Songs des Tapes. Der Titel „Anger Management“ gibt dabei natürlich die Stimmung vor: Song-Intros und Skits verwandeln passenderweise auch das klangliche Umfeld in eine Therapie-Sitzung. Und wenn man sich dabei ihre Geschichte anschaut, die mit einer Schwangerschaft im letzten Highschool-Jahr und dem plötzlichen Tod des Kindesvaters noch vor der Geburt des gemeinsamen Sohnes gezeichnet ist, kommt man zweifelsfrei bei der wohl ausdrucksstärksten aller Emotionen heraus. Und so beginnt „Anger Management“ auch: Vor allem laut und schnell. Mit ihren stimmlichen Extremitäten stößt Rico so manche Rap-Fans durchaus vor den Kopf. Man könnte meinen, sie eher in Punk- oder Hardcore-Schubladen einordnen zu wollen, wären da nicht die Beats unter ihrer Stimme und vor allem die messerscharfe Delivery, in der einfach jede Silbe sitzt. Mit der Halbzeit, verkörpert im Skit „Nasty World“, kippt die Stimmung dann ins Positive. „Again“, das Finale der Platte, wirkt dabei wie die verdiente (erste) Ehrenrunde nach einem sehr erfolgreichen Jahr für Rico Nasty. (Niklas Wilhelm)
16 KeKe – Donna
KeKe bringt der deutschen Rap-Szene eine dringend notwendige und extrem mutige Persönlichkeit. Jegliche kleine Hypes und auch die Platzierung auf zwei der größten Deutschrap-Releases des Jahres sind absolut verdient. „Donna“ liefert nun das klassische Debüt, welches einmal die komplette Skill-Palette KeKes aufzeigt – und die kann sich mehr als sehen lassen. Auf jegliche Tabus gibt die Wienerin genauso wenig, wie auf irgendwelche Erwartungen oder Ideale, ganz gleich, ob es dabei um einen offenen Umgang mit Angststörungen und Depressionen oder um Körper-Images geht. Auch mit dem leider immer noch allzu häufig erzählten Narrativ des polygamen Mannes, der gleichzeitig die völlige Verhüllung „seiner“ Frau fordert, bricht KeKe in dem sehr gut geschriebenen „Egal“. Hinzu kommt ihre krasse Energie, bei der es gerade im “Intro”, endlich mal wieder Spaß macht, stumpfer Angeberei zu lauschen. Das gab es für mich lange nicht mehr auf Deutsch. Highlight der EP ist neben dem Sommerhit „Malibu“ sicherlich der düstere Gegenpol „Wolfau“, der im besten Sinne an Trettmanns „Geh ran“ ansetzt. (Niklas Wilhelm)
17 Kate Tempest – The Book of Traps & Lessons
HipHop? Rap? Spoken Words? Poetry? Kate Tempest schafft es all diese Genres irgendwie zu verbinden und hat mit „The Book of Traps & Lessons“ ihr bisher intimstes Album veröffentlicht. Niemand legt den Finger so brutal in gesellschaftliche aber auch persönliche Wunden wie sie. Wie auch schon in den vorherigen Werken besticht sie die Hörer*innen durch eine Ehrlichkeit, die schon fast wehtut. Mit ihren messerscharfen Worten nimmt sie alles auseinander, seziert bis in die kleinste Faser, um dann das Ganze wieder neu zusammenzubauen und für mehr Zusammenhalt und Liebe zu plädieren. Produziert hat das Album der 34-jährigen Sprachkünstlerin kein geringerer als Rick Rubin. Er gilt als einer der einflussreichsten Produzenten der Gegenwart und arbeitete mit Leuten wie Public Enemy, Johnny Cash, Kanye West oder Lady Gaga. Zusammen mit ihm und ihrem musikalischen Partner Dan Carey hat sie ein Werk erschaffen, das das gesprochene Wort bedingungslos in den Vordergrund stellt und eher von einem sphärischen Klangteppich umspielt wird als das es Rap auf einem Beat ist. Der Musikexpress beschreibt das Album als „kammermusikalische Erzählung“ und das trifft es ganz gut. Doch egal was es nun ist: Poetry, Spoken Words oder Rap: Wer einen Zugang zu Kate Tempest finden will, sollte sich auf jeden Fall Zeit nehmen, denn das Album ist keinesfalls ein Zwischendurch-Snack sondern eine ganze Mahlzeit. (Tina Küchenmeister)
