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Hurricane G

Hurricane G

Eine Frau, die sich traut, Redman über den Mund zu fahren, in seinem eigenen Song: Von dieser Sorte hat man anno 1993 noch nicht allzu viele getroffen. Mit ihrem Cameo-Auftritt in „Tonight’s Da Night“ schnauzt sich Hurricane G allerdings direkt in die Herzen der HipHop-Heads, obwohl sie da noch nicht einmal rappt:

„Yo! Yo, Redman!“, pflaumt sie ihren Kollegen an. „Man, what the fuck, man? Get the fuck off that punk smooth shit, man. Get with the rough shit man, you know how we do.“ Spätestens jetzt sollte klar sein, wo der Hammer hängt. (Hint: nicht bei Redman.) Was für ein Einstand!

Als im November 2022 die traurige Kunde die Runde macht, dass Hurricane G mit nur 52 Jahren ihrer Krebserkrankung erlegen ist, trauern zwar Oldschooler:innen und Eingeweihte. Den Bekanntheitsgrad, der dieser Frau eigentlich zugestanden hätte, hat ihr Name jedoch nie erreicht. Wenn sich eine Sache wie ein roter Faden durch ihr Leben gezogen hat, dann der Fluch, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein.

Geboren 1970 in Brooklyn, bleibt Gloria Rodriguez ihrem Barrio zeitlebens treu. Genauso fließend wie Englisch spricht sie Spanisch. Ihr Nuyorican-Dialekt verrät sie allerdings sofort als New Yorkerin puertoricanischer Abstammung.

Schon früh beginnt Gloria zu rappen. Ihren Vornamen kürzt sie auf die Initiale herunter, der sie, ihrem Temperament entsprechend, einen Wirbelsturm voranstellt: Als Hurricane G fegt sie mitten hinein in die aufblühende Rap-Szene der frühen 1990er.

Als erste (und einzige) Frau gehört sie der Hit Squad an, dem Kollektiv, das Erick Sermon und Parrish Smith, das E und das P aus EPMD, um sich scharten. Als die Gruppe nach dem Split von EPMD ebenfalls auseinanderbricht, bleibt Hurricane G zusammen mit Redman bei Erick Sermon, mit dem sie, wie sie selbst es ausdrückt, „more personal than business“ verbindet, eine „all around relationship“: Die beiden haben eine gemeinsame Tochter.

Die Hit- mutiert zur Def Squad, und noch immer ist Hurricane G das einzige weibliche Mitglied. An schnörkelloser Direktheit nimmt sie es allerdings locker mit jedem Kerl auf: Technik, um der Technik Willen gibt es bei ihr nicht. Hurricane G operiert stets ohne Umschweife, immer geradeaus.

Ihr Style und ihre Botschaft kommen an: Schon 1994 unterzeichnet Hurricane G einen Plattenvertrag bei Capitol. Doch, wie eingangs erwähnt: falsche Zeit, falscher Ort. Das Label muss mit massiven Budgetkürzungen zurechtkommen, in den Sparmaßnahmen gerät Hurricane G unter die Räder. „Politics and personal stuff“, bleibt sie, angesprochen auf die Verzögerungen, vage.

Drei Jahre dauert es, bis sie eine neue Labelheimat findet: John ‚Jellybean‘ Benitez, übrigens einer der ganz frühen Supporter einer gewissen Madonna, nimmt sie Anfang 1997 bei seinem Label H.O.L.A Recordings unter Vertrag, das seinem Namen – home of latino artists – damit alle Ehre macht. Hurricane G zahlt das in sie gesetzte Vertrauen mit einem Hit zurück: „Somebody Else“ schafft den Sprung in die Top Ten Hot Rap-Singles der Billboard Charts.

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Im September veröffentlicht Hurricane G bei H.O.L.A. ihr Debütalbum „All Woman“. Schon der Titel lässt die feministische Grundhaltung durchblicken.

Immer wieder begegnet man Hurricane G fortan in unterschiedlichster Gesellschaft: Sie hat Featureparts in Songs von Xzibit, Tony Touch, Puff Daddy und Redman, dem sie in „We Run N Y“ vollends die Butter vom Brot nimmt. „Tough, sexy, crude, cool“, urteilt die Kritik.

Während auf den von Hurricane G getrampelten Pfaden Rapperinnen und Künstler:innen unterschiedlicher Geschlechter mit lateinamerikanischem Background gen Erfolg rauschen, hat sie selbst wenig von ihrer Pionierinnenleistung: Erst 2013, fast zwanzig Jahre nach ihrem Debüt, erscheint mit „Mami & Papi“ ihr zweites Album, das weitgehend unter dem Radar bleibt.

Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit schafft sie es erst wieder, als es buchstäblich schon fast zu spät ist: Im Mai 2022 gibt ihre Tochter bekannt, ihre Mutter leide an Lungenkrebs im Endstadium. Wenige Monate später bestätigt Erick Sermon ihren Tod: „Sie war eine Legende der ganz besonderen Art in der HipHop-Community“, schickt er ihr warme Abschiedsworte hinterher. „Sie war eine der ersten rappenden Puertoricanerinnen, sie gehörte zu den besten Rapperinnen ihrer Zeit. Sie wird fehlen, überall auf der Welt.“ Amen.

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