2Grés Nord ist (noch) ein echter Geheimtipp. Die junge aufstrebende Künstlerin aus Lüttich in Belgien veröffentlichte im Juni 2022 ihr erstes Mixtape „Ressac“, ihren ersten Auftritt absolvierte sie kurz zuvor. Für die breite Öffentlichkeit kam sie also gerade erst aus den Startlöchern, dabei ging natürlich alles schon viel früher los.
Die Künstlerin beginnt bereits 2016 während ihrer Schulzeit zu rappen. Anfangs heimlich und alleine zuhause, da sich sonst keine:r ihrer Freund:innen für Rap interessiert. So entdeckt sie die Szene zunächst auf eigene Faust aus der Distanz. Lange Zeit weiß niemand, dass sie Texte schreibt und sich selbst das Rappen beibringt. Ihre Liebe zum Schreiben allerdings ist bekannt. Auch außerhalb der Schule verfasst sie Geschichten, die Beachtung finden. 2020 entscheidet sie, der Welt zu zeigen, woran sie gearbeitet hat. Lockdown und familiäre Komplikationen verzögern das Ganze dann doch noch einmal, aber gut Ding will eben manchmal Weile haben.
Ihr Künstlername 2Grés Nord ist übrigens ein französisches Wortspiel: „Tout est au second degré et il ne faut pas perdre le nord“, sagt die Künstlerin dazu: „Man sollte nicht alles zu ernst nehmen und darf die Orientierung (den Norden) nicht verlieren.“
Zu Beginn sieht 2Grés Nord es hauptsächlich als Challenge, sich als Frau in der Rap-Welt zu behaupten. Sie karikiert in ihren Texten vornehmlich das Game. Das sei allerdings heute nicht mehr ihr Hauptansatz. „Je suis là pour rigoler, mais je ne suis pas là pour rigoler“, sagt sie – sie sei da, um Spaß zu haben, aber wolle ernst genommen werden und in ihrer Musik auch andere tiefgreifende Themen behandeln. Sie wolle von ihrem Leben und ihren Erfahrungen erzählen, die Leute zum Schmunzeln bringen, aber dabei trotzdem ihre Message wahrgenommen wissen.
Als musikalische Einflüsse nennt sie vor allem berühmte französische Chansonniers wie Georges Brassens und Francis Cabrel. Sie sei eben nicht mit Rap aufgewachsen. Später kommen dann aber Künstler wie Orelsan dazu, und heute höre sie viel Rap – aus Neugier, um auf dem Laufenden zu bleiben und um Vergleiche zu haben.
Vor ihrem Mixtape „Ressac“ veröffentlicht sie auf YouTube ein paar Songs, zu denen sie eigene Videos dreht. Einige Leute haben ihr gesagt, sie solle diese lieber löschen, bevor sie bekannter werde. 2Grés Nord denkt jedoch nicht dran. Wieso auch? Sie sei stolz auf alles, das sie musikalisch gemacht und wie sie sich seit ihren Anfängen entwickelt habe, und natürlich sei nicht alles von Beginn an perfekt gewesen. Nach dem Sprung ins Wasser müsse man ja auch erst einmal richtig schwimmen lernen. Gesunde Einstellung!
„Ressac“, französisch für „Brandung“, bezeichne für sie eben jene Anfänge. Da alle immer vom Feuer reden, spricht 2Grés Nord eben vom Wasser, was letztendlich das stärkere Element ist und mit der Brandung außerdem immer noch einen Rückschlag parat hat. Außerdem ist der Mixtape-Titel ein Palindrom: „ressac“, rückwärts gelesen, ergibt „casser“ – auf Deutsch: „zerstören“. Die 22 Songs bearbeiten über düstere, treibende und melancholische Beats teils sehr persönliche Themen. Das Mixtape habe sie vornehmlich für sich selbst gemacht, um Erlebtes zu verarbeiten, ganz ohne kommerziellen Anspruch.
Die junge Rapperin arbeitet aktuell schon an einem neuem Projekt, das in ein paar Monate erscheinen soll und ganz anders klingen werde als „Ressac“. Dafür kooperiere sie wieder mit Tømøyø, einem Beatmaker und DJ aus ihrer Heimatstadt, und dem jungen Producer Deegroy.
Es gibt immer mehr Leute, die an mein Projekt glauben und das macht mich überglücklich, denn das ist es, was den Unterschied ausmachen wird. Eine Frau, die allein mit alten Videos aus ihrer Anfangszeit dasteht, das funktioniert nicht. Aber eine Frau, die langsam eine Crew um sich versammelt und anfängt, groß zu denken, und die Leute um sie herum fangen an, groß zu denken, weil sie an sie glauben, das ist der Moment, in dem du etwas siehst.“
Original: „Il y a de plus en plus de gens qui croient en mon projet et ça me rend hyper heureuse, parce que c’est ça qui va faire la différence. Une meuf toute seule avec de vieilles vidéos de ses débuts, ça le fait pas. Mais une meuf qui commence à rassembler une équipe et qui commence à voir grand, et les gens autour d’elle qui voient grand parce qu’ils y croient, c’est à ce moment-là que tu vois quelque chose.“
Genau so läufts, und die Daumen bleiben gedrückt, dass es für 2Grés Nord immer weiter nach oben geht. Vielleicht reagiert dann auch Spotify und korrigiert den Akzent auf ihrem Namen. Seit zwei Jahren versuche die Rapperin, das „è“ zu einem „é“ zu ändern (ihr findet sie dort also unter 2Grès Nord). Sie sagt aber selbstbewusst, dass sie irgendwann so berühmt sein werde, dass sie die Plattform nicht mehr darum bitten müsse.
Grüße gehen raus!