18 Babsi Tollwut – HipHop ist am Arsch
Nicht viele Rapper*innen können ein Debütalbum vorweisen, das zum einen musikalisch auf ganzer Linie überzeugt, und zum anderen auch noch eine wichtige Message verbreitet. Die Wahlberlinerin Babsi Tollwut ist eine von ihnen, denn ihr Erstlingswerk „HipHop ist am Arsch“ kommt als kompromissloses, queerfeministisches Album daher. Während Babsi Tollwut auf Songs wie „Rio“ oder „Fischfänger“ mit sexistischen Vorurteilen aufräumt und die Diskrepanz zwischen Kindheitsträumen von einer besseren Welt und der Realität aufzeigt, öffnet sie den Hörer*innen in den nachdenklichen Momenten ein Tor zu ihrer, von der Leistungsgesellschaft geplagten, Psyche („Blasenprobleme“). Der Spagat zwischen aggressiv vorgetragener Kritik und nachdenklichen Songs sorgt auf „HipHop ist am Arsch“ für eine hohe Themendichte, die ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Rapszene ist. Auch musikalisch kann das Erstlingswerk überzeugen. Technisch muss sich Babsi Tollwut nicht hinter Genrekolleginnen wie Sookee verstecken. Ihre Beats reichen von samplelastigem Boombap bis hin zu trappigem 808-Sound und setzen die Lyrics passend in Szene. In Zeiten, in denen die kommerziell erfolgreichste Deutschrapgruppe über Vergewaltigungen rappt und auf ihren Social Media-Kanälen die Opfer von häuslicher Gewalt verhöhnen kann, ohne dass ein nachhaltiges Umdenken in der Szene erfolgt, braucht es profeministische Positionen mehr denn je – und Babsi Tollwut bezieht sie auf einem der besten Deutschrap-Debütalben der letzten Jahre konsequent. (Tobias Eßer)
19 Blimes – Castles
Keine spielt Tetris mit Reimen wie Blimes Brixton es tut. Auf ihrem Album „Castles“ öffnet die Rapperin und Sängerin ihre Genre-Schatzkiste und bringt Rapskills damit auf ein neues Level. Ihr unverwechselbarer Style und Flow zieht sich durch das ganze Album, jede Line ist bis ins Detail ausgefeilt und auf den Punkt gebracht. Auch ein Feature mit Method Man (“Hot Damn”) schüttelt Blimes da mal eben aus dem Ärmel. Auf „Castles“ lädt Blimes Hüften zum Schwingen ein, wie im Disco-Funk Song „Involved“. Insgesamt betrachtet zeugt die Stimmung des Albums jedoch mehr von Sehnsucht und Melancholie, ohne auf Kitsch und altbekannte Bilder zurückzugreifen. Mit Samples aus scheinbar echten Telefon- bzw. Sprachnachrichten, zu mehreren Skits arrangiert, gewährt Blimes einen Einblick in ihr Leben. Generell gibt die Rapperin nicht nur der Selbstreflexion, sondern auch komplexem Storytelling viel Platz auf dem Album. „Woke Up In Paris“ mit der großartigen Reverie ist mein persönlicher Hit des Albums, hier hält Blimes ihr Gespür für pointierte und melodische Raps nicht zurück. “Castles” ist absolut empfehlenswert für die Reise in öffentlichen Verkehrsmitteln, um sehnsüchtig in die Ferne zu schauen. (Laura Klar)
20 Hunney Pimp – Chicago Baby
