Die aktuelle Ausgabe von „365 Female MCs“ stellt direkt zum Anfang eine ganz besondere Künstlerin aus Wien vor: Soulcat E-Phife scheint HipHop in jeder Faser ihres Körpers zu haben. Sie ist Rapperin, DJ, Produzentin, war lange Zeit als Radio-RAPorterin unterwegs und ist darüber hinaus natürlich Vollblut-HipHop-Fan. Diesen Monat hat sie ihre neue EP „Prepare for Warfare“ veröffentlicht – ein kleines Boombap-Manifest, das so klingt, als wäre es dem Teer der Straßen von Brooklyn gegossen worden. Ihr Song „Flaunt it“ ist zugleich ein „365 Female MCs“-Exclusive. Höchste Zeit, das HipHop-Multitalent etwas eingehender vorzustellen. Ich hatte da ein paar Fragen!
Liebe Soulcat E-Phife, danke, dass du dir die Zeit für meine Fragen nimmst. Bitte nimm uns doch kurz mit auf deine Reise – wie kamst du mit HipHop in Berührung und was war der Auslöser für dich, dich selbst auf die Bühne zu stellen?
Musik war eigentlich von klein auf schon mein Begleiter. Bei mir hat es eher mit Sprachgesang und Rhythmen angefangen. Als Kind habe ich gerne Texte geschrieben und während dem Schreiben mit Bleistift in der Hand schon mal den Beat geklopft. Mein kleiner Bruder war damals mein erster Zuhörer. Später nahm ich Schlagzeugunterricht in der Schule. Irgendwann habe ich mit Schulkollegen jede große Pause im Musikraum geübt, da lernte ich ältere Musiker*innen kennen, die z.B. schon während der Maturaklasse nebenher Jazz studierten. Das waren richtig talentierte Leute. Die Gespräche mit ihnen haben mich super motiviert. Später habe ich auch neben der Schule angefangen im Radio in der Obersteiermark zu arbeiten. Dort wurde mir gezeigt wie ich Audioschnittsoftware und das Studioequipment benutze. Ich habe mir dann lokale Bands ins Studio geholt, sie live spielen lassen und mit ihnen über Musik aber auch alles Mögliche geredet. Das hatte ein bisschen was von Vice, da wir damals auch echt abgedriftet sind und das Ganze wirklich lustig werden konnte. Meine Sendung war zwei Stunden lang. Damals hatte ich noch keine Ahnung, dass ich einmal selbst Rapperin werden würde – ich habe weiterhin das Schreiben von Songs verfolgt aber mich auch gleichzeitig im multimedialen Bereich weitergebildet. Nach der Arbeit saß ich zuhause am Computer und lernte diverse Music Production Softwares, in Graz konnte ich auch mit etlichen DJs und Musikerinnen connecten, die ebenfalls produziert haben. Damals allerdings dachte ich, dass es als Frau schier unmöglich werden würde, Erfolg in diesem Bereich zu haben – eben weil es so viele Männer gab, die in dem Bereich schon viel erfahrener waren als ich. Andererseits hatte ich es damals versäumt, nach weiblichen Vorbildern zu suchen. Ich habe dann einfach mal unter einem Pseudonym getestet, wie meine Beats ankommen. Ich nannte mich „Superflink“, erstellte ein Myspace Profil und schickte meine Beats um die Welt. Kurz danach entstanden auch schon die ersten Kollaborationen. Über Myspace habe ich viel mehr österreichische, aber auch internationale Beatproduzentinnen und Rapperinnen kennengelernt, was mich extrem motiviert hat, weiter zu machen. Ich bin damals zum ersten Mal nach New York gereist, um zwei meiner Geschwister zu besuchen. Dort habe ich mich mit der Rapperin Indeed getroffen, die auf dem De La Soul Album „Art Official Intelligence: Mosaic Thumb“ zu hören ist und die ich seit damals extrem gefeiert habe.
