„Wenn es eine queere Stage gibt, dann schreit es auch raus!“
Eine queere Stage auf Deutschlands größtem HipHop-Festival? Was vor ein paar Jahren noch nach Utopie klang, haben im vergangen Jahr die Hoe_mies und in diesem Jahr die Organisatorinnen und Künstlerinnen der Berliner Veranstaltungsreihe Berries möglich gemacht. Einen kompletten Abend lang durften die von Berries kuratierten Artists eine Bühne auf dem splash! Festival abreißen. Hochkarätige Live-Acts wie Le1f und DJs wie Cashmiri und Salwa Houmsi sorgten für einen unvergesslichen Abend, für den ein ganz besonderer Mensch verantwortlich war: DJ Tchuani, Dominik. Er ist der Kopf (und das Herz) hinter Berries. Ich war wahnsinnig neugierig auf seine Erfahrungen auf dem splash!, und hatte ein paar Fragen.
Bitte erzähle mir, was Berries ist, was Berries ausmacht, was du da machst und was da passiert. Hallo. Ich bin Dominik von Berries. Als DJ nenne ich mich Tchuani und bin der Co-Gründer von Berries. Das ist eine queer-feministische Partyreihe, die man auch als inklusiv bezeichnen kann. Vor sechs Jahren haben wir Berries nach einem Konzert von einem queeren Rapper namens Cakes da Killa gestartet. Mein damaliger Co-Partner und ich sind beide seit unserer Kindheit HipHop Fans und sind beide queer. Wir identifizieren uns als schwul. Wir hatten nie das Gefühl, dass die gängigen HipHop Partys in Berlin für uns gedacht waren und haben uns da nicht wohl gefühlt. Dort ging es sehr hypermaskulin zu. Wir hatten Bock, auf HipHop zu tanzen, kannten aber keinen entsprechenden Ort, wo das für uns in einer angenehmen Umgebung möglich gewesen wäre. Auf diesem Cakes da Killa-Konzert in Berlin haben wir festgestellt, dass es eine gar nicht so kleine Community gibt, die die Musik, die wir feiern, auch feiert. Das war der Beginn von Berries. Als wir die erste Party veranstaltet haben, wollten wir das nur ein einziges Mal machen – für unsere Freunde und alle Menschen, die Bock haben. Dann haben wir festgestellt, dass das Event gut angenommen wird. Jetzt, im September, mache ich diese Partys dann seit fünf Jahren. Das Konzept dahinter ist, dass wir queeren und trans*personen, People of Color und Frauen eine eigene Plattform bieten, weil wir das Gefühl haben, dass sie in der Gesellschaft allgemein, aber speziell auch im HipHop viel zu wenig präsent sind und zu wenig Raum bekommen. Das hat sich in den letzten zwei Jahren etwas geändert. Die Tendenz ist äußerst, aber es ist noch lange nicht genug. Somit wollen wir weiterhin eine Plattform für Menschen schaffen, die der Meinung sind, dass eine inklusive Gesellschaft die bessere ist. Dies ist dein erstes splash! Wie empfindest du die Stimmung hier bezüglich der von dir genannten Gesichtspunkte? Hast du das Gefühl, dass das hier eine inklusive Veranstaltung ist? Erst einmal bin ich positiv von der Atmosphäre überrascht. Ich hatte Vorurteile dem splash! gegenüber und wäre privat nicht hierhergekommen – hauptsächlich, da ich das Gefühl hatte, dass das splash! sehr weiß, sehr maskulin und sehr hetero ist. Und so ist es auch. Dennoch empfinde ich die Atmosphäre hier als sehr offen. Ich persönlich habe hier bisher noch keine schlechte Erfahrung mit Leuten gemacht. Dies empfinde ich als sehr positiv. Ich hatte im Vorfeld Bedenken, wie das als queere Stage auf so einem Festival ist, aber wir wurden sehr gut angenommen. Das Publikum hatte Lust. Sie waren vielleicht etwas verhaltener als woanders, aber wir hatten Spaß und die Leute auch. Hattest du das Gefühl, dass die Leute verstanden haben, was ihr auf der Bühne macht? Ich glaube nicht, dass allen bewusst war, dass sie zur queeren Stage gehen. Wir haben aber dafür gesorgt, dass das immer wieder deutlich wurde, haben die Regenbogenfahne gehisst und deutliche Statements ins