Hunney Pimp in diesem Jahr als Promoterin begleiten zu dürfen, war ein riesiges Geschenk. Deshalb ist dies auch keine neutral-journalistische Rezension. Dennoch darf „Chicago Baby“ in dieser Reihe einfach nicht fehlen, weil das Album etwas ist, wovon viele Rap-Akteur*innen zwar sprechen, was jedoch nur die wenigsten erreichen: Innovativ. Das Konzeptalbum ist eine in sperrig-sympathischer Mundart erzählte „Bonnie & Clyde“-Ganoven-Liebesgeschichte. Melonoid und Hunney Pimp mischen auf dem Longplayer Cloudrap mit Jazzgesang, nehmen dabei noch eine ordentliche Portion Chanson mit und gießen das in ein so homogenes und dennoch abwechslungsreiches Soundbild, das man nicht mehr von einem Album, sondern von einem Gesamtkunstwerk sprechen möchte. Hunney Pimp zeigt 2019, was Rap sein kann, wenn man die gesetzten Grenzen des manchmal so klischeebeladenen Genres hinter sich lässt. In Deutschland mögen sich viele an dem zunächst schwer verständlichen Slang stoßen. Hört man sich rein, legt man das Album jedoch nicht so bald wieder vom Plattenteller. (Lina Burghausen)
21 Yung Baby Tate – Girls
„Girls“ ploppt irgendwo an der Trennlinie zwischen Rap und R&B auf. Yung Baby Tate weiß dabei nicht nur in Gesangs- wie in Rap-Parts gleichermaßen zu überzeugen, sondern hat die ganze Platte auch noch selbst produziert. Das Album klingt dabei sehr synthetisch und innovativ. Die Newcomerin weiß, wie viele Producer-Rapper*innen, ziemlich gut ihre Stimme in die Beats hinein zu weben (“Pretty Girl”, “Wild Girl”), anstatt diese nur auf dem Instrumental obendrauf zu platzieren. Konzeptionell versucht „Girls“ verschiedene Identitäten junger Frauen, beziehungsweise der Künstlerin selbst, auszuloten. So liest sich die Tracklist als eine Aneinanderreihung von weiblichen Klischees, wie „Bad Girl“ oder „Flower Girl“. Diese vermeintlich totalitären Stigmata werden nun zunächst in den einzelnen Songs zwar bestätigt, allerdings nur um dann durch die in der Gesamtheit des Albums entstehende Diversität an gegensätzlichen Zuschreibungen wieder zerschlagen zu werden. (Niklas Wilhelm)
22 Missy Elliot – Iconology
Missy Elliott gilt als Grand Dame des HipHop und hat eine ganze Generation geprägt wie keine Zweite. Als 2005 ihr Album „Under Construction“ rauskam, war ich 14 und fasziniert von ihren Tanzskills und ihrer lässigen Art, denn irgendwie umgab sie eine ganz besondere Coolness. Missy musste sich nicht freizügig zeigen oder einen auf freches Mädchen machen. Der Beat verriet jedem: Sie ist eh schon Boss! Nachdem sie in den letzten Jahren viel hinter den Kulissen als Produzentin gearbeitet hatte, meldete sie sich 2019 mit ihrer EP „Iconology“ zurück. Auf der finden sich vier Songs und eine Acapella-Version. Und auch wenn mich die neuen Songs leider nicht komplett vom Hocker gehauen haben, so hat Missy definitiv mal wieder solide abgeliefert. Die Beats sind wie immer fett produziert und auch textlich hat sie noch einiges zu sagen. Richtige Hits sind auf der EP leider nicht zu finden, aber meiner Meinung nach muss Missy Elliott niemandem mehr etwas beweisen. Immerhin wurde der fast Fünfzig(!)-Jährigen in diesem Jahr vom Berklee College of Music die Ehrendoktorwürde verliehen. Michelle Obama höchstpersönlich dankte ihr in einer Videobotschaft für den Einfluss, den Missy vor allem auf PoC-Girls hatte.
