„K I’m mortal“, die aktuelle Single vom Kimmortal, bzw. K!mmortal, macht neugierig auf das dritte angekündigte Album, das noch 2022 erscheinen soll. Ich selbst lerne jeden Song gerade kennen und komme nicht von der LP „X marks the swirl“ (2019) los. Sie wirkt fast hypnotisch auf mich – auf eine inspirierende, tröstende und empathische Weise. Vom ersten gesungenen Wort bis zur letzten Melodie bin ich eingenommen von K!mmortal’s art attack. Damit meine ich, wie durch jeden Track spürbar wird, welche Emotionen they beschäftigen und wie durchdacht alles – vom ersten Wort bis zur Covergestaltung – zusammenpasst. Ein Spiegelbild quasi des inneren Wachstums und der vielfältigen Ausdrucksweisen von K!mmortal. Das Songschreiben und das Musikproduzieren sind nicht die einzigen Betätigungsfelder von K!mmortal. They ist außerdem Visual Artist, betätigt sich künstlerisch und performt.
Durch die Themen von „X marks the swirl“ bis zu „K I´’m mortal“ scheint sich ein roter Faden zu spinnen. So geht es in den Lyrics um Selbstakzeptanz, Mental Health, um die Reflexion des eigenen Seins, das Auflösen binärer (Geschlechter-)ordnungen, Liebeskummer anzuerkennen, zu trauern und doch toxische Beziehungsmuster zu überwinden. Das Musikmachen ist für K!mmortal eine Möglichkeit, um Ruhe zu finden. Theirs Inspiration findet K!mmortal u.a. in der Natur. Ein paar selbst aufgenommene Samples von fließenden Bächen eröffnen beispielsweise den Song „Stars“ zusammen mit JB The First Lady und Missy D. Diese Klänge werden durch Songtitel wie „Ice Palaces“ auch ins Metaphorische überführt. Hier geht es um Kolonialismus und Unterdrückung. So sehr K!mmortal Kunst liebt, so sehr weiß they auch wieviel es handwerklich und psychisch gerade von queeren BIPOC-Artists abverlangen kann, Musik zu veröffentlichen und sich überhaupt durch das Planen von Projekten finanziell abzusichern. Davon handelt der Song „Breathe“. Er soll durch all diese Höhen und Tiefen führen und bündelt die Kraft, welche they aus their Community zieht und die they zurückgeben möchte. Durchatmen, Pause machen, es wird alles gut gehen.
Mit der Selbstbezeichnung als „queer non binary filipinx healer“ schreibt sich K!mmortal in die Filipino-Diaspora ein. Diese erinnert an die philippinische indigene Community. Als derzeitigen Wohn bzw. Wirkungsort schreibt Kimmortal auf der Homepage:
I am a second generation settler on the unceded unsurrendered traditional territories of the Coast Salish peoples of the xʷməθkwəy̓əm (Musqueam), Skwxwú7mesh (Squamish), and Səl̓ílwətaɬ (Tsleil-Waututh) Nations… Vancouver, BC, so called Canada.
https://kimmortalportal.com/aboutme
Hier weist K!mmortal auf die Kolonialgeschichte Kanadas hin. Dazu ein kleiner Exkurs: Als „Healer“ oder „Babaylans“ gelten hier Personen, die durch die Verbindung mit der spirituellen Welt Kraft schöpfen und die Heilkunde praktizieren, Hellsehen oder Meditieren. In der heutigen Zeit wird die Bezeichnung Babaylan sowohl in den Städten der Philippinen als auch in den philippinischen Diasporagemeinden von denjenigen verwendet, die sich von dem Geist inspirieren lassen, in dem die ersten Babaylaner:innen oder Healer ihre Arbeit verrichteten: dem Geist der Revolution gegen die Kolonialisierung, ihrem Glauben an die heilige Ganzheit, ihrer Liebe zum Mutterland und dem Wunsch, ihren Gemeinschaften bei der Verwirklichung von Gerechtigkeit und Frieden zu helfen. Diese Rahmung und die Verbindung mit den eigenen Vorfahr:innen findet sich musikalisch auch in der Anwendung von Kulingtan, einer Reihe horizontal gelagerter Buckelgongs, die auf der südphilippinischen Insel Mindanao als führendes Melodieinstrument gespielt wird.
Dessen Arrangement wirkt auch in den Songs von K!mmortal energetisch und befreiend. Außerdem solidarisiert sich K!mmortal generell mit marginalisierten Gruppierungen, wie auf dem gemeinsamen Song „Solidarity “(2020) mit dem Rapper Gabriel Teodros deutlich wird.
Der Song „Sad Femmes Club“ (2018) ging aktuell viral, nachdem die US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez, häufig auch AOC genannt, ihn auf TikTok mitrappte. Im US Supreme Court wurde gerade Ketanji Brown Jackson als erste Schwarze Richterin ernannt. Im Rahmen jener Nominierung wird ihr ständig ihre Kompetenz abgesprochen. AOC rappt die Hook mit: „If I lose my shit right now, will I just be dismissed?” Dies sorgte bei K!mmortal für mehr Follower:innenzahlen, K!mmortal fasst den Song daraufhin wie folgt zusammen:
My track Sad Femmes Club served as an outlet to reflect back that rage and frustration aoc and many of us have felt when experiencing or witnessing blatant racism, sexism, homophobia, etc. in a system that wasn’t built for us.
Instastory von am K!mmortal 26./27.03.2022
Das gesamte Kunstwerk von K!mmortal hat Preise verdient, die hoffentlich noch kommen werden. „The X marks the swirl“ stand zumindest schon auf der Longlist für den Polaris Award, wurde von CBC (CBC/Radio-Canada ist die staatliche Rundfunkgesellschaft Kanadas. Sie wurde im November 1936 gegründet und sendet in den beiden Amtssprachen Kanadas Englisch und Französisch sowie in acht Sprachen der indigenen Bevölkerung.) als eines der 19 besten Alben des Jahres 2019 ausgezeichnet und war in der Kategorie „HipHop und Rap” für die Breakout West Music Awards 2020 nominiert. Außerdem durfte K!mmortal für einige their Lieblingskünstler:innen den Support spielen, darunter Shad K, Ruby Ibarra, Saba, Bif Naked, Saul Williams und Gabriel Teodros. Zusätzlich war they Headliner beim Winnipeg Pride Festival.
Wer nun neugierig geworden ist, setzt sich am besten die Kopfhörer auf und taucht in K!mmortals Portal ein. Neben „The X marks the swirl“ gibt es weitere Songs des Debüts „Sincere“, 2014 bei Cox Records erschienen, zum Nachhören und Augenweiden an Illustrationen und Zeichnungen.