Die schottische Rapperin Becca Starr gehört ganz klar zur Kategorie „Wie viele Talente kann ein einzelner Mensch eigentlich besitzen?“. Becca ist Sängerin, Rapperin, Produzentin und kümmert sich ganz nebenbei auch noch eigenhändig um all ihre Musikvideos. Was nach einem Haufen Arbeit klingt, ist für Becca schon seit Kindestagen ihre Bestimmung. Musik machen und damit persönliche Themen aufarbeiten gehört für sie zum Alltag – und dank einer Spendenaktion im Rahmen ihres neuen Albums hilft sie nicht nur sich selbst, sondern auch unzähligen anderen Frauen.
Becca Starr wird in Paisley nahe Glasgow geboren, wo sie beginnt Musik zu machen, bevor sie überhaupt vernünftig sprechen kann. In der Grundschule singt sie zwar im Chor, wird dort allerdings bereits im Alter von sieben Jahren herausgeholt. Es heißt, ihre Stimme sei zu besonders, um in der Menge unterzugehen. Momente wie diese lehren sie bereits in diesen jungen Jahren, an sich selbst und ihren Traum einer Musikerinnenkarriere zu glauben. Trotz ihrer immensen Angst vor Bühnenauftritten wagt sie mit 15 Jahren erste Schritte als Singer-Songwriterin. Im Jahr 2003 erscheint mit „Scarlet*“ ihr erstes offizielles Release. 2012, 2013 und 2018 veröffentlicht sie weitere Tapes, die sich heute nur noch auf ihrem Bandcamp-Account finden lassen.
Im August 2022 veröffentlicht Becca Starr in Zusammenarbeit mit dem Independent Label und Verlag About In Black Records ihr Album „Speak No Evil“ und bringt damit vielleicht das emotional schwerste Album ihrer bisherigen Karriere heraus. Wie auch schon bei vorherigen Releases kümmert Becca Starr sich eigenständig um Producing, Recording, Mixing, Mastering sowie die Videos und verschafft sich damit den kreativen Freiraum, den es benötigt, um Herzensangelegenheiten in Musik zu verpacken. Auf dem Intro des Albums hört man Becca weder singen noch rappen, stattdessen erzählt sie. Fast wie zu Beginn eines Hörbuches begrüßt sie einen auf ihrem Album und warnt schließlich: „Sit down and enjoy because it’s about to get strange!“
Was Becca Starr „strange“ nennt, nennen andere herzzerreißend. Der Kern ihres Albums ist geprägt von dem Suizid einer ihr nahestehenden Person und den damit einhergehenden Kämpfen mit der eigenen mentalen Gesundheit. So gibt sie Einblicke in ihre Biografie und darin stattfindende Traumata („I Forgot“), spricht über ihre Angst vor Autoritäten und daraus resultierenden Katastrophen wie dem Klimawandel („Tides“) oder die Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen („ITSDARKUPTHERE“). Sicherlich hilft so ein Album in erster Linie, den eigenen Schmerz zu verarbeiten und chaotische Gefühle zu sortieren, doch Becca Starr möchte nicht nur sich selbst, sondern auch anderen helfen.
Im Rahmen ihres Albumrelease-Konzertes veranstaltet Becca deshalb eine Spendenaktion zu Gunsten einer schottischen Hilfsorganisationen, die Frauen zur Seite steht, die häusliche Gewalt und Missbrauch erfahren. So werden unter anderem während des Konzertes Instrumente versteigert, der gesamte Erlös landet bei der Scottish Women’s Aid. Zusätzlich macht die engagierte Künstlerin auch explizit auf missbräuchliche Umstände gegenüber Frauen in der schottischen Rap-Szene aufmerksam.
That silence puts women in danger but also allows those guys to float about on our scene and their victims don’t and they won’t come to gigs because they are scared of bumping into someone who has battered them”
– Becca Star im Interview mit Scotsman
Bei solch einer wichtigen Charity-Aktion soll aber nicht in Vergessenheit geraten, dass auch ohne Spendenaktion hinter „Speak No Evil“ ein Album steckt, dass Gutes bewirken kann. So beschreibt Becca ihr eigenes Album als „[…] groovy for a reason, no matter how crazy the world gets, it’s still beautiful. It’s still groovy. And the same should be said for every human life”. Ohne das Album gehört zu haben, mag man kaum glauben, dass solch eine optimistische Message das Ergebnis einer Auseinandersetzung mit mentaler Gesundheit, Suizid und Zukunftsängsten ist. Wie auch immer ihr das gelingt – der Optimismus geht beim Zuhören unweigerlich auf einen selbst über.
Wer jetzt neugierig ist, dem sei Beccas selbstproduzierte Mini-Doku auf YouTube empfohlen. Rund 20 Minuten nimmt die Schottin ihre Zuschauer:innen mit auf eine Reise einmal quer durch ihre Karriere hindurch und erzählt dabei anschaulich, wie der Weg zu ihrem aktuellen Album aussah. Absolute Empfehlung!
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