23 Plaeikke – Mess With Ma Weakness
Das noch junge Höhlenkollektiv aus Leipzig überraschte 2018 mit verschiedenen starken Releases. Am meisten sticht dabei die Rapperin Plaeikke heraus, die im März ihr erstes Album „Mess With Ma Weakness“ herausbrachte. Und damn, ist das stark. Plaeikke malt mit ihren Zeilen und den Beats Soundbilder, die zwar teils sehr düster und fast nihilistisch rüberkommen (wie das bockstarke „Natriumchlorid“ mit Sayes), aber manchmal auch empowernd und kämpferisch klingen („Wiederkäuer auf Speed“). Das Album fordert den Hörenden einiges an Aufmerksamkeit ab, denn Plaeikke rappt nicht nur linke Plattitüden, sondern leitet ihre Ansichten aus ihrer Lebensrealität ab. Ihr Flow ist in manchen Textpassagen vielleicht noch nicht ganz ausgereift, was bei der lyrischen Qualität allerdings nicht nennenswert ins Gewicht fällt – immerhin ist „Mess With Ma Weakness“ das Erstlingswerk der Leipzigerin. Das Album als Gesamtwerk ist kompliziert und nur schwer zugänglich. Lässt man sich aber auf den Sound ein und ist bereit, zwischen den Zeilen zu hören, so belohnt es eine*n mit immer neuen lyrischen Details – und wird so zum Dauerbrenner, zu dem man immer wieder zurückkehrt. (Tobias Eßer)
24 Doja Cat – Hot Pink
Doja Cat – eine Künstlerin, die vor allem dafür bekannt ist, in der Regel “out of the box“ zu agieren und die Dinge immer ein wenig anders anzugehen, Kritik hin oder her – und genau in dieser Manier inszeniert sich Amala Dlamini, so der gebürtige Name der aus L.A. stammenden Rapperin und Sängerin, auch auf ihrem zweiten Studioalbum „Hot Pink“!
Mit „Hot Pink“ gewährt Doja Cat ohne Zweifel wieder einen tiefen Einblick in ihr vielschichtiges musikalischen Potpourri sowie Können: neben ihren eingängigen Gesangs- und Rap-Parts („Addiction“, „Bottom Bitch“ inkl. kleinem Riff-Sample des Blink-182 Klassikers „What’s My Age Again?“ aus den 1990ern), sind es vor allem die vielen musikalischen Sounds sowie Styles aus Pop („Cyber Sex“), Funk („Say so“) und R&B („Streets“), die die Platte zu einem bunten, aber in sich absolut stimmigen Werk machen. Mal ganz abgesehen von den schlagfertigen Lyrics in Songs wie „Rules“ („Said play with my pussy / But don’t play with my emotions (emotions) / If you spend some money / Then maybe I just might fuck ya (fuck ya)“), die einmal mehr verdeutlichen, wer Doja Cat ist: nämlich eine selbstbestimmte, sex-positive und empowernde Künstlerin, die sich nicht zu schade ist, das auch deutlich in ihrem musikalischen Schaffen zum Ausdruck zu bringen – und schon alleine dafür gibt es ein großes Shoutout unsererseits! (Penelope G.)
25 Gifted Gab – Cause & Effect
Passend zum inoffiziellen Cannabis-Feiertag “fourtwenty” veröffentlichte Gifted Gab am 20. April 2019 ihr neustes Album „Cause & Effect“. Dass dieser Tag eine wesentliche Rolle in ihrem Leben einnimmt, spiegelt sich auch in der Thematik ihrer Tracks wider und macht das Album zu einem perfekten Begleiter in gechillten und wohltuenden Momenten. Wer sich nicht entscheiden kann zwischen Rap, Neo-Soul oder R&B-Klängen erhält mit „Cause & Effect“ eine musikalische Synthese dieser Soundkulissen. Die ersten fünf Tracks legen das Repertoire von Gifted Gabs versierten und lyrisch geschickten Rapskills offen. Die Rapperin aus Seattle führt mit Tracks wie „Psa“ und „Gotta Do“ den traditionellen G-Funk – geboren an der Westküste der USA – auf einem Level voran, den so manchen und manche an Kendrick Lamar erinnern wird. In den weiteren fünf Tracks bietet Gifted Gab neben ihren Rapskills ihr Gesangstalent dar, das uns zusammen mit soften Gitarren und Saxophon-Klängen – wie in „Conflicted“ und „That Way“ – in einen 90ies-R&B-Vibe einlädt, über dessen Wiedererwachen ich mich auch hierzulande freuen würde. Diese Frau tat sich selbst und ihren Skills kein Unrecht als sie sich für den Kunstnamen Gifted Gab entschied, denn neben ihrem beeindruckenden (Sprech-)Gesangstalent fertigte sie auch ihr Albumcover selbst an und veranschaulicht erneut ihr künstlerisches Talent auf mehreren Ebenen. (Christina Bakaj)
