Der dritte Advent – und damit der dritte von vier Teilen unseres Jahresrückblicks. Noch lange sind wir nicht durch damit, all die phantastischen Fe:male Rap Releases des Jahres 2020 zu hören. Die Fülle an phantastischen Alben, Mixtapes, EPs und Singles ist einfach zu groß. Dennoch möchten wir euch heute wieder einige unserer favorisierten Releases 2020 vorstellen und hoffen, den einen oder anderen Geheimtipp für euch parat zu haben.
Zu viel Text? Dann checkt unsere Spotify-Playlist mit unseren Lieblingsreleases 2020.
Dua Saleh – ROSETTA
Dua Saleh ist bekannt für experimentellen Sound zwischen Elektro, HipHop und Soul. Auch was Songstrukturen und Texte betrifft, schlägt Saleh immer einen eher unkonventionellen Weg ein. Dabei wirkt die Musik jedoch nicht willkürlich oder krampfhaft künstlerisch bzw. außergewöhnlich, sondern wie aus Salehs Kopf und Herz direkt in Wörter und Melodien gepresst. Dua Salehs aktuelle EP „ROSETTA“ wurde am 12. Juni 2020 in Zusammenarbeit mit dem Producer Psynum über das Label Against Giants veröffentlicht und ist ein erneuter Beweis für Salehs einzigartige Herangehensweise an Musik.
Wem Dua Saleh noch kein Begriff ist, hat zwar etwas Großes verpasst, kann diese gravierende Wissenslücke dank des Porträts auf 365 Female MCs aber nachholen. Dua Saleh kommt aus Minnesota, setzt sich als Schwarze und nicht-binäre Person für die Black Lives Matter- sowie LGBTQIA*-Bewegung ein, performt im Spoken Word und schreibt schon seit vielen Jahren Gedichte, aus denen sich mittlerweile auch Musik entwickelt hat. Die EP „ROSETTA“, dessen Titel der Queen of Rock’n’Roll Sister Rosetta Tharpe gewidmet ist, umfasst sechs starke Tracks, die antagonistischer kaum sein könnten. Salehs poetischer Ursprung ist auf der EP deutlich zu hören – Metaphern schmiegen sich hier an Alliterationen und Zeilensprünge, die sprachlichen Bilder wirken wie auf einer Leinwand gemalt und sind gleichzeitig so mehrdeutig, dass wohl jeder Mensch diese Songs ganz allein für sich entdecken kann.
Schon auf dem ersten Song „Cat Scratch“ lässt Dua Saleh dieser fantastischen Poesie freien Lauf. So lesen sich einzelne Komponenten des Songtextes wie ein eigenes Gedicht:
„Feline laughing lightly in the sun
Nails undone
Weigh a ton
Hold a gun
Watch her run
Watch her run“
Der Song stimmt eine eher melancholische Stimmung an, gleichzeitig schafft es Saleh dabei, diesen zarten Sound mit kräftiger Stimme und pointierten Versen zu durchbrechen. Der zweite Track „umbrella“ setzt mit Heiterkeit fort – und erinnert an den Soundtrack aus einem Indie-Coming-of-Age Film. Ein zentraler Bestandteil dieses Genres findet sich sogar auf dem Track wieder: Es geht um Begierde, Sex und das Entdecken des eigenen sowie gegenseitiger Körper – bei Saleh vor allem aus einer queeren Perspektive.
„smut“ stülpt das Soundkonzept plötzlich um: Ein elektronisch-wabernder Beat fusioniert mit Salehs verzerrten Stimmsequenzen, die das gleichbleibende Reimschema roh und ungeschönt performen. Es ist bisher der einzige Track, auf dem Dua Saleh auch auf Arabisch singt und damit auch Salehs Muttersprache einen Raum gibt. Während „smut“ einen durchaus aggressiveren Ton anschlägt als die beiden Songs zuvor, scheint der Nachfolger „windhymn“ wie eine Transition der zwei Welten, die in der EP erschaffen werden, zu wirken. Hier nutzt Saleh die Gelegenheit für sehr zarten Gesang, der tatsächlich wie eine leichte Brise durch die Ohren treibt. Wie immer mit den schönsten Worten umhüllt.
Dieser musikalische Break gibt einem die nötige Pause für „hellbound“ – ein Song, der melodisch mit sehr viel Soul beginnt, ab dem ersten Drittel jedoch in völliger Zerstörungswut ausartet. Auch „hellbound“ nimmt das Thema queerer Sexualität auf. Es geht dabei jedoch nicht nur um Repräsentation, sondern auch um die harsche Kritik an der Diskriminierung queerer Personen und ihrer Sexualität. So lässt sich aus dem Song und vielen anderen Reviews zur EP entnehmen, dass Dua Saleh das konservativ-religiöse Narrativ angreift, welches queere Lebenswelten als dämonisch und Ausgeburt der Hölle beschreibt. Saleh greift dieses Narrativ auf, um sich in eine Art Dämon namens „Lucifer Labelle“ zu verwandeln. Damit benutzt Dua dieses Bild überspitzt, gewinnt aber auch die Deutungshoheit der eigenen Identität und Sexualität zurück.
