Amaani Yahya gilt als erste Rapperin aus dem Jemen. Sie ist in jedem Fall die erste, die über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangt hat. Rap bedeute für sie „eine Mission“, ein Mittel, um mit der jungen Generation zu kommunizieren und sich insbesondere für die Rechte von Mädchen und Frauen einzusetzen.
Amaani Yahya wächst in Saudi-Arabien auf und beginnt früh damit, ihre Gedanken in ihrem Tagebuch festzuhalten. Mithilfe von Filmen, Musik und unterstützt von ihrem Vater bringt sie sich selbst Englisch bei und schreibt bald auch in dieser Sprache. Sie findet Gefallen an Poesie und verpackt viele ihrer Zeilen in Reime. Amaani Yahya hört viel Rock und Metal, Rap interessiert sie eigentlich nicht wirklich, bis sie Lil Wayne entdeckt. 2010 kehrt sie in den Jemen zurück, um in der Hauptstadt Sanaa Zahnmedizin zu studieren.
There was a small coffee shop beside my house, where people would gather to talk about music and books. It was new to me because you don’t find people who want to talk about those things everywhere here. So, I used to go there every day.”
theguardian.com
Dass sie Rapperin geworden ist, sei eher ein Zufall gewesen, sagt Amaani Yahya selbst. In Sanaa verbringt sie die meiste freie Zeit in einem alternativen Kulturcafé in ihrer Nachbarschaft, wo regelmäßig Kunstveranstaltungen und Konzerte stattfinden. Eines Tages organisiert sie dort zusammen mit Freund:innen einen Jugendtreff und wird dazu überredet, auch selbst aufzutreten. Von einer Freundin auf der Gitarre begleitet, trägt sie erstmals Zeilen aus ihrem Tagebuch vor.
Dieser Gig wird ein großer Erfolg und verändert Amaani Yahyas Leben. Er führt zu weiteren Auftritten auf privaten Partys, sie erhält Einladungen von englischen und französischen Sprachinstituten, es folgen Zeitungsartikel, und auch die internationale Presse wird auf sie aufmerksam. Doch das öffentliche Interesse birgt natürlich auch Schattenseiten. Amaani Yahya entspricht sowohl vom Erscheinungsbild als auch vom Inhalt ihrer Texte so gar nicht den zunehmend konservativen Bild einer jemenitischen Frau. Sie rappt auf Englisch über Frauenrechte, Kinderheirat und sexuelle Belästigung.
People panicked – they saw pictures of me without a hijab or abaya. I got anonymous phone calls and threats. They said I should stop what I was doing, that it was haram and that I should be ashamed.”
theguardian.com
Da es zu dieser Zeit unter den Jugendlichen im Jemen cool gewesen sei, Englisch zu sprechen, sieht Amaani Yayha ihren Vorteil darin, weiterhin auf Englisch zu rappen, um ihre Generation besser zu erreichen. Außerdem sei ihr von Anfang an sehr wichtig gewesen, dass ihre Anliegen auch international verstanden werden könnten. Im Jemen wird ihr allerdings teilweise vorgeworfen, einfach westliche Künstler:innen zu imitieren, oder dass sie im Auftrag der USA der jemenitischen Jugend eine Gehirnwäsche verpassen wolle.
We don’t have a music industry, which supports young talent – especially foreign art. They say I am just copying Americans … it is not ‘Yemeni’. To me, that’s sad because art has no nationality.”
newint.org
Amaani Yahya lässt sich jedoch nicht beirren und tritt weiterhin auf. 2016 lädt Oxfam Arabia sie zu einem Projekt ein. Zusammen mit den Rappern:innen Meera Irshaid und Krist aus Jordanien sowie Rush Saifullah und Myam Mahmoud aus Ägypten nimmt sie einen Song anlässlich des Weltfrauentages auf. Dazu kommen die Musiker:innen im Libanon zusammen, wo sie syrische Flüchtlingslager besuchen und mit den Frauen vor Ort über deren Erlebnisse sprechen. Der Song vereint diese Eindrücke sowie die persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen der Künstler:innen.
People need to understand women can do things: they aren’t just born for marriage and children.“
gulfnews.com
Mittlerweile lebt Amaani Yahya in den USA, wo sie sich weiterhin für Menschenrechte und gegen jegliche Form der Diskriminierung engagiert. Wie und wo auch immer sie kann, macht sie zudem auf die Lage im Jemen aufmerksam, die sich leider stetig verschlimmert. Nachdem sie einige Zeit keine Musik machen konnte, ist sie seit 2020 Sängerin der Band Indkna, die aus fünf Frauen mit jemenitischen Wurzeln besteht und traditionelle arabische Klänge mit Jazz, HipHop und Electro vermischt. Auch hier schreibt Amaani Yahya über die anhaltenden Ungerechtigkeiten, denen Frauen auf der ganzen Welt ausgesetzt sind.