26 Yugen Blakrok – Anima Mysterium
Zu den Lieblingen des Feuilletons im Jahr 2019 zählt Yugen Blakrok – und das mit allem Recht. Nicht erst seit ihrem Beitrag zum „Black Panther“-OST bringt sie wie niemand sonst Südafrika auf die HipHop-Map. Ihrem letzten Werk „Anima Mysterium“ wohnt etwas Magisches inne: Hypnotisierend und fast mantrisch legt die Rapperin aus Johannesburg ihre komplexen Lyrics auf einnehmende, afro-futuristische Instrumentals. Diese wurden von Stammproducer Kanif the Jhatmaster gezimmert und erzählen Yugens surrealistisch anmutenden Geschichten perfekt weiter. Die düster-verspulten, melodischen Musikteppiche werden durch klassische Cuts gebrochen, die eine*n manches mal wie aus einer Art Trance rausholen, ausgelöst von der erzählenden, sanften Stimme der Rapperin. „Anima Mysterium“ kann man nicht genug hören – auch fast ein Jahr nach dem Release des Albums habe ich noch lang nicht alles an diesem Album erfasst. Dafür ist der nur zwölf Songs lange Longplayer eine wahrhaft ganzheitliche Erfahrung, die die geneigten Hörer*innen einnimmt und nicht mehr loslässt. (Lina Burghausen)
27 Yael – Story of a Stranger
Die große Stärke von Yaels Solo-Debüt ist es, den für einen Erstling klassischen Facettenreichtum in eine klare Linie zu gießen. Der Spagat von Afro-Trap-Beats hin zu Boombap mag sehr groß erscheinen, auf „Story of a Stranger“ gelingt er mühelos. Über die gesamte Spielzeit zeigt sich die Protagonistin extrem emotional und verletzlich. Auf der ersten Hälfte der Platte geschieht dies vermehrt hinter einer Schutzmauer aus Autotune, die dann immer weiter eingerissen wird. Natürlich finden sich auf „Story of a Stranger“ auch waschechte Banger. „Iruntings“ ist so einer, auf dem dann auch gleich mal die eigene Hoheit proklamiert wird. Das erscheint vielleicht mutig für ein Debüt, Yael lässt allerdings Taten folgen. Ob gesungen, gerappt, geschrien oder geflüstert, das Fifty-Fifty-Mitglied überzeugt. Und, dass sie keinen König für ihr Reich braucht, sollte eh klar sein. (Niklas Wilhelm)
28 TrueMendous – P.S. This Is Your Aunty Calling
Hier kommt eine der ganz großen Lyricists, die selbst in ihrer Heimat England noch komplett unter dem Radar fliegt. TrueMendous aus Birmingham liefert mit “P.S. This Is Your Aunty Calling” ihr sechstes Release seit 2013 ab – komplett und exklusiv produziert von der ebenfalls aus England stammenden Produzentin K-Minor. Auf (leider nur) fünf Tracks zeigen die Beiden, dass sie in ihrer Art Musik zu machen nahezu perfekt harmonieren. Während “Missterialistic” als nachdenklicher Storyteller-Track mit Lo-Fi-Untermalung daherkommt, erreicht die Harmonie zwischen Rapperin und Produzentin auf dem letzten Track “You Don’t Know” ihren Höhepunkt. Insgesamt bleibt “P.S. This Is Your Aunty Calling” zwar hinter dem noch stärkeren “P.S. This Is Your Mother Calling” aus dem Jahr 2017 zurück, allerdings kann TrueMendous auch auf ihrer aktuellen EP ihre lyrische Meisterklasse zeigen. TrueMendous ist eine der Künstlerinnen, die ihr auf jeden Fall im Auge bzw. im Ohr behalten solltet, wenn ihr auf deepe Lyrics und bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Flows steht – ihr Level erreicht kaum ein Artist. (Tobias Eßer)