Mein Rapdebüt sollte ich aber trotzdem erst um 2011 herum haben – als die Funkverteidiger nach Wien kamen und mich mal für einen Freestyle auf die Bühne holten. Ein paar Monate danach war ich durch Pierre Sonality, der mich seitdem gepusht hat, gleich auf dem Sendemast-Song „Back to Flavour“ zu hören.
Gibt es eine Künstlerin oder einen Künstler, der dich auf diesem Weg besonders beeinflusst hat?
J Dilla. Seit ich 2008 mit einem Kollegen auf Europatour war, ist mir klar, wie groß eigentlich seine Legacy ist, was HipHop angeht. Ich habe später in Wien dann auch seine Mutter getroffen, von der ich an meinem Geburtstag eine seiner Platten bekommen habe. Allerdings gibt es viele Musiker und Künstler, die mich im Laufe der Zeit inspiriert haben. Viele davon sind Freunde, Kollegen oder beides geworden, wenn man sich dann z.B. auch gegenseitig inspiriert oder sich unter die Arme greift. Auch verbinden uns dann eine gewisse Aufgabe oder ähnliche Mindsets miteinander.
Gerade hast du deine neue EP „Prepare for Warfare“ veröffentlicht. Inwiefern bist du eine Führungspersönlichkeit?
Ich denke, man merkt das erst, wenn man anfängt, viele andere Führungspersönlichkeiten um sich zu sammeln und mit Ihnen harmonisch in einem Team zu arbeiten. Teamfähigkeit ist das A&O, wenn in einer Gruppe ein gewisses Ziel in einer gewissen Zeit erreicht werden will. Aber es gehört auch Offenheit dazu und die Fähigkeit, Ideen, die man hat, anderen so wiederzugeben, dass sie motiviert sind, dir in deiner Aufgabe zu helfen. Auch Begeisterungsfähigkeit spielt dabei eine Rolle. Ich denke, wenn man leidenschaftlich etwas verfolgen und andere mit dieser Leidenschaft anstecken kann, dann ist man irgendwo schon in einer Art Führungsposition.
Für „Prepare for Warfare“ hast du dich mit Mono:Massive zusammengetan. Hast du dich bei der EP diesmal auf den Rap-Part fokussiert, oder auch an den Produktionen und Cuts mitgearbeitet?
Mit Mono:Massive habe ich erstmals 2016 gearbeitet. Er ist auch für den Remix meiner Single „Never Show Love“, die ich vor Prepare for Warfare veröffentlicht habe, verantwortlich. Die 7“ besteht aus einer selbstproduzierten „Street Version“ des Songs und seinem Remix, der die Radio Nummer wurde. Wir haben damals auch „Flaunt it“ aufgenommen. Der Song basiert rein auf seinem Instrumental, wovon es auch die EP-Version und das Video-Exclusive, das über deinen Blog erschienen ist, gibt. Die Lyrics habe ich auf seine Komposition geschrieben. Auf „Prepare for Warfare“ gibt es einen von mir selbst produzierten Song, „Around tha Glock“, welcher über Verena Dürr, Autorin des Hörspiels „Herr im Garten“, für den Bayerischen Rundfunk entstanden ist. Ich habe mich dafür mit dem Rapper Boogie Bang (Brian Greer, Cincinnati) zusammengetan, um dem Thema Waffen und Polizeibrutalität in Amerika noch eine weitere Perspektive hinzuzufügen. Am 29. April wird das Stück mit dem Hörspiel zum ersten Mal on Air gehen. Hier gibt es alle Infos dazu.
Für „Never hold back“ habe ich wieder mit Brian aka The Big Homie Boogie Bang und Brandon Heat, einem befreundeten Produzenten aus den Staaten, gearbeitet. Brandon ist schon auf meiner älteren Mixtape-EP „Word up Soul II (2013)“ auf „Catz on tha block“ zu hören, die jedoch nur auf Bandcamp und Soundcloud zu hören ist.
