„It’s tha chief“, rappt CHIEF ins Mic. Vor jeder Performance stellt CHIEF sicher, dass man sich diesen Namen merkt. Ein politisch unkorrekter Ghetto-Politiker, so bezeichnet sich CHIEF aus Dänemark auf der im Februar 2020 erschienenen Debütsingle „Gutter Intelligence“ selbst: CHIEF hat da soeben mit dem Recorden begonnen.
Erste Aufmerksamkeit gibt es wenig später im Sommer für die Interpretation des N.W.A.-Klassikers „Fuck Tha Police“. Als Reaktion auf die BLM-Proteste nach dem Mord an George Floyd verwebt CHIEF dessen in die Geschichte eingegangenen letzten Worte mit der legendären Hook: „I can’t breathe, fuck tha police“, rappt CHIEF knallhart.
Ebenfalls im Sommer 2020 erscheint eine 90s-R&B-inspirierte Single „I Ain’t Changed“ mit Rapper Alvarado. CHIEFs Skills scheinen auf diesem Track noch einmal stark steigern. Produziert hat das Ganze Okello, mit dem CHIEF gern zusammenarbeitet.
Das junge Talent wächst in Kopenhagen auf und hat Roots in Ost-Afrika. Seit dem 13. oder 14. Lebensjahr freestylet CHIEF, und wie das heute so ist, begann alles mit Freestyles auf dem Instagram-Profil. Selbst feiert CHIEF insbesondere Old-School-Rap, aber auch neuen, als Lieblingskünstler fallen etwa Tribe Called Quest, Da Brat, Schoolboy Q, YG und Biggie. Nun mischt CHIEF selbst mit einen oldschooligen Vibe, gepaart mit Mainstream-Sounds von heute, die dänische Rap-Szene auf. Schnell folgen einige Shows in Dänemark und sogar eine in Berlin.
Im Dezember 2020 veröffentlicht CHIEF die erste EP, auf der durchweg Freestyles zu hören sind. Nicht, dass die EP kein Textkonzept hätte, die Texte seien nie improvisiert gewesen, erklärt CHIEF in einem Facebook-Post, vielmehr seien es die überladenen Emotionen gewesen, und das Herz, das zu Wort kommen sollte. Im Interview erklärt CHIEF: „I found the process and concept of freestyling very freeing. I have been freestyling since I was 14 so for me freestyling is less of improvising and more of speaking my thoughts and feelings – the only difference is that it rhymes […] I do poetry.“
Folgerichtig nennt CHIEF die EP „RAW UNCUT“ und offenbart darauf eine Mischung aus oldschooligen HipHop-Vibes und zeitgemäßen Sounds. Die Texte darauf sind gespickt mit politischen Statements, mit denen CHIEF zum Nachdenken anregen möchte. Ohnehin seien viele Texte politisch und aktivistisch geschrieben, doch es gehe häufig auch um persönliche Themen. „I would say I’m often inspired by what happens in the world and in the world around me“, erklärt CHIEF, und noch mehr: „RAW UNCUT“ sei eine „ungemixte, ungemasterte und unfucked-wit-EP“. Die meisten dieser Songtexte seien Erst- oder Zweitaufnahmen, stammten alle von einem Ort, an dem CHIEF das Bedürfnis verspürte, Gefühle genau in dem Moment des Fühlens auszudrücken.
Aus einer weniger emotionalen Perspektive solle „RAW UNCUT“ zeigen, dass 2020 einige Herausforderungen und politische Dilemmata mit sich gebracht und einige verwirrt zurückgelassen habe. So roh und grob wie das Jahr 2020 klingt deshalb auch die EP. CHIEF habe die Notwendigkeit gefühlt, noch vor Jahresende etwas Gutes zu schaffen und gleichzeitig der Welt zu zeigen, dass Rap wenig mehr Aufwand benötigt „als ein paar gute Bars und einen YouTube-Beat. Das ist echter Rap.“
Dabei stellt sich die Frage, ob sich politische und gefreestylte Texte im Mainstream durchsetzen. Das müssen sie ja im Prinzip aber gar nicht. Die nächsten Schritte von CHIEF sollte man so oder so im Auge behalten. Ein Album ist jedenfalls fest binnen eines Jahres geplant.