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Keko

Keko

Anschnallen, wir starten eine Achterbahnfahrt: Schwindelnde Höhen und finsterste Täler, Triumph und Tragik wechseln sich in Kekos Karriere rasant ab. Klammern wir uns also an die Chronologie, um bei Aufstieg und Fall (und Aufstieg und Fall und neuerlichem Aufstieg …) von Ugandas unbestrittener HipHop-Queen nicht komplett den Überblick zu verlieren.

Am 3. Juni 1987 kommt in Tororo, im Osten Ugandas nahe der Grenze zu Kenia gelegen, ein Mädchen zur Welt: Jocelye Tracey Keko. Den letzten Namen erhält sie von ihrer Großmutter, „er bedeutet ‚früher Morgen‘, weil ich zu dieser Zeit geboren wurde.“ Kurz, prägnant und passend, wird sie ihn später als ihren Künstlerinnennamen benutzen. „Meine Mutter stammte aus Tororo“, erinnert sich Keko im Interview mit theworld.org an ihre Kinderzeit, „mein Vater aus Kimusu in Kenia. Ihn habe ich allerdings nie getroffen.“ Da ihre Mom bei einem Frachtunternehmen in Kampala arbeitet, pendelt Keko mit ihr zwischen Tororo und Kampala hin und her. „In Uganda sagt man, ich war ihr Handtäschchen: Wo immer sie hinging, nahm sie mich mit.“

Allerdings währt dieser Zustand nicht lange: 1994 stirbt die Mutter. Keko, nun quasi Vollwaise, landet bei ihren Tanten, wieder in Tororo. Immerhin führt sie der Verlust zum HipHop: In Rap-Texten, die sich um Verlust und Tod drehen, findet sich das junge Mädchen wieder. Unentwegt hört sie Musik, meistens Singles. „Eine davon war ‚Dear Mama‘ von 2Pac, was mich aus offensichtlichen Gründen sehr berührt hat. In der Highschool kam 50 Cents Album ‚Get Rich Or Die Trying‘ dazu. Ich hab‘ das gehört, dachte mir: Das ist wirklich nices Zeug – vielleicht kann ich das selbst auch versuchen?“

Eine gute Idee, wie sich herausstellt. Zunächst schließt Keko aber die Schule ab und beginnt an der Makerere University in Kampala ein Bachelor-Studium. Den ersten Fuß ins Musikgeschäft setzt sie als DJ, bald jedoch fängt sie an, eigene Tracks zu produzieren. Die Reaktionen auf ihre frühen Demo-Aufnahmen geben den Ausschlag, die Sache ernster anzugehen. Davon künden auch die Namen der Kolleg:innen, die sie sich als Role Models auserwählt: Unter Michael Jackson, Whitney Houston und Lauryn Hill macht Keko es nicht.

Wieso auch? Zum Tiefstapeln ist diese Frau wirklich nicht geboren, wohl aber dafür, alle anderen blass aussehen zu lassen, sobald sie ein Mic in der Hand hält. 2010 tritt sie erstmals auf einem Track in Erscheinung. Von den Kollegen, die an „Fallen Heroes“ ebenfalls mitwirken, oder dem aufgefahrenen Kinderchor spricht später kaum noch jemand, alle staunen nur über Kekos Part, ihre Lyrics, die Delivery, ihre schiere Präsenz. Klar, dass ihre Durchbruchsingle nicht lange auf sich warten lässt: Kein Jahr später reißt Keko mit „How We Do It“ alles ab.

Ein ganzer Kontinent verliert schier den Verstand. Keko schießt in die Charts, läuft auf MTV Africa rauf und runter, Konzerne rennen ihr mit dicken Werbedeals die Bude ein. Die damalige Newcomerin macht Reklame für Pepsi, für Mountain Dew und unterzeichnet 2012 einen internationalen Plattenvertrag beim Branchenriesen Sony. Einladungen zu Festivals, die es obendrein hagelt, bringen noch eine weitere Facette von Kekos Talent ans Licht: Sie erweist sich als die geborene Liveperformerin. Die Aufwärtsspirale läuft wie geschmiert.