29 Cell7 – Is Anybody Listening?
Mit Cell7 habe ich eine Künstlerin entdeckt, die mich wohl noch mein ganzes Leben begleiten wird. Kaum zu fassen, dass ich sie erst 2019 kennengelernt habe, dabei ist Ragna Kjartansdóttir alles andere als eine Newcomerin. Schon 1998 war sie Teil der ersten isländischen HipHop-Crew Subterranean (das Album “Central Magnetizm” ist für Boombap-Oldschooler absolut empfehlenswert). Auf dem im März erschienen Album “Is Anybody Listening?” der isländischen Rapperin, Sängerin und Sound-Ingenieurin, legen sich rasante Rapflows in die Betten von verspielten und professionellen Beats. Mit „City Lights“ gibt’s rasante Raps, bei denen sich die Wörter fast überschlagen und doch bleibt Ragna immer on point. Aber auch ihre Liebe zu Nu-Disco und Funk ist auf dem Album deutlich zu hören, die Songs „Peachy“ und „All Night“ erhöhen das Bedürfnis nach durchtanzten Clubnächten, mit einem fancy Getränk in der Hand, immens. Mit dem letzten Song „Powermoves“ entlässt das Album einen mit der nötigen Kraft für das kommende Jahr. Diese Power kommt auch nicht von ungefähr: In “Is Anybody Listening?” werden jahrzehntelange Erfahrung und perfektionierte Skills von Kjartansdóttir zu einem intensiven Konzentrat gepresst, schon eine minimale Dosis bringt maximale Energie. (Laura Klar)
30 Loredana – King Lori
Ob es wohl noch irgendeine Person gibt, der Rapperin Loredana bzw. einer ihrer zahlreichen Hits der letzten eineinhalb Jahre kein Begriff ist? Es ist stark zu bezweifeln! Seit ihrem rasanten Durchbruch mit ihrer Hitsingle „Sonnenbrille“ im Sommer 2018 hat sich die in der Schweiz lebende Rapperin einen regelrechten Superstar-Status in der Szene erarbeitet – eine Erfolgsgeschichte, welche schließlich Anfang November mit der Auszeichnung des MTV Music Awards als „Best Swiss Act“ gekrönt wurde. Und auch wenn Loredanas musikalisch besungener wie im real life gelebter Hedonismus nicht jeden Geschmack trifft – geht es in ihren Songs auf ihrem Debütalbum „King Lori“ wie auch auf ihrem hochfrequentierten Instagram-Account doch meistens um Statussymbole wie Geld, Autos, teuren Schmuck und Co. – inszeniert sich „Million Dollar Smile“ Loredana auf den insgesamt zwölf Tracks ihrer ersten Platte gekonnt in all ihren Facetten: als liebende Mutter („Hana“) und (Ehe-)Partnerin, aber vor allem eben als starke Frau sowie selbstbestimmte Künstlerin („Kein Plan“ feat. Mero) – King Lori eben, und daher auch Teil unseres Jahresrückblicks! (Penelope G.)
31 Rapsody – Eve
Mit „Eve“ hat Rapsody im August ein Manifest des Female und Black Empowerments geliefert. Die 16 Tracks des Albums sind jeweils nach einer Schwarzen Frau benannt, die die Gesellschaft maßgeblich geprägt hat. Musikalische Heldinnen wie Nina Simone und Aaliyah bekommen ebenso Songs gewidmet wie Oprah Winfrey, Whoopi Goldberg und die Fechterin Ibtihaj Muhammad – und alle sind Hits! Musikalisch wie inhaltlich hätte die Rapperin aus North Carolina dieses Release nicht dichter weben können: Unzählige Querreferenzen, Samples mit Durchdreh-Potenzial zwischen Phil Collins und Willie Mitchel, dazu überraschende Features, Poetry-Einlagen und nach jedem durchgehörten Song dieses Gefühl, laut „YES, Girl!“ schreien zu wollen. Kaum ein Album brachte in diesem Jahr so viel Klassikerpotenzial mit – eine Schande, dass es nicht für den verdienten Grammy nominiert ist. (Lina Burghausen)