Die letzten drei Songs sind mit dem Produzenten Phil Chronics entstanden, seinerseits aus Linz. Er wohnte damals in Wien und studierte an der Deutschen Pop Akademie Tontechnik. Damals hat eigentlich meine Idee für einen Marsch in Richtung neue EPs bzw. neue Albumprojekte begonnen, 2015 herum. Ich habe die Songs mit auf „Prepare for Warfare“ genommen, weil sie inhaltlich zum Thema passen. Vor allem aber stelle ich mich in den Songs auch ein bisschen vor, wie auf „Talk like me“, bei dem die Cuts von DJ Lukutz sind, der wiederum zu den Funkverteidigern gehört.
So schließt sich der Kreis. Lass uns über den Titel der EP reden: Gegen wen oder was wirst du in den Krieg ziehen, auf den du dich mit der EP vorbereitest, und wie wird dieser Krieg aussehen?
Der Titel und die Verpackung des Ganzen sind eher metaphorisch zu verstehen. Der Name der EP ist inspiriert von einem Satz aus Boogie Bangs Verse in „Around tha Glock“, durch den ich erkannt habe, wie meine Songs thematisch zusammenhängen. In jedem Song wird eine problematische Thematik behandelt, zu der ich entweder eine Antwort oder bereitstellen oder aber zum Diskurs anregen will. Manchmal zeige ich aber einfach auch nur meine Einstellung zu gewissen Dingen wie Sexismus, Gewalt, Kriege, oder Materialismus. Ich versuche auch immer, auf diese Dinge innerhalb des HipHop hinzuweisen, und klar zu machen, dass die HipHop-Kultur als Movement gegen genau diese Dinge entstanden ist. Auch dass viele Menschen, die hinter der Kunst stehen, dann aber aufgrund von Geld, Fame und Karriere diese Dinge schließlich doch als Werkzeug benutzen. So stecken sie schnell mit gewissen Firmen, Politikern und Superkonservativen, die den Fortschritt der sozialen Gesellschaft unterdrücken wollen, unter einer Decke, ob sie es wollen und merken oder nicht.
Erzähl mir, wie du an Songs arbeitest. Arbeitest du an Beat und Rap losgelöst voneinander, oder entstehen Musik und Text parallel zueinander?
Da ich Produzentin und Rapperin bin, gibt es bei mir beide Herangehensweisen. Ich arbeite bei Beats immer sehr ergebnisorientiert, das heißt, ich habe da gerne immer schon vorher ein fixes Konzept, worauf hin ich anfange, den Beat zu produzieren. So entsteht Schritt für Schritt der fertige Song. Texte hingegen schreibe ich oft auch ohne Beat – einfach, weil es mir darum geht, bestimmte Gedanken auf Papier zu bringen. Da ich aber auch mit anderen Produzenten und Interpreten arbeite, schreibe ich natürlich ebenso gerne und mit derselben Leidenschaft auf ein gemeinsames Projekt. Das habe ich vor allem auch mit Figub Brazlevic in Berlin gelernt, der auch das Feature mit Organized Threat produziert und organisiert hat. Er ist für mich auf jeden Fall der deutsche Kolabo-Meister, sein Output ist einfach phenomenal.
Welches Gadget oder Programm ist für dich beim Produzieren unverzichtbar?
Meine Ohren, das, was zwischen den Ohren ist und Logic X Pro.
Gibt es ein Sample, das du schon immer mal für einen Beat flippen oder für Cuts nutzen wolltest?
Ja, ich habe in der Vergangenheit schon ein paar Mal versucht, von einer Kassette ein Sample zu benutzen. Ich wollte es zuerst so richtig oldschool mit Dubbing von A nach B und vice versa kopieren, versuchen, bis ich dann endlich herausgefunden hatte, dass es zu diesem Sample sogar noch ein älteres Original gibt und es im Internet gefunden habe. Ich verrate aber noch nicht, welches es ist, nur so viel, dass es De La Soul damals schon benutzt hat. Ich glaube, es war Prince Paul.
