Vier Tage Knast für ein bisschen Twerken auf Snapchat? Eine Anklage weil US-amerikanische Vorbilder in der eigenen Musik adaptiert werden? Ein erzwungenes Entschuldigungsschreiben für das Tragen von Hot-Pants auf der Bühne? Ihr glaubt, so etwas gibts im 21. Jahrhundert nicht mehr? Leider falsch. Die senegalesische Rapperin Déesse Major schlug sich innerhalb ihrer über zehnjährigen Karriere bereits mit all dem herum. Die in Dakar lebende Künstlerin ist seit einigen Jahren die Zielscheibe des sogenannten Komitees zur Verteidigung moralischer Werte im Senegal. Diese stark religiöse Vereinigung hat sich auf die Fahne geschrieben, die im muslimisch geprägten Senegal geltende Sutura, ein Gebot zur Einhaltung des öffentlichen Anstandes, durchzusetzen. Vor allem Sängerinnen und Tänzerinnen werden von dem Komitee streng überwacht und bei vermeintlichen Verstößen angeklagt. Für Déesse Major kommt eine solche Überwachung einer Unterdrückung gleich. Daher kämpft sie seit Jahren für mehr Gleichberechtigung im Senegal und fordert andere Künstler*innen auf, es ihr gleichzutun. Damit ist sie zu einer der umstrittensten Musikerinnen des westafrikanischen Landes geworden. Als sie 2016 verhaftet wurde, kam sie erst auf Drängen der internationalen Presse und Amnesty Internationals frei. Ihre Videos erreichen dennoch in guter Regelmäßigkeit über 100.000 Klicks auf YouTube.
In Zeiten, in denen meist als Afrotrap bezeichnete Musik von Drake bis RAF Camora mit aus Afrika stammenden Rhythmen und Melodien weltweit die Charts beherrscht, wirkt die Anklage des Komitees, Déesse Major verunreinige mit ihrem amerikanischen Einfluss die senegalesische Kultur, fast zynisch. Ein ausgeprägtes Rihanna-Fantum lässt sich bei Déesse Major allerdings weder in ihren Looks noch in ihrem Beat-Geschmack leugnen. Trotzdem hat ihre Dynamik zwischen weich gesungener Hook und hartem Rap-Part etwas sehr Eigenes. Auch in Frankreich hat die Senegalesin mittlerweile ein breites Publikum erreicht und spielt dort regelmäßig Konzerte. In letzter Zeit ist es jedoch zumindest auf musikalischer Ebene etwas ruhiger geworden um Déesse Major. Seit zwei Jahren hat sie keinen Song mehr veröffentlicht und tritt nur noch ab und zu live auf. Sich den Restriktionen in ihrem Heimatland und dem Komitee zur Verteidigung moralischer Werte geschlagen geben wird Déesse Major allerdings nicht. Sie wird weiter für Frauenrechte und Freiheit kämpfen: „Ich bin Künstlerin, ich muss meine Freiheit haben! Und das bedeutet, sich so anzuziehen, wie ich denke, oder so zu sprechen, wie ich denke.“