Schwedens HipHop-Szene erlebt, ähnlich wie in Deutschland, eine Flut an weiblichen MCs, die gefühlt aus dem Nichts aufpoppen und schnell deutlich machen, dass sie nicht zu unterschätzen sind. Eine dieser Frauen ist Fatima Jelassi, 23 Jahre alt, aufgewachsen in Farsta, einem Randgebiet Stockholms. 2018 taucht sie erstmals mit einem Part auf Michel Didas Song „20 Lax“ auf, und noch im selben Jahr legt sie ihre erste eigene Single „Inte Konsti“ nach. Ein Jahr später erscheinen zwei musikalisch treibende, positive Nummern: „Keff Båt“ und „Powerpuffstil“. Im Oktober 2019 folgt ihre Debüt-EP „Port 43“.
„Port 43“ wirkt im Vergleich zu den vorab veröffentlichten Singles deutlich düsterer, schwerer und bedachter. Den Stimmungswechsel begründet Jelassi damit, anderen Menschen Mut machen zu wollen und zu zeigen, woher die junge Künstlerin ihre Positivität zieht. Gerade ihre verworrene Familiengeschichte spielt hierbei eine enorme Rolle.
When you’ve had a fucked up childhood, there is a lot of confusion. They are ashamed of some of the stuff you’ve been through […] But I do know that I am not alone in this, it has become a source of security for me, and I know that there are more people who are going through this and would like to hear it.“
Via Jellypages
Jelassi muss, wie viele andere auch, früh erwachsen und eigenständig werden. Deswegen fühlt sie sich auch eher mit Menschen verbunden, die ein paar Jahre älter sind als sie selbst. Ihre Freunde bedeuten ihr sehr viel, Jelassi betrachtet ihren Freundeskreis eher als ihre Wahlfamilie.
My friends are my family. I sometimes feel I have a stronger bond with them than with my actual family. I’m not totally sure why, I’d say I trust them more.“
Via RedBull
Letzten Endes ist es auch diese Wahlfamilie, die sie überhaupt dazu beflügelt, Musik zu machen. Jelassi hat zwar immer schon die Idee davon im Kopf, hat aber lange das Gefühl, es sei einfach nichts für sie. Eine besondere Rolle spielt von Beginn an Produzent Nisj. Bei ihrem Kennenlernen geht es nicht direkt um Arbeit, Songs zu schreiben und Produktivität. Das erste halbe Jahr treffen sich die beiden nur zum Reden. So entsteht eine enge und für Jelassi sehr wichtige Bindung. Nisj gibt Jelassi ein Gefühl von Geborgenheit, ein Zustand den sie von zu Hause nicht kennt. Das ermutigt sie zusätzlich, ihre ersten Bars zu schreiben.
Verständnis und Verbundenheit spielen für den musikalischen Prozess von Jelassi eine nahezu unumstößliche Rolle. Ihr ist wichtig, ein starkes Miteinander zu erleben und das Gefühl zu haben, mit der Person auf einer Wellenlänge zu sein. Diesen daraus resultierenden Vibe erlebt man auch deutlich in ihrer Musik. Gerade in den Songs „Vem Kann Ta Den?“ und dem letztens erschienenen „Cappuccino“ mit Sängerin und Rapperin L1NA spürt man förmlich, wie Euphorie und Freude überschwappen. Dafür braucht es keine Sprachkenntnis.
Jelassis Stärke ist, in ihrer Person und Musik Ernst und Humor zu verbinden. Ernste Themen werden nicht von „Gute-Laune-Musik“ verdrängt. Andererseits schafft sie Raum, um die positiven Seiten im Leben zu zelebrieren.
Aktuell arbeitet Jelassi an ihrem Debütalbum. Wann es erscheinen soll, ist aber noch nicht bekannt.