„Flaunt it“, die erste Single deiner EP und zugleich „365 Female MCs“-Exclusive, ist eine Wahnsinns-Kampfansage gegen sexistischen Bullshit, sexuelle Belästigung und Catcaller und spiegelt Erfahrungen wider, wie sie wohl schon jede Frau gemacht hat. Gleichzeitig fordert der Song den Respekt ein, den Frauen* in der Gesellschaft noch viel zu selten bekommen. Gab es für dich einen klaren Auslöser, diesen starken Track zu schreiben, oder war es eher das Gefühl, dass ein solcher Song längst überfällig ist?
Um ehrlich zu sein, ich habe den Text damals komplett losgelöst von der übergeordneten, gesellschaftlichen Situation oder Nachfrage geschrieben. Ich war von meinen persönlichen Erfahrungen inspiriert- den Männern in meinem Leben, die versucht haben, mich wie Scheiße zu behandeln. Aber das ist nur ein Aspekt. Es wird sicherlich noch so ein Lied wie „Flaunt it“ geben, in dem es mal in eine andere Richtung geht. Denn solche Dinge gehen nicht immer nur von Männern aus. Ich will mit meiner Ansage in dem Song vor allem den Sieg über Bevormundung bzw. Herabwertung betonen und den Call zu Respect über das gewonnene Selbstbewusstsein und die Selbstbestimmung untermauern. Gleichzeitig versuche ich aber, in dem Song nicht zu spezifisch zu werden, denn wie du schon sagst geht es darum, etwas zu liefern, womit sich eine Bewegung an Menschen beschäftigen sollte, um eine Lösung zu finden. Da ist es wichtig, mit den persönlichen Dingen abzuschließen – zu sagen ok, das und das ist mir passiert, aber so und so sieht es richtig aus, und Ignoranz ist einfach nicht mehr zu tolerieren.
Ich erlebe es oft, dass Frauen* nicht wissen, wie sie sich in Situationen, in denen sie mit Sexismus und sexueller Belästigung konfrontiert werden, reagieren können. Hast du für dich da Lösungsansätze entwickelt?
Ja. Peers. Immer Menschen um sich haben, die einen in solchen Situationen zur Seite stehen können. Gleichzeitig auch in seinem Umfeld die Awareness erzeugen, um Leute darauf zu sensibilisieren. Natürlich gibt es immer Situationen, denen man allein gegenübersteht. Da würde ich aber auch immer danach den Diskurs mit Vertrauenspersonen suchen.
Du bist seit vielen Jahren Teil verschiedener Kollektive, warst Teil von Organized Threat und aktuell Femme DMC in Wien. Inwiefern beeinflussen und unterstützen dich diese Kollektive bei deinem Weg als Künstlerin?
Wie gesagt, Peers sind sehr wichtig in allen Belangen und Bereichen. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, Menschen um sich zu sammeln, die eine ähnliche Message haben oder ein gewisses Ziel verfolgen. Zusammen mit Menschen an Musik zu arbeiten, für soziale Projekte einzustehen oder etwas zu einer Kultur beizusteuern, Kunst zu fördern, gemeinsam kreativ zu sein. Ich habe auch mit Bands gearbeitet – die sind ja auch eine Art Kollektiv, mit dem man mit einer gewissen Message an die Leute herantritt.
Was würdest du jungen HipHop-Künstlerinnen, die gerade erst mit dem Rappen, Produzieren oder Auflegen anfangen, mit auf den Weg geben? Was hättest du gern schon vor deinem ersten Release gewusst?
Ehrlich gesagt kommt es wirklich ganz darauf an, in welcher Entwicklungsstufe man da ist. Viele schaffen sich durch den kreativen Ausdruck eine Basis, auf der man weitere Kunst erschaffen und sogar in weiterer Folge auch davon leben kann. Es ist aber immer wichtig, sich in vielen Bereichen aus- und fortzubilden, damit man in diesen Bereichen viele Dinge supervisen oder selbst erledigen kann. Networking ist wichtig, reisen, lesen und am Puls der Zeit bleiben – gleichzeitig auch selbst viel zu erleben und da zu helfen, wo man kann.
Soulcat E-Phifes neue EP „Prepare for Warfare” ist am 1. April 2019 auf allen Plattformen digital erschienen.