Mit der nächsten Single unterstreicht Keko, dass sie mit der neu gewonnenen Reichweite auch etwas Sinnvolles anzufangen weiß: Auf „Alwoo“ (zu Deutsch: Hilfeschrei) erzählt sie die Geschichte einer misshandelten Frau, die sich aus ihrer furchtbaren Lage befreit und zu Stärke und Selbstsicherheit findet. „Nicht meine eigene Story“, erklärt Keko, „aber eine, die ich in meinem Umfeld sehr oft sehe.“ Häusliche Gewalt, Sexismus und alle hässlichen Blüten, die diese Kombination treibt, bezeichnet sie als weit verbreitetes Problem:

Das passiert in Afrika, jeden Tag, immerzu. Diese ganze Misogynie, und Frauen sind einfach nicht dazu erzogen, aufzustehen und dagegen aufzubegehren. Einen solchen Song, der häusliche Gewalt thematisiert, hat es vorher einfach nicht gegeben.“

– Keko im Interview mit theworld.org

Spätestens jetzt gilt Keko nicht mehr nur als Queen of Rap. Sie dient als Inspirationsquelle für Frauen, die sich in die männerdominierte ugandische Musikszene vorwagen, für Frauen allgemein, die für ihre Rechte einstehen wollen, und nicht zuletzt für die queere Community. Für ständig schwelende Gerüchte, Keko sein lesbisch, sorgt allein schon ihr Auftreten. Mit dem hypersexualisierten Stil, den etwa Nicki Minaj spazieren trägt, kann sie gar nichts anfangen. „Ich war immer ein Tomboy“, erinnert sie sich. „Das ist irgendwie lustig, sogar meine Tanten auf dem Dorf, die sehen mich heute an und sagen: ‚Ach, so war die schon immer. Wir haben das immer schon gewusst.'“

„Ich bin ziemlich sicher: Das ganze Land weiß, dass ich gay bin“, erklärt sie 2017. „Sie sind vielleicht noch in der Verleugnungsphase, ich aber nicht. Ich spreche es aus, weil es eine ganze Menge Kids da draußen gibt, die immerzu gesagt bekommen, das sei so eine ‚westliche Sache‘, die sie sich bloß in irgendwelchen Filmen abschauen würden. Ich spreche es aus, weil diese Leute endlich ein Leben in Freiheit führen müssen. Das hier ist Afrika, wir sind noch weit davon entfernt. Aber so sehen die Leute: ‚Wenn Keko keine Angst hatte, offen für das einzustehen, was sie ist, dann kann ich vielleicht auch einfach ich selbst sein.'“

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Die Verblüffung von Kekos Interviewpartnerin angesichts dieser Offenheit hat einen Grund: 2014 wurde in Uganda die Gesetzeslage verschärft. Homosexualität ist im Land verboten, es drohen jahrelange Gefängnisstrafen. Ein weiterer Stressfaktor für Keko, der der Rummel um ihre Person ohnehin schon irre viel Druck beschert. Eine Depression in Verbindung mit Drogen und Alkohol leistet ganze Arbeit. In dem Jahr, da die Künstlerin auf dem Zenit ihres Erfolgs, zerbricht sie vor aller Augen. Entzug und Therapie folgen, zwischendurch auch die Auszeichnung zum Female Artist of The Year bei den UG Hip Hop Awards. Für Keko bleibt aber in erster Linie die bittere Erkenntnis: „Ruhm kann schrecklich sein, wenn er dir zu Kopf steigt.“

Wieder trocken und clean, engagiert sie sich in Anti-Drogen-Kampagnen. Auf Dauer hält Keko aber nicht durch. Wiederholt vereiteln Rückfälle ihre Comeback-Versuche. Als sie sich mit einem trotzigen Tweet, ihr homosexueller Arsch befinde sich nun endlich in Freiheit, aus ihrer neuen Wahlheimat Kanada meldet, hat die breite Masse in Afrika Keko bereits abgeschrieben. Trotzdem verursacht Anfang 2022 ein Video, das die Künstlerin in bedenklich schlechter Verfassung und sichtlich unter Rauschmitteleinfluss zeigt, genug Betroffenheit unter ihren verbliebenen Fans, um die Polizei auf den Plan zu rufen. Dass es nach dem vor laufender Kamera erfolgten Einsatz monatelang still um Keko wurde, ließ Schlimmstes befürchten.

Entwarnung gab erst vor wenigen Wochen ein Radiointerview. Eine wieder hörbar stabilere Keko erzählt da tatsächlich von neuen Projekten: „Ich habe Filmproduktion in Kanada studiert“, lässt sie wissen. „2019 habe ich an der Toronto Film School meinen Abschluss gemacht. Dann kickte allerdings Covid rein, und ich konnte nicht arbeiten.“ Inzwischen habe sie mehrere Drehbücher in der Hinterhand, ihr Fokus liege nun erst einmal auf der Filmemacherei. Eine Rückkehr zur Musik schließt sie jedoch auch nicht aus.

Für alle Frauen, die in der Unterhaltungsindustrie Fuß fassen wollen, hat Keko einen Rat parat: „Respektiere dich selbst, das ist das Wichtigste.“ Sonst noch etwas? Ja: „Kümmer‘ dich um deine Kunst, aber verlier‘ darüber auch nicht die Businessseite aus den Augen.“ Ladys, hört auf diese Frau. Sie weiß wahrlich, wovon sie spricht, und sie hat es auf dem ganz harten Weg gelernt.

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