Wie viele 19-Jährige kennst du, die schon in Berlin, Frankreich, Guinea und New York City gewohnt, eine Boiler Room Session gespielt, für das New York Philharmonic Orchestra Stücke komponiert und diverse Designerklamotten über italienische Laufstege gelaufen haben? Nicht viele? Die in Berlin geborene Sängerin und Rapperin Hawa hat alles davon gemacht und das in nicht einmal einem Jahr. Ein Album hat sie noch nicht veröffentlicht. Eine acht Songs starke EP schwirrt seit März diesen Jahres durch die unendlichen Weiten des Internets und verdreht seitdem Journalist:innenköpfe aus Häusern wie Pitchfork, Complex oder Vice.
Aber beginnen wir doch am Anfang. Hawa wird in den frühen 2000ern in Berlin geboren und landet dann über Zwischenstationen in Frankreich und Guinea in New York City. Den Schritt nach NYC geht die Familie weder aufgrund von beruflichen Entscheidungen der Eltern noch wegen Verwandten in der Stadt oder ähnlichem. Tatsächlich ist es die erst elf Jahre alte Hawa, die ein Musik-Stipendium im Big Apple an Land zieht. Kurze Zeit später wird sie zur jüngsten Komponistin des New York Philharmonic Orchestra und tourt mit dem klassischen Ensemble um die Welt.
Mit 15 hat Hawa klassische Musik durchgespielt und Pop-Musik muss her. Sie fängt mit hartem Soundcloud-Rap an. Langsam beginnt sie neben der Schule Songs zu schreiben und stellt 2018 erste Musik ins Internet. Zu diesem Zeitpunkt ist aus dem harten Rap-Entwurf eine deutlich smoothere Nummer geworden. Natürlich dauert es nicht lang, bis Journalist:innen und Labels auf sie aufmerksam werden. Da Hawa nicht in die Fänge eines Major geraten möchte, signt sie bei dem frisch gegründeten Label B4, der kleinen Schwester der Indie-Instanz 4AD aus Großbritannien. Ihre Debütsingle „Might Be“ wird gleichzeitig zur ersten Veröffentlichung des Labels, das sich auf die Fahne geschrieben hat, die Stars von Morgen auf ihren ersten Schritten zu begleiten.
Straighte Rap-Musik macht Hawa definitiv nicht mehr. Viel eher rührt sie sich ihr eigenes R&B-Süppchen mit reichlich HipHop-Zutaten. Spielend leicht wechselt sie von Rap zu Gesang, ohne dass man als Zuhörer einen Übergang heraushören könnte. Ihre EP, die im Übrigen den vielsagenden Titel „The One“ trägt, wurde derweil komplett vom der New Yorker Untergrund-Koryphäe Tony Seltzer produziert. Inhaltlich erzählt Hawas Debüt vor allem von Liebe: Von leichten Flirts mit einer fremden Frau an der Bar über leidenschaftlichen Sex bis zur toxischen Beziehung füllt sie sämtliche Lücken des Themenspektrums. Am besten eignen sich ihre Songs allerdings dann doch für das Liebesspiel, wie Hawa selbst in einem Interview verschmitzt eingesteht. Recht hat sie.