Auf diesem Blog sprechen wir immer wieder über Rapper:innen aus aller Welt, die auf den einschlägigen Social-Media-Plattformen – vor allem auf TikTok – plötzlich einen Hit landen und viral gehen. Bei manchen Artists hält der Erfolg kürzer, bei anderen länger an. Die US-Rapperin Ashnikko gehört zweifelsohne zu letzterer Gruppe. Mit der #StupidChallenge und dem dazugehörigen Song „STUPID (feat. Yung Baby Tate)“ erreichte sie in kürzester Zeit über 215 Millionen Views. Ja, richtig gelesen. Chartplatzierungen und einige Awards folgten schneller, als irgendjemand vorher hätte ahnen können. Pünktlich zu ihrem 25. Geburtstag erschien am 19. Februar dieses Jahres ihr Debüt-Tape „DEMIDEVIL“, der Track „Daisy“ daraus erreichte Platinstatus. Egal, was Ashnikko auch veröffentlicht: Dank ihrer einzigartigen Stimme und ihres auffallenden Styles sowie der entsprechenden Attitüde begeistert sie jedes Mal aufs Neue unzählige Personen. Nach all dem hat sich die aufstrebende Künstlerin nun zu einem Interview mit 365 Fe*male MCs bereit erklärt. Im Gespräch mit Ana Ryue spricht Ashnikko über ihren Stil, nostalgische 90er-Pop-Hits und den Druck, den die sozialen Medien auf das Tagesgeschäft von Künstler:innen ausüben.
Hey Ashnikko! Fangen wir mit etwas an, das gerade erst kürzlich geschehen ist: Halloween. Ich weiß, dass du Halloween unfassbar liebst. Was hast du es dieses Jahr gefeiert? Hast du es genossen?
Es ist tatsächlich mein Lieblingsfest! Ich liebe es, auf Süßes-oder-Saures-Tour zu gehen und Dinnerpartys mit sämtlichen Dingen mit Kürbisgeschmack zu veranstalten. Um Halloween herum ist für mich alles immer sehr hektisch, aber auf eine schöne Art und Weise, weil ich mich als all diese verrückten Kreaturen verkleiden kann. Dieses Jahr war ich eine Motte, für einen Livestream, den ich auf TikTok gemacht habe. Und dann war ich eine Spinnenbraut, also hatte ich eine Menge Spinnenaugen im Gesicht, und ich habe so ein 80er-Jahre-Madonna-Brautkleid getragen.
Das klingt megagut. Nicht nur an Halloween hast du einen sehr markanten Stil und ein auffälliges Erscheinungsbild. Ich denke, du bist einer der herausragendsten Künstler in der gesamten Musikszene, wenn es um dieses Thema geht. Hattest du so etwas wie eine Vision von deinem Erscheinungsbild, bevor du angefangen hast, Musik zu machen? Vielleicht gab es einen Anime oder ein Spiel, das dir im Kopf herumging und dich inspirierte?
Nein, definitiv nicht. Ich bin nicht so organisiert (lacht). Ich habe meinen persönlichen Stil sich auf jeden Fall selbst entwickeln lassen, und er war viele Jahre lang ein heilloses Durcheinander. Ich habe das Gefühl, dass ich meinen persönlichen Stil erst in den letzten drei Jahren wirklich gefunden habe. Da war keine Planung im Spiel, ich habe einfach die ganze Scheiße an die Wand geworfen und geschaut, was hängen bleibt.
Geht es bei deinem Style auch irgendwie um Emotionen?
Ja, auf jeden Fall! Im Moment befinde ich mich auf meinem fairycore-old-vicotrian-moodboard. Ich folge einfach meinem Herzen, aber mein Stil wird sich immer ändern, je nach meiner Stimmung.
Du hast nicht nur deinen eigenen Stil entwickelt, sondern auch ein wirklich großes Standing in der Popkultur. Du hast schon viele Features mit Künstler:innen gemacht, von denen du als Teenager selbst Fan warst. Hast du schon alle deine Ziele erreicht, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Künstler:innen geht? Oder gibt es jemanden, mit dem du unbedingt noch zusammenarbeiten möchtest?
Oh, ich würde wirklich gerne mit Dolly Parton arbeiten! Oder Joan Jett oder Nicki Minaj. Hoffen wir’s mal!
Hoffentlich! Du hast einmal gesagt, dass du keine männlichen Künstler gehört hast, bis du 16 Jahre alt warst. War es damals schwer für dich, queere und weibliche Vorbilder zu finden?
Ich meine, ich habe mir einfach alle Pop-Girlies angehört, als ich aufwuchs. Das sind alles queere Ikonen. Wie die Frauen, über die ich in der Frage zuvor gesprochen habe. Es gibt so viele starke Frauen in der Musik!
Und war es eine aktive Entscheidung, nur queere und weibliche Künstler zu hören? Oder ist es einfach passiert?
Ich habe in diesen Künstler:innen etwas von mir selbst gesehen. Vor allem habe ich etwas gesehen, das ich selbst einmal werden wollte. Sie haben mich so sehr inspiriert, ich selbst zu sein. Ja, das war wie ein Selbstvertrauensschub für mich als kleines, unbeholfenes Kind. Ich fing an, mich für Popmusik zu interessieren, als ich zehn Jahre alt war.
Eine Menge Musik von damals kommt jetzt wieder zurück, vor allem die 90er und 2000er Jahre. Genießt du dieses Comeback?
Ja, sehr! Es ist cool, dass das Zeug wieder da ist. Auch der Pop-Punk erlebt gerade seine Rückkehr. Ich bin begeistert, das zu sehen. Aber es ist schon seltsam, alt genug zu sein, um in diese Zeit zurückkehren zu können. Es ist so – Fuck, das ist schon so lange her? Aber ich mag es. Es ist schön, jeder liebt doch ein bisschen Nostalgie.
