„Du kannst das nicht!“ Gibt es einen Satz, den Frauen aus aller Welt häufiger gehört haben? Für die indische Rapperin Agsy war diese Aussage ein Ansporn, es mit der Karriere als Rapperin erst recht zu versuchen. Ihr Mut sollte sich auszahlen: Inzwischen zählt die MC zu den erfolgreichsten Female HipHop-Artists des Landes und hat 2020 mit ihrem Song „Danav“ mal eben indischen Horrorcore erfunden.
Agsy kommt 1997 als Agrita Dhawan in Faridabad, Haryana zur Welt, einer Millionenstadt etwas südlich von Neu-Delhi. Bereits mit zehn Jahren entdeckt sie Musik für sich. Ihre Eltern und drei Geschwister unterstützen sie in ihren Ambitionen, während der weitere Familien- und Freundeskreis nicht sonderlich viel Verständnis für die künstlerischen Gehversuche der jungen Agsy hat. „Es muss doch einen Grund geben, dass Mädchen nicht rappen“, heißt es da. Agsy ist es herzlich egal, was andere Frauen machen – sie will ans Mic. Zunächst will sie Popstar werden, Disney-Star Hannah Montana ist ihr Vorbild. Als sie allerdings MCs wie Snow tha Product und Nicki Minaj, die sie als wichtigste musikalische Einflüsse nennt, für sich entdeckt, ist klar: HipHop ist ihr Zuhause. 2016 droppt die Rapperin erste Tracks auf YouTube, nachdem sie bei einem Rap-Wettbewerb am College Blut geleckt hat. Ihre Debütsingle „Wasted Love“ ist bis heute auf ihrem Channel zu finden und lässt die raptechnischen Skills und starken Messages, die Agsy in den Folgejahren in die Welt hinaustragen wird, bereits erahnen. Zu diesem Zeitpunkt entsteht bei Agsy alles in DIY-Manier: “What I could have got done in a week took about two months”, sagt sie im Interview mit Yourstory.com. Ohne finanziellen Background ist sie auf den Support von Freund:innen angewiesen.
Als Gamechanger erweist sich Agsys Teilnahme bei der Rap-Realityshow MTV Hustle. Im Jahr 2019 schafft sie es dort in die Top 15. Das Geschlechterverhältnis von elf Männern zu vier Frauen kann man bestenfalls als „stets bemüht“ bezeichnen. Agsy landet, als höchstplatzierte Female MC, auf Platz sechs. Die Teilnahme an der Fernsehsendung macht sie dennoch im ganzen Land bekannt. Im Anschluss geht Agsy deshalb auf direktem Wege ins Studio und ballert seit zwei Jahren Single nach Single raus. Ihre Reichweite nutzt sie nicht nur, um zu zeigen, dass sie mit ihrer dunklen Stimmfarbe zu den krassesten MCs des Landes gehört. Auf ihren Tracks kritisiert sie auch das Patriarchat und Kindesmissbrauch. Als einzige MC in Indien rappt sie in drei Sprachen: Englisch, Hindi und Punjabi.
Musikalisch hat sich Agsy in den vergangenen Jahren ordentlich ausprobiert: Von eher oldschooligen Rap&B-Tunes wie „Robot“ ging es ab ihrer Solo-Single „Sherni“ deutlich düsterer, basslastiger und experimenteller zu. Mit „Manjean Da Pyaar“ findet sich eine EDM-Rap-Nummer in ihrer Diskografie. Von da aus war der Weg zum Horrorcore-Rap gar nicht mehr so weit.
Dass Agsy noch lange nicht fertig ist, zeigt ihr nicht abreißender Output, sei es in der MTV Hustle Corona-Edition „MTV Hustle from Home“, bei der sie zu sehen ist, Kollabos mit anderen Artists oder ihre #Freeversefriday-Reihe auf Instagram, bei der sie jede Woche ihren eigenen NewMusicFriday mit einem frisch geschriebenen Part feiert. Nicht nur in Indien, sondern auch in den Nachbarländern Nepal, Pakistan und Bangladesch ist Agsy als Künstlerin omnipräsent. Und sie zeigt allen Zweifler:innen ebenso wie der nächsten Generation Mädchen und Frauen: Du kannst das!