Mikrofon gemacht, dass wir die queere Stage auf dem splash! sind – die erste queere Stage, auf der auch queere Männer stattfinden. Letztes Jahr haben „Hoe__mies“ diese Bühne gemacht. Da lag der Fokus auf Frauen. Bei uns sind jetzt noch die schwulen Männer dazu gekommen. Für ein Festival, auf dem es sowas noch nicht gab, war das ein schöner Abend. Sicherlich waren auch viele Leute bei uns, die sich zufällig zu uns verirrt haben. Die wenigstens waren da, weil sie konkret zu uns wollten. Aber wenn sie Spaß hatten, ist das einfach ein positives Erlebnis, das sie mitnehmen, und vielleicht hat es dann auch schon etwas zum Mindsetting beigetragen. Es ist doch super, dass man so Menschen erreicht, die man sonst vermutlich nicht erreichen würde. Genau das war auch der Grund, weshalb es uns wichtig war, hier zu sein. Natürlich können wir unsere Partys in Save Spaces machen und in unserer kleinen Oase bleiben, aber ich finde es wichtig, dahin zu gehen, wo Leute nicht automatisch mit Homosexualität und Queerness in Kontakt kommen. Dort kann man den Menschen für solche Themen sensibilisieren und noch dazu gutes Zeug machen, das die Leute vielleicht sogar mögen. Es ist sehr wichtig, dahingehend Hemmungen abzubauen. Wie erlebst du den Umgang mit nicht-cis-männlichen Künstler*innen und Menschen hier auf dem Festival, auch mit Sicht auf die Veranstalter*innen? Ganz besonders sind queere Menschen, aber auch Frauen unterrepräsentiert. Ich habe das Gefühl, dass sich langsam ein Bewusstsein dafür entwickelt, aber ich finde es noch nicht ganz ehrlich. Wenn man den Aufbau der Bookings betrachtet und sieht, wie gewisse Leute annonciert werden, finde ich dies bedenklich. Es gibt Bühnen, die nicht im offiziellen Line Up auftauchen. Wiederum gibt es Bühnen, die nur von Frauen beziehungsweise mit Frauen kuratiert sind, wovon dann jede einzelne DJ im Line Up aufgezählt wird, nur um die Frauenquote nach außen hin zu steigern. Das ist keine besonders ehrliche Herangehensweise. Auf unserer Stage hatten wir Le1f. Der ist einer der bekanntesten queeren Artists aktuell und ein Pionier in der New Yorker Alternativ-Rapszzene und das Festival hat es nicht für nötig gehalten, ihn aufs Line Up zu setzen. Das war ziemlich dumm. Da sollte noch mehr gemacht werden und es sollte ehrlicher passieren. Du meintest vorhin, dass sich die Organisation hinter den Kulissen für euch als Partyreihe nicht sonderlich fair und positiv angefühlt hat. Magst du dazu etwas erzählen? Wenn man sich das Angebot anschaut, welches wir bekommen haben, war es für das, was wir machen, für das, was wir leisten und leisten sollten, viel zu gering. Es wurde darauf gebaut, dass das splash! an sich so ein Happening ist, dass wir dies zu einer geringen Gage machen. Auf der einen Seite hat sich das splash! damit geschmückt, dass sie zeigen wollen, dass sie mit gutem Beispiel voran gehen und Leuten wie uns eine Bühne bieten. Auf der anderen Seite haben wir uns aber nicht entsprechend entlohnt gefühlt. Hast du konkrete Handlungsempfehlungen für die Veranstalter*innen dieses Festivals? Was sollte passieren um dieses Festival besser, inklusiver und offener zu machen? Das ist meiner Meinung nach eine Teamentscheidung: Wen hole ich mir als Booker*in? Wer ist die entscheidende Kraft? Ich glaube, es gibt auch hier im Team Leute, die etwas verändern wollen, die aber am Ende nicht das Sagen haben. Ich glaube auch, dass das Line Up sehr ausgerichtet ist auf ein weißes, deutsches Publikum. Wenn es wirklich inklusiver sein soll, dann sollte man sich vielleicht auch in eine andere Richtung orientieren und das auch offen promoten. Wenn es eine queere Stage gibt, dann schreit es auch raus! Folgt Berries auf Instagram und Facebook! Alle Fotos: Janina Wagner | Transkript: Gregor Leschzinski