Über die 24-jährige Rhomy scheint das Internet nicht besonders viel zu wissen. Immerhin kennt man sie in den sozialen Medien und in der lokalen Musikszene in Dijon, Frankreich unter dem Künstlerinnennamen Kharay. Ein erster Blick auf ihr Instagram-Profil bestätigt diesen Eindruck zunächst und lässt ihn dann doch rasch über Bord fallen: 27 Posts, circa 1800 Follower:innen und knapp 700 Profile, denen sie selbst folgt. Palmen, Selfies, Gesangsvideos – ingesamt wirkt alles ästhetisch ohne großartige Message. Denkt man! All das, was Kharay auf ihrem Profil mit der Welt teilt, stellt eine ganz bewusst getroffene Auswahl genau der Dinge dar, die sie in ihrem alltäglichen Leben und Schaffensprozess inspirieren und begeistern. Sie selbst beschreibt sich als Musikstudentin, Rapperin, Sängerin und Musikerin. So kommt auch ihr Künstlerinnenname nicht von ungefähr, sondern leitet sich von dem französischen Wort für Karibik „Caraïbes“ ab. Er verweist einerseits auf ihre Wurzeln auf der französischen Karibikinsel Guadeloupe und soll andererseits – in Anlehnung an das Wort „Kawaii“ (jap. „süß, niedlich“) – ihre tiefe Begeisterung für Japan zum Ausdruck bringen.
Die Fotos, die sie postet, sind so bunt, wie das breit gefächerte Spektrum ihrer Interessen. Neben Insights in ihr musikalisches Schaffen, unter anderem in Form von Momentaufnahmen aus ihrem eigenen Studio im Studentinnenzimmer, postet Kharay Stories von Naturbildern mit Bibelversen oder motivierenden Texten. Darüber hinaus übt sie sich außerdem als Food-Bloggerin und spielt in einer Band namens Kharay and the waves. Doch wie ist das junge Sprachtalent, das neben ihren Muttersprachen Französisch und Kreolisch auch Songs auf Englisch produziert, zu der vielschichtigen Künstlerin geworden, die sie schon heute ist? Woraus schöpft Kharay ihre Inspiration und Motivation? Immerhin steckt sie zur gleichen Zeit auch noch mitten im Musikstudium an der Université de Bourgogne.
Aufgewachsen in einer Musiker:innen-Familie beginnt ihre musikalische Reise schon im Kindesalter. Die Gitarre ist dabei das erste Instrument, das sie auf ihrer Reise begleitet, bevor sie zum Keyboard wechselt und schließlich im zarten Alter von acht Jahren durch Missy Elliotts „Lose Control“ auf die Spuren des HipHop und R&B gelangt. Ihre Vorliebe für eben jene Musikrichtungen begründet sie vor allem in deren Flow, den sie als wellenartig mitreißend empfindet und in dem sie musikalischen und melodischen Reichtum verortet. Mit den Jahren findet sie ihre Vorbilder immer mehr auch in anderen Künstlerinnen, wie Nicki Minaj oder der französischen Rapperin Diam‘s. Kharay sieht sie als Wegbereiterinnen für ihre eigene Kunst, da sie vorbildhaft ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Erwartungen unzensiert über Themen wie mentale Gesundheit und Wut auf das System sprechen. Und Wut hat Kharay allem voran auf das Musikbusiness, in dem ihrer Meinung nach viel zu oft zu wenig Wert auf Talent und Qualität gelegt wird.
Si tu perds le kick comment ils peuvent cliquer sur ça
Kharay in ihrem Song „Sa An Ka Fè“
Si tu perds le kick comment ils peuvent te cliquer“
(dt. „Wenn du den Kick verlierst, wie können sie dann noch darauf klicken
Wenn du den Kick verlierst, wie können sie dann noch auf dich klicken“)
Musik zu machen, dient Kharay als Ventil für ihre Emotionen im Alltag. Es hilft ihr dabei, zu sich zurückzufinden und sich gleichzeitig auf die Werte zu besinnen, die sie mit ihrer Musik an andere Menschen herantragen und diese so inspirieren möchte. Dabei schwingt immer die Verbindung zu ihrer Heimatinsel mit, deren Sprache Kreolisch sie sich insbesondere in von starken Emotionen getriebenen Momenten bedient. Wie sie in einem Interview mit dem Musikmagazin Karavibes Mag erklärt, erscheint ihr die französische Sprache dafür oft zu höflich.
Die Pandemiezeit nutzt Kharay, um sich weiter zu professionalisieren und an ihrem ersten Album, das voraussichtlich noch 2022 erscheinen soll, zu arbeiten. Die ersten beiden Songs „LMR“ und „Sa An Ka Fè“ sind bereits veröffentlicht. Die Chancen stehen also gut, dass wir dieses Jahr noch mehr von Kharay zu hören bekommen.