Regelmäßig tauchen wir bei 365 Female* MCs in die Welt des Seneraps ein und finden jedes Mal eine neue Lieblingskünstlerin. OMG, Mamy Victory, Aida Sock, Toussa – die Liste ist inzwischen lang. Mit unserem heutigen Portrait möchten wir in der Zeit zurückreisen und ein Trio vorstellen, das zu den Pionierinnen des HipHop Galsen zählt: ALIF.
Die Geschichte der senegalesischen HipHop-Szene beginnt, wie auch in Deutschland, in den 1980er Jahren. Genau wie hierzulande wird das westafrikanische Land mit dem Breakdance-Virus infiziert. Zahlreiche Tanzcrews formieren sich zu dieser Zeit. Einige von ihnen wenden sich später dem Rap zu. Senerap entwickelt schon früh politische Dimensionen und spielt bei den Wahlen im Jahr 2000 beispielsweise eine wichtige Rolle, um junge Wähler:innen zu mobilisieren.
Auch Marième Diallo aka Myrièm, Ndiaya Gueye aka Njaayaa und Oumy Ndiaye aka Oumy starten 1997 zunächst als Tänzerinnen, bevor ALIF als erste All Female Rapcrew in die Geschichte des Seneraps eingeht. Allein ihr Name ist ein Ausrufezeichen an die komplett männlich geprägte HipHop-Szene ihres Landes: ALIF steht für „Attaque libératoire de l’infanterie féministe“, zu Deutsch: „befreiende Attacke der feministischen Infanterie“. 1999 veröffentlichen die drei MCs ihr Debütalbum „Viktim“ und bringt damit einen nie dagewesenen feministischen Diskurs in den HipHop Galsen. Dafür bekommt das Trio viel Liebe, wird aber zugleich von einem wesentlichen Teil der Musikindustrie offen boykottiert. Innerhalb der Szene finden ALIF jedoch auch einige Allies. Altehrwürdige MCs und Rapgruppen wie Daara J, Awadi und Xuman laden die Crew und insbesondere Frontfrau Myrièm zu gemeinsamen Shows und Freestyle-Cyphers ein und öffnen ihnen wichtige Türen.
Ihr zweites Album „Dakamerap“ markiert den ersten internationalen Erfolg der Band. ALIF releasen es über das deutsche Label Out/Here Records und touren nach Veröffentlichung ausgiebig durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Italien, unter anderem auf Einladung von Greenpeace und der Friedrich-Ebert-Stiftung. In ihren Texten, die sie auf Französisch, Englisch und Wolof darbieten, setzen sie sich in erster Linie für Frauenrechte ein und thematisieren unter anderem Polygamie und Zwangsehen.
Als weniger konstant als die inhaltliche Ausrichtung von ALIF erweist sich die Besetzung der Band: Während Frontrapperin Myrièm und MC Oumy Konstanten im Trio sind, gehört zeitweise die Rapperin Mina alias Minar Sall zur Gruppe, die insbesondere in der deutschen Forschungsliteratur auch als Gründungsmitglied der Band benannt wird.1 Mina verlässt die Gruppe nach ihrer Heirat, weil ihr Mann sich gegen ihre Rap-Karriere ausspricht. 2006 wird Njaayaa von der Rapperin Mamy alias Ndèye Oumi Mbaye ersetzt, weil erstere eine Solokarriere anstrebt. In dieser finalen Konstellation veröffentlichen Myrièm, Oumy und Mamy 2008 das letzte ALIF-Album „Rareti“, auf dem die Band Rap mit Einflüssen aus dem beliebten senegalesischen Genre Mbalax kombiniert. 2010 gibt das Trio seine Trennung bekannt.
Es bleibt ALIFs Legacy: Als erste Female Rap Crew Senegals und wichtige Stimme des politischen Raps Westafrikas haben die Rapperinnen für nachfolgende Generationen ganze Wände zum Einstürzen gebracht und so Räume geschaffen. ALIF haben weit über die Grenzen ihres Landes hinaus Geschichte geschrieben, die gar nicht oft genug erzählt werden kann.
1 (Vgl. Heinrich: Rapper im Senegal: Die Botschaft der Straße, aus: Bock/Meier/Süß: HipHop meets Academia)