„Jumped into the portal, call me Hades of the grim/ No, I ain’t no angel, I ain’t fall in from the brim.“
Der letzte Song der EP „bankrupt“ holt einen wieder auf die Erde zurück und erzählt von Salehs Erfahrungen, in Armut aufzuwachsen. Ein eher unerwarteter Abschluss nach „hellbound“, welcher so viel Epos und große Bilder gestreut hat. So beendet Dua Saleh „ROSETTA“ sehr bescheiden – und unglaublich gefühlvoll.
Insgesamt betrachtet wirkt „ROSETTA“ wie ein kleines Universum, in dem jeder Song ein eigener Planet ist. Böse wie gute Mächte sind von den jeweiligen Planeten bevölkert, sodass sich hier sehr starke Gegensätze gegenüber treten. So heißt es auch in der EP-Beschreibung des Labels: „ROSETTA is both sanctified and sacrilegious; holy and godless; angelic and demonic.“ Die EP ist eine deutliche Weiterentwicklung von Salehs Debüt „Nur“, besonders das Sounddesign durch den Producer Psynum, der Salehs engels- wie dämonenhafter Stimme die perfekte Kulisse aus zerstörerischen wie zarten elektronischen Klängen liefert.
Das Einzige, was ich an diesem Wunderwerk zu bemängeln habe, ist, dass es kein Album geworden ist. Vielleicht wird dieser Wunsch im neuen Jahr noch erfüllt. (Laura Klar)
Taby Pilgrim – Pilgerreise
Als ich das erste Mal auf Taby Pilgrim gestoßen bin, war ich vielleicht 13 Jahre alt und möglicherweise war Taby auch mein erster Girl-Crush, wenn ich so darüber nachdenke. Damals veröffentlichte sie Medleys von verschiedenen Alligatoah-Songs. In den darauffolgenden sieben Jahren verlor ich jedoch mein Interesse an Alligatoah und somit auch Taby aus meinem Sichtfeld. Als ich dieses Jahr durch gemeinsame Bekannte erneut auf sie stieß und feststellte, dass sie für den 22. Mai ihr Debütalbum „Pilgerreise“ angekündigt hatte, fühlte sich das ein bisschen so an wie damals, so eine Mischung aus Euphorie und Bewunderung. Statt Coversongs und Medleys hörte ich jetzt erstmals Songs, die ihrer eigenen Kreativität entsprungen waren, und stellte fest: Das ist es, was Deutschrap bis zu diesem Zeitpunkt in meinen Augen gefehlt hatte, dieses Album. „Ich hab‘ alles schon gehört wie im Spotify-Mix der Woche“, sagt Taby selbst auf dem ersten Song „PSA“ und fasst damit gut zusammen, wie ich mich viel zu häufig beim Erkunden meines Release-Radars fühle. „Pilgerreise“ überraschte mich hingegen wie kaum ein anderes Release in diesem Jahr. Gefüllt mit einem Wortspiel nach dem anderen, komplexen Reimketten und den verschiedensten Stimmeinsätzen (und da ist vom Flüstern bis hin zum dreckigen Ironie-Tonfall wirklich alles dabei), ist „Pilgerreise“ für mich nicht nur mein liebstes Female Release 2020, sondern auch mein liebstes Female Album überhaupt. Um Taby persönlich zu adressieren: Schön, dass du ein zweites Mal in meinem Leben erschienen bist und mich diesmal genauso euphorisch stimmen kannst, wie schon damals. Auf die nächsten sieben Jahre! (Nelleke Schmidt)
Junglepussy – JP4
Mit ihrem dritten Studioalbum hat Junglepussy mich mal wieder völlig vom Hocker gehauen. Immerhin hat sie mich dafür auch zwei Jahre warten lassen – aber es hat sich gelohnt. Das Jahr 2020 hat doch noch ein Gutes. In ihren zehn Songs beweist sie Power, Zärtlichkeit und bleibt wie immer ganz sie selbst. Wer Lust auf Drums und fette Beats hat, findet sich hier auf jeden Fall wieder. Aber auch für ruhigere Songs hat Junglepussy auf ihrem Album „JP4“ Platz.
I’m not trynna be pretty
I’m goodie in a Champion hoodie
It’s obvious I’m a goddess hot like grabba
Spliffs in my city, spicy arugula
I’m not in the mood for your silly excuses
Who follow the rules?
Sie gibt uns mit diesem Album einen noch tieferen Einblick in ihr Inneres und rechnet mit sexistischen Typen, sexuellen Übergriffen und jeglichen Vorurteilen ab. In ihren starken Punchlines zeigt sie abermals ihre Stärke und Unabhängigkeit. All das schafft sie, indem sie Trip-Hop- mit R&B-Elementen verbindet und dazu passende Lyrics schreibt. Ich freue mich schon sehr darauf, wenn Konzerte wieder möglich sind und ich Junglepussy endlich mal live abfeiern kann – mein Wohnzimmer wird ihr nämlich definitiv nicht gerecht. (Rebecca Pelvan)
Nenny – Aura
Graue Tage, Nebel, Kälte, ich sehne mir den Sommer zurück. Nenny schafft es, die dunklen Wolken wegzuschieben, mir ein positives Gefühl zu verschaffen. Ich höre „Aura“ – ich habe gute Laune.
