„Wild, da ist etwas von Freiheit, feurig, ein kleines Tier, instinktiv”. So beschreibt die Künstlerin Aloïse Sauvage ihren Namen. „Sauvage” ist französisch und steht für wild, ungezähmt – Eigenschaften, mit denen sich die Rapperin identifiziert. Anfangs wollte sie ein Pseudonym für ihre Kunst, aber Familie und Freunde rieten ihr davon ab: „Dein Name ist Aloïse Sauvage, du bist dazu geschaffen, auf der Bühne zu stehen, Künstlerin zu sein”.
Mit ihrer Kunst gilt die 28-Jährige als Multi-Talent. In ihren Songs zeigt sie sich vielseitig, schafft es, melancholische Worte zu leichten, tanzenden Rhythmen zu sprechen. Titel wie „et cette tristesse” und „méga down” werden durch elektrische Klänge ergänzt. Die Künstlerin hörte zur Entstehungszeit dieser Songs viele Afro-Beats und ließ sich durch die Sounds von Burna Boy inspirieren. Andere Songs wie „Tumeur” und „Papa” klingen eher gesungen und überzeugen vor allem mit vielen Emotionen.
Neben der Musik glänzt Aloïse Sauvage auch im Film, dem zeitgenössischen Zirkus und im Tanz. Ihre Liebe zur Kreativität begann bereits als Kind: Angefangen mit Querflöte, Saxophon und Schlagzeug hatte die Musik als erstes Platz in ihrem Leben. Mit elf Jahren begann sie dann HipHop-Tanzkurse zu besuchen. In dieser Zeit beschäftigte sie sich auch immer mehr mit Breakdance, Rap und Popkultur. Durch einen Wettbewerb der Fratellini-Akademie, eine der ersten Zirkusschulen Frankreichs, begann sie ihre Zirkus-Karriere und verbrachte dort drei Jahre.
„Jedes Mal wenn ich versuche, mich nur auf einen Bereich zu konzentrieren, hab ich das Gefühl, dass mir ein Stück Freiheit fehlt. Es hilft mir einfach, neue Dinge auszuprobieren, zu wagen. Meine größte Angst ist, stehen zu bleiben.”
Interview mit arte.tv
Für die Künstlerin steht es außer Frage, sich in Zukunft nur auf ein Genre zu beschränken. Die Musik sieht Aloïse Sauvage als Mittel, all ihre Leidenschaften zu vereinen. Auf der Bühne kann sie Video, Tanz und Musik miteinander kombinieren. Deshalb will sie sich in nächster Zeit mehr auf HipHop und Rap fokussieren. Vor allem im Film hat die Französin nämlich viel erreicht: Sie hat bereits in 13 Filmen und fünf Serien mitgespielt. Ihren Durchbruch verdankt sie dem Film „120 beats per minute”, der 2017 bei den Filmfestspielen von Cannes Weltpremiere feierte. Erst 2018 begann sie mit Songwriting und nahm kurz darauf am „Les Transmusicales de Rennes” teil, einem der bekanntesten Musikfestivals in Europa. Mit ihrem Song „Présentement” erlangte sie dort mehr Bekanntheit und blieb vor allem mit ihrer Performance in Erinnerung, bei der ihr Mikrofon an einem Seil von der Decke hing:
Die Single „Présentement” liegt Aloïse Sauvage ganz besonders am Herzen. Im Interview mit dem Radiosender TEEZ’ verriet sie, dass sich dahinter eine starke Liebesgeschichte verbirgt. Diese hatte jedoch kein Happy End und erzählt von Sehnsüchten, die sich nicht kontrollieren ließen. Die EP „Jimy”, welche sie 2019 herausbringt, sollte ihr Leben in Liedern erzählen. Der gleichnamige Song handelt von der Liebe, der Schwierigkeit, sich selbst zu lieben, andere zu lieben, auf diese Menschen zu hoffen oder sie zu verlassen: „, dass ich akzeptieren will, wer ich bin, dass ich mich selbst annehme, dass ich für das kämpfe, was ich zu sein glaube”.
Im Februar 2020 folgte dann ihr erstes Studioalbum: „Dévorantes”, das heißt Verschlingen, Verzehren. „Die Songs auf diesem Album sind super intim, ich habe wirklich meine Lebensgeschichte erzählt, aber auch einige schmerzhafte und traurige Dinge. Meine Sorgen verschlingen alles, meine Freuden, meinen Ehrgeiz und auch meine Liebe: alles verschlingt in mir, also werde ich auch verschlungen”, versuchte die Künstlerin den Titel im Interview mit Le Beau Bug Magazine zu erklären. Sie selbst war überrascht, wie schnell sie nach ihrer EP auch das Album produzieren konnte. Sie wollte die Energie, die sie noch in sich hatte, benutzen, fühlte sich, als hätte sie noch nicht alles gesagt: „Dieses Album repräsentiert die letzten zwei Jahre meines Lebens. Ich persönlich habe eine Reihe von Abwärtsspiralen durchgemacht und bin jetzt glücklich, aber ich hatte das Bedürfnis, diese Geschichte zu erzählen”.
Nach dem Album-Release hatte die Rapperin viel geplant, für eine ausgiebige Festival Tournee von Printemps de Bourges bis Vieilles Charrues standen bereits die Termine. Doch pandemiebedingt mussten alle 36 Konzerte abgesagt werden. Der lange Lockdown habe auch die Verkäufe ihres Albums lahmgelegt, erklärt Sauvage Le Parisien in einem Interview. Ein bisschen konnte sie die Zeit zuhause trotzdem für sich nutzen. Die Rapperin war vor allem auf Instagram sehr aktiv und konnte in der Zeit mehr als 20.000 neue Follower:innen gewinnen – für sie war das immerhin ein kleiner Erfolg.
Fast 72.000 Menschen folgen der Französin mittlerweile auf der Plattform. Gefeiert wird sie vor allem durch ihre Offenheit, wenn es um Themen wie Liebe, Freiheit, Emanzipation und Homosexualität geht. Die 28-Jährige bezeichnet sich selbst als queer und geht sehr offen mit ihrer Sexualität um. Ihr Song „Omowi” wird von ihren Fans bereits als LGBT+-Statement bezeichnet, der Titel ist nämlich als Wortspiel zu verstehen: Omowi steht für „Homo, oui!”.
Les pédés sont beaux // Schwuchteln sind schön
J’ai osé rêver que tout le monde enfin le voyait // Ich habe zu träumen gewagt, dass es endlich alle gesehen haben
Omowi // Omowi
L’arc en ciel brandi, t’es superb vas-y // Der Regenbogen geschwungen, du bist großartig, mach weiter
Die Künstlerin sieht sich jedoch lange nicht als politische Aktivistin. Mit ihren Songs will Aloïse Sauvage eher in die Herzen ihrer Fans treffen. Sie wünscht sich, dass sie sich in den Worten ihrer Texte wiedererkennen: „Ich möchte, dass sie besänftigt werden, während sie die Welt erobern wollen. Ich möchte, dass sie tanzen wollen. Dass ihnen zum Weinen zumute ist. Ich möchte, dass sie endlich etwas fühlen. Das ist es, was für mich zählt.” Jungen Künstler:innen rät sie, nicht darauf zu warten, dass sich jemand für sie interessiert. Sie sollen alles ausprobieren, experimentieren, Erfahrungen machen – das sei am Wichtigsten.