Ja, voll! Es ist nicht unbedingt die Musik, die zurückkommt, sondern auch die ganzen Erinnerungen und so.
Oh ja, genau!
Du hast einmal gesagt, deine Musik sei nicht als Parodie gedacht. Fühlst du dich manchmal missverstanden, was die Themen angeht, über die du sprichst, und wie du sie präsentierst?
Ich verstehe meine Musik und meine Fans verstehen meine Musik – das ist alles, das mich wirklich interessiert. Wenn die Leute es als Parodie auffassen oder es nicht mögen – das geht mich nichts an.
Vor allem, wenn man über psychische Probleme und tiefgründige Themen im Allgemeinen singt, ist es wichtig, ernst genommen zu werden, oder nicht?
Ich habe eine Menge Musik nur für mich selbst gemacht. Solange sie sich echt anfühlt und aus einem echten und authentischen Ort in mir kommt, habe ich das Gefühl, dass ich stolz auf sie sein kann. Das ist alles, was zählt.
Wenn du dich für den Rest deines Lebens zwischen dem Songwriting und dem Performen entscheiden müsstest, was würdest du wählen?
Ähm … also, wenn ich mich für das Auftreten entscheide, kann ich nur die Lieder aufführen, die ich bisher geschrieben habe?
Ja, genau.
Dann wahrscheinlich das Songwirting … das ist eine schwere Entscheidung. Ich liebe Auftritte von ganzem Herzen, aber das Schreiben war meine erste Liebe.
Du bist 2019 auf TikTok viral gegangen. In den letzten Jahren haben sich die sozialen Medien und das Internet im Allgemeinen stark verändert. Glaubst du, die aktuelle Entwicklung bringt neue Chancen für Newcomer:innen, oder wird es komplizierter?
Social Media ist nur ein Werkzeug! Die Kunst, die man hinter diesem Werkzeug hervorbringt, ist von Person zu Person unterschiedlich. Es kommt ganz darauf an, wie man es nutzt. Wenn Leute das System manipulieren können und es zu ihrem Vorteil nutzen – Respekt! Es kann wirklich ein großartiges Werkzeug für neue Künstler:innen sein. Aber man muss es auf eine nette, frische Art und Weise nutzen und nicht cringe sein.
Fällt es dir schwer, Content zu produzieren und ständig aktiv zu sein?
In den sozialen Medien aktiv zu sein, ist wirklich schmerzhaft. Es ist etwas, worüber ich nachdenken und mich dazu zwingen muss. Wenn es nach mir ginge, würde ich einfach jahrelang verschwinden und nur posten, wenn ich Musik herausbringe. Also, ja, es ist definitiv etwas, zu dem ich mich zwingen muss, mich damit zu befassen.
Würdest du Social Media also als Teil deiner Arbeit bezeichnen?
Oh ja, da fühlt sich alles wie Arbeit an. Das andere, wie Auftritte, Musik produzieren und so, das macht Spaß, das ist der Traum. Aber Social Media fühlt sich wie ein richtiger Job an.
Fällt es dir schwer, mit deiner Community in Verbindung zu bleiben? Es gibt Millionen von Menschen, die dir folgen und dir wahrscheinlich auch DMs schicken.
Ich finde es manchmal wirklich traurig, dass ich mit meinen Fans nicht auf einer persönlichen Basis kommunizieren kann. Ich kann nämlich nicht wirklich Kommentare lesen oder mich auf diese Weise bemühen, ohne meine Gesundheit zu schädigen. Aber ich denke, meine Fans wissen, dass sie mir wichtig sind und dass ich sie jeden einzelnen Tag meines Lebens zu schätzen weiß. Ich finde, es ist eine sehr schöne Community, sie sind alle so intelligent und lustig. Wenn wir uns bei Auftritten treffen, ist das der Höhepunkt der Tour.
Was war für dich die wichtigste Erfahrung in den fast drei Jahren als Vollzeitmusikerin?
Es ist wirklich schwer, einigen Dingen einen Wert beizumessen. Es hängt mit deinem Geist zusammen und damit, wer du als Person bist. Es ist ein schmaler Grat, wie ein Gang über eine Klippe. Es geht darum, Kunst zu machen, und das macht einem Freude, aber man muss herausfinden, was man der Öffentlichkeit mitteilen will und was man für sich selbst behalten möchte.
Es ist sehr wichtig, für sich selbst zu sorgen, vor allem, wenn so viel Druck auf einem lastet. Hat sich das auf deine kreative Arbeit ausgewirkt? Ist es schwer, wenn man den Druck hat, kreativ sein zu müssen?
Ja, ich meine, ich liebe es, kreativ zu sein. Ich habe den zusätzlichen Bonus, dass ich damit meine Rechnungen bezahlen kann. Ich liebe es, Songs zu schreiben und Bilder für meine Bühnenproduktionen zu kreieren. Es macht wirklich Spaß, Künstler:innen zu finden, mit denen ich zusammenarbeiten kann, und mit ihnen etwas zu erschaffen. Die letzte Tour war sehr aufregend, es gab eine Menge Bildschirmmaterial, und ich hatte Tentakel auf der Bühne und Styling-Boards. Es war schön, das alles zu haben. Es gibt einen Druck, kreativ zu sein, all das zu schaffen – aber ich liebe es einfach.
Interview geführt von Ana Ryue.
Transkribiert und übersetzt von Nelleke Schmidt.
Bildmaterial von Warner Music Germany.