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Kara

Kara

Heute Abend lädt mich dein Boy zum Abendessen ein“

(„ce soir ton boy m’invite à dîner“) Kara auf Facebook

Karas Ansage ist unmissverständlich: Sie demonstriert Selbstsicherheit, Souveränität und Humor. Wenn männliche Rapper sich ständig auf die Freundin oder Mutter ihres Gegenübers beziehen – warum nicht umdrehen? Dieser Akt der gespiegelten Provokation ist nicht neu. Genauso wenig wie die Tatsache, dass auch fe*male MCs mit materialistischen Statussymbolen spielen, um ihr Revier abzustecken. Auch bei Kara fließt im Video zu  „Aprés minuit“ der Dom Perignon und fliegen die Dollar-Scheine durch das Hotelzimmer. Weibliche Selbstermächtigung, sagen die einen. Wiederholung der kapitalistischen Erzählung vom sozialen Aufstieg, die anderen. Sobald Kara jedoch mit ihrer Girls-Gang vor einem Wohnblock abhängt, ist das retardierende Moment da. Es geht um ein gutes Leben für alle – also eben auch Champagner für alle. Und ein bisschen Representer-Shit natürlich auch.

Das kann Kara aus Haiti ziemlich gut. Zu fast allen Veröffentlichungen, gibt es elegant gefilmte, opulente Videos. Mit einer Ästhetik, die an Nicki Minaj erinnert, gibt sich Kara als sexy Powerfrau. Ähnlich zur amerikanischen Referenz, begleitet ein edgy Augenzwinkern die luxuriöse Selbstinszenierung. Wie bei Nicki Minaj soll die Video-Präsenz nicht von dem Eigentlichen ablenken: Hier ist eine talentierte MC am Start, die ihr Handwerk versteht. Sanft und unaufgeregt, rappt sie ein Freestyle-Feuerwerk über treibende Trap-Beats. Kara versteht es, ihren Flow einzusetzen und mit Pausen zu spielen. Dazu eine dezente Einbindung von Autotune-Elementen, die in Kombination mit dem Glitzer und Glamour der Videos eine mysteriöse Melancholie verströmen.

Zukunft in Bewegung“

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(„L’avenir en marche“) HAÏ Remix, Kara

Kara rappt nicht auf Kreyòl, sondern auf Französisch. Produktion und Vertrieb laufen ebenfalls größtenteils über französische Strukturen. Was nicht heißt, das Verweise auf ihr Herkunftsland fehlen. So hat die junge Rapperin in einem ihrer neuesten Tracks „Pikliz“ nach einer haitianischen Gewürzmischung benannt. Im „HAÏ Remix“ setzt sich Kara mit den politischen und ökonomischen Verhältnissen in Haiti auseinander. Kolonialgeschichte und ehemalige Sklavenwirtschaft prägen den Inselstaat nach wie vor. Diktaturen, Korruption sowie diverse geopolitische Interessen bedingen strukturelle Gewalt und Armut vor Ort. Kara spricht sich gegen Krieg aus und formuliert eine kämpferische Perspektive mit dem Wunsch nach einer besseren Zukunft. In den Youtube-Kommentaren feiern Fans die haitianische Rapperin für diesen selbstermächtigenden Track.

Seit 2019 veröffentlicht Kara unermüdlich Singles, wobei das vor knapp einem Jahr erschienene Stück „Pikliz“ die bislang letzte Auskopplung darstellt. Eine EP oder ein Album gibt es noch nicht. Laut ihrem Instagram-Profil jedoch befindet sie sich zurzeit im Studio. Wir dürfen gespannt sein, wohin der selbstbewusste Style und die elektrisierende Attitüde Kara noch bringen. Der Dom Perignon soll bitte noch lange weiter fließen.

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