In Polen hat Aleksandra Głowińska alias Guova eine Vorreiterrolle inne, die in vielen anderen Ländern der Welt so nicht möglich wäre. 2017 entsteht urplötzlich ein riesiger Hype um die Rapperin, als sie bekannt gibt, beim polnischen Ableger von Sony Music einen Vertrag unterschrieben zu haben. Normalerweise ist die HipHop-Welt im konservativen Polen streng von Major-Labels und einer breiteren Medienöffentlichkeit abgekoppelt. Innerhalb der Rap-Szene wird Rap von Frauen wiederum häufig als eigenes Genre gefasst und systematisch gegenüber der Musik männlicher Kollegen abgewertet. Dennoch überzeugt Guova mit ihrem eklektischen Sound das Major-Label und wird als eine der ersten Rapper:innen des Landes zum Popstar. Über 15 Millionen Aufrufe zählen ihre Videos auf YouTube mittlerweile.
Als ihre Karriere 2011 mit ersten Uploads auf Soundcloud beginnt, ist von ihrem späteren Weg allerdings noch nichts zu sehen. Mit gerade einmal 19 Jahren kommt Guova nicht mit der Welle an misogynen Hass-Kommentaren klar, die ihr auf sämtlichen sozialen Medien entgegenschlägt. „Ich habe nächtelang geweint,“ erklärt sie 2019 auf Instagram. Dort setzt sie sich mittlerweile gegen den vielen Hass im Internet ein und wirbt für Nächstenliebe. Im damals jungen Alter habe sie noch nicht die Tragweite solcher Kommentare erkannt und diese für ganz normal gehalten, schreibt sie weiter. Sie fordert eine klarere Aufklärung für junge Menschen im Umgang mit dem Internet und vor allem mit solchen Kommentaren, die im Zweifelsfall bis in den Selbstmord führen können.
Musikalisch zeichnet sich Guova vor allem durch eine gut ausbalancierte Mischung verschiedenster Genres aus. Ihre Ausgangspunkte bleiben dabei allerdings immer Rap und 90 bpm. Was darüber hinaus passiert, ist schwer zu kategorisieren und häufig grundverschieden. Mal experimentiert die Polin mit Dubstep und elektronischen Einflüssen, dann setzt plötzlich eine zuckersüße Autotune-Hook ein. Die Musik von Guova kennt keine Grenzen, ihr unbestreitbares Talent in Sachen Flow und Style ebensowenig.
Nachdem sie bis 2017 mehrere EPs und Mixtapes über ein kleines Label in die Welt hinauslässt, folgt schließlich ihr großes Debüt-Album mit dem passenden Titel „Headliner“. Am Ende des Tages sind es allerdings Guovas unzählige unabhängig von einem größeren Projekt veröffentlichte Singles, die sie musikalisch ausmachen. Die Freiheit einfach zu machen, ohne an einen großen Kontext zu denken, funktioniert für die Rapperin einfach am besten. Ihr erster richtiger Hit lässt sich so auch schon auf das Jahr 2013 datieren, als der Song „Smutno czy nudno“ erschien, dem sie am Ende auch ihren Major-Deal verdankte.
Für internationale Verhältnisse mag es absurd klingen, aber von ihrer Musik leben kann Guova trotz Major-Deal und Millionen von Klicks 2017 noch nicht. In einem Interview verrät sie, dass sie an „Headliner“ meistens in der Nacht gearbeitet hat, während von 8 bis 18 Uhr Broterwerb auf dem Programm stand. Dennoch möchte Guova keinen Tag tauschen. Obwohl sie in einigen Interviews doch noch einen Wunsch für die Zukunft parat hat: Sie will Fußball-Kommentatorin im Fernsehen werden. Das wäre auch eine interessante Vorreiterrolle: rappende Fußball-Kommentatorin.