Die spanischsprachige Rapperin Leymy, bürgerlich Alondra Lizeth Luna Rodriguez, wurde in Ciudad Juárez, Mexiko, nahe der US-amerikanischen Grenze geboren. Sie wuchs in Guadalajara, der Hauptstadt des Bundesstaates Jalisco auf, der drittgrößten Metropolregion des Landes. Ihre mexikanisch-urbane Herkunft ist ein bestimmendes Motiv in Leymys Musik, die sie seit Ende 2015 zunächst unter dem Imprint Comagno Records auf YouTube veröffentlichte. Leymy repräsentiert in ihren Songs und Musikvideos ihre Herkunft aus einem sozialen Brennpunkt und die Cholo-Culture, eine in den 1960er Jahren in Kalifornien entstandene Hispanic-Subkultur, die das von der weißen Mehrheitsgesellschaft für einkommensschwache, kriminalisierte mexikanischstämmige US-Immigranten verwendete Wort „Cholo“/“Chola“ reclaimte und als Symbol des Stolzes auf die eigene Herkunft, Kleidung und Kultur umdeutete. Die Cholo-Subkultur schwappte von den USA nach Mexiko und bot dort ebenfalls eine Identifikationsfläche für Menschen in ähnlich prekären Lebenslagen. In Leymys Musikvideos gibt es entsprechend eine gute Dosis Chola y Cholo-Style mit reichlich grauen Flannellhemden, weißen Tanktops, weiten Dickes-Pants, Lowridern sowie vielen Gangsigns und Tattoos zu sehen – eine Ästhetik, die man auch aus frühen Westcoast-Rap-Videos von bspw. Snoop Dogg in den 90ern kennt, der als Kalifornier den Stil lokaler Hispanics adaptierte.
„Yo representando el ghetto“: In ihren Lyrics thematisiert Leymy das Leben auf der Straße im mexikanischen Problembezirk und erzählt von Bandenkriminalität und Waffengewalt, ungeschönt und rough, aber kämpferisch und stolz auf ihre Herkunft und den dort erlernten Codex des Viertels – wie in ihrem ersten Musikvideo „Las Reglas De La Calle“ („Die Regeln der Straße“, 2016). Das Video hat bis dato über 1,6 Millionen Aufrufe auf YouTube, ähnlich wie ihre beiden weiteren Videosingles „De Donde Salí“ („Woher komme ich?“) und „Doble Cara“ („Doppelgesichtig“).
„Doble Cara“ veröffentlichte Leymy 2018 bereits auf einem neuen YouTube-Kanal und gab mit dem Release des Videos gleichzeitig ihren Rückzug aus der Welt der Musik und Medien aufgrund von privaten Problemen bekannt, da sie sich von dem musikalischen Umfeld, das sie seit dem Beginn ihrer Karriere begleitete, hintergangen fühlte. Eventuell hat auch die Geburt ihres Sohnes einen Reflektionsprozess bei Leymy angestoßen. 2017 widmete sie ihm und allen alleinerziehenden Müttern bereits das Lied „Vida cruel“ („Grausames Leben“).
Ganz konnte Leymy die Musik jedoch nie hinter sich lassen. Nach sporadischen Live-Shows und Features in den letzten Jahren veröffentlicht sie seit Ende 2020 über ihren mittlerweile dritten YouTube-Kanal wieder eigene Songs (dies nun immer mit selbstgewählter Altersbeschränkung für ihre expliziten Inhalte). Zum Glück für ihre Fans und solche, die es noch werden könnten, denn Leymy beherrscht von melodischen Gesangs-Passagen bis rasanten Doubletime-Rapabfahrten ein unglaublich breites Repertoire an Skillz und verschafft damit ihrem Umfeld und den sozialen Misständen der mexikanischen Gesellschaft breitenwirksam Gehör. Seit 2020 gibt es ihre drei erfolgreichsten und einzigen Videosingles auch auf Spotify. Man kann nur hoffen, dass Leymy an diese Erfolge in Zukunft anknüpfen kann, das Talent dafür hat sie definitiv. Die Straße scheint sie allerdings nicht ohne Weiteres loslassen zu wollen. Madre de dios, la chola está loca.