Kommt das Thema brasilianischer HipHop zur Sprache, muss man über Flora Matos reden. Zwar hat die 31-Jährige bisher nur ein Album veröffentlicht, ihre musikalische Karriere reicht allerdings schon bis in ihre frühe Kindheit zurück. Flora Maia Matos stammt aus einer Musiker*innenfamilie, ihr Vater ist der Komponist Renato Matos. Flora stand zum ersten Mal mit vier Jahren auf der Bühne der Band Acarajazz, die ihren Vater bei seinen Tourneen durch Brasilien begleitete.
Schon früh versuchte Flora Matos, sich aus dem musikalischen Schatten ihres Vaters zu lösen. 2002 nahm sie mit 13 Jahren an Breakdance-Battles teil. Mit 17 trat sie zusammen mit DJ Brother auf und wurde zur besten Sängerin Brasiliens gewählt. Sie legte in verschiedenen Clubs in São Paulo auf, 2008 folgte ihre erste Headliner-Tour durch Frankreich, Spanien und Portugal.
Nach ihrer ersten Europa-Tournee begann Flora Matos 2010 mit den Arbeiten an ihrem Debütalbum, die sich sieben Jahre hinziehen sollten. Grund dafür waren vor allem Abstimmungen mit den Produzenten, wie Matos der brasilianischen Noisey verriet: „Viele [der männlichen Produzenten] wollen nicht versuchen, dich zu verstehen. Und wenn das, was du sagst, nicht mit dem übereinstimmt, was sie denken, geben sie am Ende auf. Dass das Ego eines Mannes die ‚Bestellung‘ einer Frau annimmt – einer Frau, die er nicht ficken kann oder will – scheint praktisch unmöglich zu sein.“
Am 7. September 2017, dem brasilianischen Unabhängigkeitstag, veröffentlichte Flora Matos ihr Debütalbum „Electrocardiograma“. Es ist ein Tagebuch ihres Leidens nach dem Ende einer langjährigen Beziehung, erzählt aber auch davon, wie sie die Liebe zu sich selbst wiederentdeckt und das Erlebte verarbeitet.
Die brasilianischen Medien nehmen Flora Matos’ Debütalbum überwiegend positiv auf. Ihr Alleinstellungsmerkmal sei, nicht über politische (feministische) Themen zu rappen, sondern persönliche Geschichten nahbar und einfühlsam zu erzählen. Darauf angesprochen, sagt die Rapperin im Noisey-Interview: “Ich bin, was ich bin. Vielleicht zeigt sich mein Feminismus mehr auf mein Verhalten im Alltag und meiner Haltung, als in meinen Texten.“
Autonomie ist Flora Matos wichtig. Das verdeutlicht sie nicht nur mit ihren Texten, sondern auch mit ihrer Arbeitsweise. Sie will selbst bestimmen, wie ihre Musik klingt. Deshalb ist es ihr wichtig, auch an der Produktion ihrer Songs beteiligt zu sein: „Es sei denn, ich höre einen fertigen Beat und sage: Wow, ich möchte auf genau diesen Beat schreiben und muss nichts daran ändern“, sagt die Brasilianerin Noisey.
Ein Blick auf ihr Soundcloudprofil verrät, dass sie sich in einem ständigen Schaffensprozess befindet – neben dem Album „Elecrocardiograma“ veröffentlicht sie unzählige Freetracks, Remixe und Feature-Parts.
Die Texte der Brasilianerin handeln von ihrer Gefühlswelt und von den ständigen Veränderungen in ihrem Leben. Dabei bleibt sie immer authentisch, nahbar und äußerst vielseitig. Singt sie auf einem Song selbstbewusst und so, als könne ihr niemand etwas anhaben, zeigt sie sich auf dem nächsten Track verletzlich oder als nervliches Wrack. Und nicht nur die Texte sind die einer Ausnahmekünstlerin, auch musikalisch hat Flora einen einzigartigen Vibe gefunden. Von Trap über R&B bis hin zu akustischen Tracks mit Samba-Rhythmus, bei Flora Matos ist alles dabei. Ihre Musik lässt sich vielleicht noch mit Akua Naru vergleichen: Auch Flora Matos zeigt eindrucksvoll, das HipHop Poesie ist, und die kann wunderschön sein. Viva Flora!