Neben Sommer- und Dancehall Vibes vereint sie auf „Aura“ Balladen mit Trap, wechselt zwischen Gesang und Rap und stellt unter Beweis, dass ihre Stimme ebenso vielfältig ist wie es ihre Beats sind. Damit liefert sie eine Songvielfalt, die für jede*n etwas passendes bereithält und ein Soundtrack für die verschiedensten Situationen sein kann.
Die gerade volljährige Marlene Fernanda Cardoso Tavares droppte ihr Debütalbum „Aura“ im März. Ein Jahr zuvor zeigte sie der Welt ihr Raptalent mit ihrer ersten Single „Sushi“. Mit so starken Tracks eine Karriere zu starten, beeindruckt mich. Ob Trap, Rap, Ballade, Dancehall, Vibe sie kreiert ihre ganz eigene Mischung aus vielen musikalischen Einflüssen und Sprachen. Ihr Flow sowie ihre auditive und visuelle Ästhetik catchen mich sofort, die portugiesische Sprache harmoniert so schön mit ihrer Stimmfarbe, weshalb ich ihr unglaublich gerne zuhöre, auch wenn ich kaum ein Wort versehen.
Nenny ist meine Neuentdeckung des Jahres und mein Female MC-Release 2020. Sie begeistert mich mit ihrem Flow, Klangbild und ihrem visuellen Erscheinen. Diese Meinung wird von vielen geteilt, weshalb sie aus dem Hip Hop Tuga kaum mehr wegzudenken ist. Überzeugt euch selbst: Die neun Tracks sind kurzweilig und abwechslungsreich. Mich wird „Aura“ noch im tiefen kalten Winter einen sorglosen Gute-Laune-Sommervibe verspüren lassen. (Ambra Ihme)
YAEL & LOOP – Up & Out
Bereits im vergangenen Jahr hat Yael aus dem Kollektiv Fifty-Fifty mit ihrem Debütalbum ordentlich Welle gemacht. Nach zwei EPs droppte sie mit „Story Of A Stranger“ ein 12-Track Album auf Urban Tree Music, welches sich irgendwo zwischen Trap, BoomBap und Pop einordnen lässt.
Auch in 2020 war Yael wieder extrem fleißig. Neben hochkarätigen Kollaborationen mit Majan, Layla und Esther Graf, kamen auch Crew-interne Zusammenarbeiten in diesem Jahr nicht zu kurz. Die Kombi Yael und Loop hat sich schon in der Vergangenheit bewährt. Nur konsequent, dass die beiden mit „Up & Out“ nun auch ein gemeinsames Album veröffentlichten. „Mit ‚Up & Out‘ haben Yael und Loop auf die Überholspur gewechselt. Yael hat auf dem Kombi-Album mit Loop eine komplett neue Seite von ihrem künstlerischen Schaffen gezeigt und bewiesen, dass sie weiterhin zu einer der vielversprechendsten und vielseitigsten jungen KünstlerInnen aus Deutschland gehört!“, beschreibt Labelmanager Jens P. Neumann von Urban Tree Music die Weiterentwicklung und Sound-Vielfalt der Wahl-Berlinerin.
“Droptop” ist übrigens einer der Lieblingstracks von Loop auf “Up & Out”, dem Album, was Yael und er in den Riverside Studios aufgenommen haben. “Immer, wenn ich den Track höre, denn er erinnert er mich an die Action, die ich mit Yael in London hatte.” Neben einem Anspieltipp hat Loop außerdem noch eine absolut einleuchtende Begründung dafür, weshalb Yael eine der spannenden Newcomerinnen ist: “Ich denke auf ‚Up & Out‘ hat sie gezeigt, was für eine Power in ihr steckt. Das ist einfach ein anderer Sound als auf ihrem Debütalbum. Seit unserer Zeit im Studio nenne ich sie auch Danny Damage of Rage.”
Ein Spitzname, der nicht von ungefähr kommt. Im Doppel zeigen sich die beiden in angriffslustiger Laune. Yael klang im Alleingang deutlich ruhiger – fast schon melancholisch. Auf „Up & Out“ wird aufgedreht! Bei “Tag ohne Ende” steuern Esswo, Meydo und Peso ebenfalls Parts bei, doch auf den restlichen neun Tracks kommt das Duo ohne Unterstützung ihrer Crew aus.
Yaels Output ist stetig und ihre Weiterentwicklung als Musikerin offensichtlich. Daher sehen wir es wie Loop: Yael Fifty-Fifty bleibt auch in 2021 eine Künstlerin, die man im Auge behalten sollte. (Jessie Schmidt)
Der vierte und letzte Teil unseres Jahresrückblicks kommt am kommenden Sonntag. Bis dahin könnt ihr euch die Zeit auf unserer „Best of 2020“-Spotify-Playlist vertreiben.
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