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AENGL

AENGL

Wenn man AENGL fragt, wie sie sich selbst charakterisiert, antwortet sie: „A rebellious bad bitch“ und lacht. In ihrer Kunst und ihrem Wesen dreht sich alles darum, sich in voller Authentizität zu zeigen. Trotzdem begegnet sie immer wieder Barrieren, die das erschweren. Das wird besonders offensichtlich, als sie ihren Vertrag mit Sony verliert.

Ihre Aura ist laut. Sie schreit, um Grenzen zu durchbrechen, und fordert konventionelle Rollenbilder heraus. AENGL strebt danach, diejenigen zu repräsentieren, die noch nicht den Mut gefunden haben, sich jenseits gesellschaftlicher Erwartungen so zu präsentieren, wie sie sind. Damit ist sie eine Galionsfigur der Wiener LGBTIQ+-Szene.

Carefree AENGL just blowing in the wind, living for herself.“

im Interview mit 365 Fe*male MCs

Die Sängerin wächst in Simbabwe auf. Mit 21 Jahren zieht sie 2015 nach Wien. Die Stadt der Musik heißt sie zunächst nicht willkommen und verpasst ihr einen gehörigen Kulturschock. Sie fühlt den Druck, ihren Aufenthalt in Europa rechtfertigen zu müssen, und die konservativen Einstellungen, auf die sie trifft, überraschen sie. Erst nach ein paar Jahren lebt sie sich ein. Dabei spielt ihr Findungsprozess als Musikerin eine wichtige Rolle.

AENGL kreiert mit ihren Liedern einen offenen Raum für Selbstdarstellung. „Vienna is such an artsy place“, betont sie das Potenzial der österreichischen Hauptstadt, jedoch brauche es mehr Platz für Expressionismus. Sich den zu erkämpfen, darin sieht die Musikerin ihrer Aufgabe. Dabei macht sie konstant auf Probleme in der Musikbranche aufmerksam. Sie beklagt beispielsweise auf Instagram, wenn über 70 Prozent eines Festival-Line-ups männlich sind oder Bilder von ihr wegen angeblicher sexueller Darstellungen gelöscht werden.

We need female representation, we need queer representation and we need black and BIPOC representation.“

im Interview mit 365 Fe*male MCs

„I guess I was born talented“, beschreibt AENGL ihren Weg in die Musik. Als Kind tobt sie sich im Theater aus. In Wien singt sie erstmals auf einer kleinen Bühne, nachdem Freund:innen sie beschwören, sie solle sich trauen. Dieser Auftritt bedeutet vorerst einen gigantischen Durchbruch für AENGL, die sich damals noch W1ZE nennt. Im Publikum steht ein Talentscout, der ihr einen Deal bei Sony ermöglicht. Sie gewinnt unglaubliches Momentum und spielt auf großen Festivals wie dem Popfest 2022 in Wien und performt gemeinsam mit BEX und Yasmo bei den Amadeus Austrian Music Awards.

Doch der Traum findet ein schnelles Ende, als Sony den Vertrag wieder auflöst. Die Begründung: Man wisse nicht, wie man die Musikerin weiter vermarkten solle, da sie nicht dem deutschsprachigen Mainstream entspreche. AENGL findet sich plötzlich in einem unsicheren Zustand wieder: Auf der einen Seite genießt sie große Anerkennung in der LGBTIQ+-Szene Wiens, aber dennoch hat sie kein Management.

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Henrike Ott

AENGLs Musik lässt sich schwer einem Genre zuschreiben. Derzeit entwickelt sich die Künstlerin aus einem raplastigen Sound in Richtung elektronischer Popmusik mit Drum&Bass-Einschlägen. Sie selbst bezeichnet ihre Musik als „cuten Pop“, aufgrund ihrer Hautfarbe wird sie jedoch oft als Rapperin eingestuft, obwohl sie kaum noch rappt. Ihre Inspiration schöpft sie aus alltäglichen Erlebnissen, vom Weinen im Badezimmer bis zu den Bedrohungen und Beschimpfungen, die sie aufgrund ihres unkonventionellen Aussehens auf der Straße erfährt. Trotz allem möchte sie sich in ihrer Musik in vollkommener Authentizität zeigen und anderen dabei als Vorbild dienen. Mit ihrer Single „SLUT“ provoziert sie Kritiker:innen ihres Expressionismus.

Animiert von einen Liebhaber, der die Musikerin stets „Engel“ nannte, entsteht ihr Pseudonym: AENGL vereint bewusst die deutsche Sprache mit dem Umlaut „Ä“ und die englische Aussprache in seiner Schreibweise. Aufgrund ihres stark religiös geprägten Aufwachsens spielt sie gerne mit biblischen Wörtern und Symbolen. So stellt sie sich auf dem Cover der EP „Down Low“ als Jesus dar. Damit möchte sie auf Doppelstandards aufmerksam machen, die sie mit dem Christentum assoziiert.

Zu Beginn des Jahres 2023 veröffentlicht sie ihre neue EP „Heaven“. Ihr Konzept vom Himmel beschreibt einen Ort, an dem alle frei sind, ohne Furcht vor Verurteilung. Mit diesem Werk möchte sie diese Angst begraben und als furchtlose AENGL wieder auferstehen. „Because if you can’t treat me like a humen, treat me like a godess. And If you can’t treat me like a godess, then you understand that I’m a human and you will treat me fucking human“, erklärt AENGL ihren fortführenden Kampf um Akzeptanz.

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