Das Internet verblüfft doch immer wieder. Da gibt es diese Frau, Elha de Fato. Sie stammt aus Guadalajara, der zweitgrößten Stadt Mexikos, bekannt nicht nur für Tequila und Mariachi, sondern auch für eine florierende Rap-Szene. Elha de Fato schreibt eigene Texte und rappt, seit sie elf Jahre alt ist. Schon seit Jahren stellt sie Musik ins Netz. Die ältesten ihrer Videos, die sich bei YouTube ausgraben lassen, haben teils bereits eine Dekade und mehr Jahre auf dem Buckel, und schon darin überzeugt sie mit Flow und Haltung.
Elha de Fato positioniert sich sehr entschieden in ihren Lyrics und mit Aktionen. Sie bezeichnet sich selbst als feministische Rapperin, steht entsprechend für Gleichberechtigung und Frauenrechte und gegen sexualisierte Gewalt. Regelmäßig tritt sie bei Veranstaltungen auf, die sich genau mit diesen Themen auseinandersetzen. „Yo soy la voz para todas aquellas que no pudieron hablar“, erklärt sie. „Ich bin die Stimme derjenigen, die selbst nicht sprechen können.“
Ihre Selbstbeschreibung bei YouTube schlägt in die gleiche Kerbe: „El poder de la palabra“, heißt es da, „la seducción y la atemporalidad son mios. Hip-hop, rap underground.“ Die Macht des Wortes, Verführung und Zeitlosigkeit schreibt sich Elha de Fato also auf die Fahnen und verortet sich im Rap-Untergrund ihrer Heimatstadt Guadalajara. Wortgewandt, erfahren, produktiv, engagiert: Man sollte doch wirklich meinen, Informationen über eine solche Frau sollten im Netz reichlich und mühelos zu finden sein.
Ja … versucht es ruhig selbst einmal. Spoiler: Mit viel Ausdauer werdet ihr ein (in Zahlen: 1!) Interview mit Elha de Fato finden, und warum dieses Gespräch 2019 am Rande einer offensichtlich nicht zu knapp befahrenen Straße stattfinden musste, so dass zwei Drittel der Worte in Motorengeräuschen absaufen, bleibt wahrscheinlich auf ewig das Geheimnis der Interviewerin.
Tatsächlich sind die öffentlich zugänglichen Informationen über diese Künstlerin ausgesprochen dünn gesät. Dabei scheint es gar nicht so, als würde sie mit persönlichen Details hinter dem Berg halten. Sehr freimütig erzählt sie bei Instagram von dunklen Phasen, die sie durchgemacht hat, beschreibt mit sehr plastischen Worten die Leere, Angst und Kälte, die sie zeitweise fest im Griff hatten. „Nichts für zarte Seelen“, gibt sie ihrem Video zu „Resurgir“ als Triggerwarnung mit. Mit Recht: Wer sich die blutige Darstellung eines Suizids ersparen möchte, überspringe den folgenden Clip besser …
… und lande direkt bei der frohen Botschaft, die ja eigentlich der Titel des Songs schon vorwegnimmt: Es geht um Wiederauferstehung. Der Tod behält nicht die Oberhand, weder im Video noch in Elha de Fatos Leben. „Ich habe geschafft, mich von den Gedanken, dem Gefühl, ich sei bedeutungslos, zu befreien“, schreibt sie. „Ich habe es geschafft, wieder aufzustehen, mich aus den Trümmern zu erheben, meine Dämonen zum Schweigen zu bringen.“
Die Kunst, die sie als ihre Rettung bezeichnet, lag eben dieser Dämonen wegen lange genug auf Eis. Schon 2019 oder 2020 habe sie angefangen, an „Naturalis“ zu arbeiten. Es dauert allerdings bis Februar 2023, ehe die EP das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Ein ausgesprochen produktives Frühjahr für Elha de Fato, die außerdem ein Kind erwartet. Einen „wesentlichen Beitrag zu ihrer Genesung“ habe ihr Sohn bereits vor seiner Geburt geleistet, betont sie: „Wir kamen vom Schmerz zur Heilung, von Verzweiflung zu Frieden, vom Sterben zum Neu-geboren-werden. Ich schwenkte vom Hass um auf Liebe, und dank der Musik machen wir hier weiter.“ Ein schönes Schlusswort, weil es eigentlich ja einen Anfang beschreibt. Es besteht also die berechtigte Hoffnung, dass das Internet in Zukunft doch noch Einiges lernt, über diese Elha de Fato. Es lohnt sich.