Weitere Female* Rap Releases 2019:
Action Ahrens – Koks und Karren (Deutschland)
AddeN – Respektperson & Honeymoonsweet (Deutschland)
Adi Amati – Wiedergeburt (Deutschland)
Alice Dee – Wildstyles (Deutschland)
Alina Pash – Pintea:Gory (Ukraine)
Alina Pash – Pintea:Misto (Ukraine)
Asian Da Brat – Unfuccwithable (USA)
Bali Baby & The Playgirls – Hood Bratz: The EP (USA)
Big Zis – Béyond (Schweiz)
Blaq Carrie – Ride along faders, Vol. 1 (Australien)
Butterscotch – Scotch (USA)
Chanmina – Never grow up (Japan)
Chelsea Reject – This is not my final form (USA)
Chilla – Mun (Frankreich)
Dee MC – Dee=MC² (Indien)
Dessa – Sound the bells: Recorded live at orchestra hall (USA)
Dream Doll – Life in Plastic 2 (USA)
Ebow – Ebow 400 (Deutschland/Österreich)
Emelevskaja & Masha Nima – Je Ceitshas Umru (Russland)
Erica Mason – Seek Life (USA)
Fiva – Nina (Deutschland)
Fleur Earth & Heinrich – Megaherz (Deutschland)
Gianni Mae – Saucy (Deutschland)
Gigi Lamayne – Job Woods (Südafrika)
Haiyti – Sansibar (Deutschland)
Haviah Mighty – 13th Floor (Kanada)
HeeSun Lee – Flying Cars (EP)
Hispana – Los González (Album)
Hook – Bully (USA)
Iggy Azalea – In my defense (USA)
Iggy Azalea – Wicked Lips (USA)
Illustre – Les mains bleues (EP)
Juju – Bling Bling (Album)
Justina Valentine – Favorite Vibe (Album)
JWA – Sinn (Deutschland)
Klassy – Dirty Cortez (USA)
Kolera – Kolostrofobi 3 (Türkei)
L’Originale K – Guerrière (Frankreich)
La Furia – Pecadora Vol. 1 (Spanien)
Lala &cé – Le son d’après (Frankreich)
Lauren Sanderson – Hasta La Vista (USA)
LayFullStop – Cherries (UK)
Leslie – Bipolar (Italien)
Lex LaFoy – 22 (Südafrika)
Lexie Liu – 2030 (China)
Lil‘ Kim – 9 (USA)
Lucy Camp – Campfire (USA)
Lumaraa – Zu Persönlich (Deutschland)
Lyric Jones & Nameless – Ga$ Money (USA)
Malsha – Chameleon (Deutschland)
Mimi – 3 Meter Straßenlicht (Deutschland)
Mimi Mercedez – Mrznja (Serbien)
Mirrah – Love (Australien)
Miss Lenny – Miss Lenny (Deutschland)
Misstake – Best of Misstake (Italien)
Mozee Montana – Flash Forward (Russland)
Neblinna – Fake (Venezuela)
Nitty Scott & The Polish Ambassador – 7 (USA)
Nura – Habibi (Deutschland)
Paigey Cakey – Flavours (UK)
Physical Graffiti – Songsforsailing (Ecuador)
Priestess – Brava (Italien)
Raja Kumari – Bloodline (USA)
Ramengvrl – no bethany (Indonesien)
Rap Plus Size – A Grandiosa Imersao em Busca do Novo Mundo (Brasilien)
Reverie – Where The Darkside Ends (USA)
Sara Hebe – Politicalpari (Argentinien)
Sasha Sathya – ReBeba MiXXXtape (Argentinien)
Saturn, Alexander – Signs (USA)
Saweetie – Icy (USA)
Shay – Antidode (Belgien)
She Real – Standing on my own (USA)
Silvana Imam – Helig Moder (Schweden)
Soulcat E-Phife – Prepare for Warfare (Österreich)
Sukini – Schmetterlingskacke (Deutschland)
That Girl LayLay – Tha Cheat Code Reloaded (USA)
Tracy De Sà – Commotion (Frankreich)
Tribade – Las Desheredadas (Spanien)
Trina – The One (USA)
Trinisha Browne – Thought you should know (Kanada)
Vel The Wonder – La Sena Ave (USA)
Vintage Lee – Draw 2 (USA)
Wynne – If I May… (USA)
Yael – L.U.V. (Deutschland)
Young M.A. – Herstory in the making (USA)
Zamaera – Z (Malaysia)
Noch nicht genug Female Rap? Hier gibt’s die Spotify-Playlist zu „365 Female* MCs“:
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