Spätestens seit diesem Jahr kennt wohl jede:r den Namen Eva B in Pakistan. Immerhin gilt sie als die erste weibliche Rapperin des Landes und zieht neuerdings auch international Aufmerksamkeit auf sich: Ihre jüngste Single „Rozi“, mitgeschrieben und produziert von der US-amerikanischen Musikerin und Komponistin Gingger Shankar, wird Anfang 2022 in der ersten Folge der neuen Serie „Ms. Marvel“ des gleichnamigen Comic-Imperiums gefeaturet.
I’ve always been a fan of Marvel, but if you had told me five years ago that we would be doing an Urdu hip-hop track with Pakistani and Indian influences for a Pakistani female superhero, I wouldn’t have believed it! ‘Rozi’ is an anthem for women’s empowerment and Eva B delivers.”
– Gingger Shankar zum Song selbst via Consequence.
Die Lyrics des Songs passen nicht nur erstaunlich gut zur Storyline der Serie, in der sich die Schauspielerin Iman Vellani in ihrer Rolle als muslimische Teenagerin Kamala Khan durch das Leben in New Jersey schlägt. Inhaltlich gibt es auch einige Parallelen zu Eva B selbst und all den Hürden, die die junge Künstlerin auf ihrem Weg zur Rapperin nehmen musste.
This is the effect of people’s words to me/ The difference is this thinking and worldview/ The world keeps talking/ But the courage to fly is the flight of destinations.”
Original: „Asar he ye mjhpe logon ki baton ka/ Faraq he ye soch or duniya ki nazron ka/ Duniya to bolti thi bolti rahegi ye/ Himmat ka he parwana parwaz he hoslon ka.” – Eva B in „Rozi“
Tatsächlich macht die heute 23-Jährige schon seit vielen Jahren Rap-Musik. Mit circa 13/14 Jahren schreibt sie ihre ersten eigenen Texte, nachdem sie zum ersten Mal mit der Power und Message hinter den Songs von Rapper Eminem in Kontakt kommt. Eva B wächst in Karatschi, der größten Stadt Pakistans, in der Gegend um Lyari auf – vorwiegend über viele Jahrzehnte bekannt für Gewalt, Drogen, Bandenkriminalität sowie die hohe Armut vor Ort. In den letzten Jahren ist jedoch ein deutlicher Wandel in Lyari wahrzunehmen. Die heranwachsenden, jungen Generationen prägen das Image des Viertels neuerdings viel eher mit einem unermüdlichen Willen nach Veränderung und ihrer Kreativität. HipHop spielt auch hier eine wichtige und empowernde Rolle unter den jungen Menschen.
Through my rap I wanted people to hear my story and the story of women in Lyari. I come from a place where only a few girls got to work and my society doesn’t consider a girl who raps to be respectable – I wanted to challenge that.“
– Eva B im The Guardian
Tatsächlich muss das junge Rap-Talent, das sich alle Skills via Internet selbst beigebracht hat, hartnäckig für ihre Liebe zur HipHop-Kultur kämpfen. Nachdem ihre Familie von ihrer Leidenschaft erfährt, reagiert insbesondere ihr jüngerer Bruder alles andere als begeistert. Rappen gehöre sich seiner Meinung nach nicht für eine Frau.
Zwar legt Eva B daraufhin zwischen 2015 bis 2019 eine offizielle Pause ein und verspricht ihrer Familie gegenüber keine weiteren Rap-Videos von sich ins Internet hochzuladen oder gar irgendwo live zu performen, an neuen Songs schreibt sie dennoch die ganze Zeit weiter. Bis zu dem Zeitpunkt als im Jahre 2019 plötzlich Patari, Pakistans größte Musikstreaming-Plattform bei ihr anklopft und mit ihr den Song „Gully Girl“ aufnehmen möchte. Mehr als zwei Jahre führt Eva B daraufhin eine Art Doppelleben: Sie geht wieder heimlich ins Studio, nimmt neue Songs auf und arbeitet an ihrer Rap-Karriere, während sie zuhause erzählt, sie gehe zur Universität oder besuche Freund:innen. Das anstrengende Versteckspiel zahlt sich letztlich aus: Die Produzent:innen von Coke Studios, einem Format von Coca Cola, in dem seit 2008 die größten Musikstars des Landes vorgestellt werden, melden sich bei Eva B. Kurzerhand entsteht der Track „Kana Yaari“ zusammen mit Kaifi Khalil (Gesang) und Wahab Ali Bugti (an der Tambura) und katapultiert den Namen der MC nahezu über Nacht in alle Medien des Landes.
Als erste Rapperin Pakistans stellt Eva B an sich schon eine kleine Sensation dar, hinzu kommt die Tatsache, dass sie auf Urdu sowie in der belutschischen Sprache schreibt und rappt – Aspekte, die ihr als Teil der pakistanischen Minderheit der Belutschen wichtig sind. In diesem Zusammenhang gehört es für sie mittlerweile auch zu ihrer künstlerischen Identität dazu, dass sie sich stets nur vollverschleiert zeigt – bis vor ein paar Jahren war das eher noch eine familiäre Bedingung, die an sie gestellt wurde.
Entgegen all der Ressentiments hat Eva B ihren Weg als Rapperin geebnet – auch auf internationaler Ebene – und agiert damit als wichtiges Vorbild innerhalb der Rap-Szene Pakistans. Man kann nur hoffen, dass in nächster Zeit noch viele weitere starke und empowernde FLINTA*-Stimmen folgen werden. In einer Sache sind wir uns jawohl alle einig: Rap ist sowas für FLINTA*!