Mit ihrer Zusammenarbeit mit großen Namen wie Stylo G und Ms Banks machte sich Lisa Mercedez einen Namen in der britischen Dancehall-Szene, erst kürzlich auch als Supportact für die UK-Tour von Nicki Minaj. Es stellt für sie jedoch auch keine Herausforderung dar, neben Dancehall auf Grime oder Reggaebeats zu rappen, ohne dabei die jamaikanischen Einflüsse zu vernachlässigen: „I can jump on any beat. I’ll jump on a hiphop beat or a grime beat and you can still hear that Jamaican sound coming from me.“
Lisa Mercedez wurde 1986 in Kingston, der Hauptstadt Jamaikas, geboren. Die Beziehung zu ihrer Mutter fehlte, ihr Vater zog sie allein groß, bis er im Jahr 2002 starb. Kurz nach diesem einschneidenden Erlebnis entschied sie sich, ihr Leben auf den Kopf zu stellen und nach London auszuwandern. Drei Jahre später, im Alter von 19, begann sie in England mit dem Musizieren und erfand dafür ihren Künstlernamen, der als Hommage an ihren Vater dienen sollte: Lisa als Anlehnung an ihren bürgerlichen Vornamen Alicia, Mercedez hingegen als Erinnerung an ihren Vater, der zu seinen Lebzeiten stets von seiner besonders großen Liebe zum Mercedes-Benz-Modell W201 erzählte. Diese Erinnerung sei so sehr hängengeblieben, dass sie diesen Bestandteil mit in ihren neuen Lebensabschnitt nehmen wollte.
In London baute sie schnell Beziehungen zu den Labels 3 Beat Records und Up-Tempo Records auf, durch den Kontakt zu Stylo G wurde sie zusätzlich das erste und einzige weibliche Mitglied der Warning Crew. Losgelöst von diesem Kollektiv veröffentlichte Lisa Mercedez 2014 ihre Debüt-Single als Solokünstlerin. Direkt im Anschluss legte sie eine Pause ein, woraufhin die Fans zwischenzeitlich vermuteten, sie habe ihre Karriere niedergelegt. 2017 erschien sie jedoch zurück auf der Bildfläche, im Gepäck ihr erstes Mixtape „Boss Girl Circle (BGC)“. Parallel zu diesem und damit verbundenen Releases entschloss Lisa Mercedez, den Dancehall-Untergrund endgültig verlassen zu wollen. In den folgenden Monaten konzipierte sie ihren Sound speziell für das britische Radio und trat diverse Male mit Covern oder Freestyles bei sämtlichen relevanten Sendern des Landes auf. Ihr Plan funktionierte, bereits im Februar 2018 erreichte sie mit einem Slot auf dem Wireless Festival offiziell den Durchbruch. Als nur eine von drei weiblichen Artits in diesem Lineup wurde Lisa Mercedez Bestandteil einer internationalen Diskussion um die Frauenquote auf Musikveranstaltungen. Dazu sagte sie selbst: „As a woman we have to work ten times hard as the guys to make it and I’m really happy that all the females coming through right now are killing it.“
Erst in diesem Jahr tauchte ihre Name jedoch erneut in den Schlagzeilen auf. Christlich erzogen, entschied Alicia sich erstmals nach dem Tod ihres Vaters dazu, zum Islam zu konvertieren. Schon damals betonte sie, dass ihr Glaube ihre Liebe zum Dancehall nicht beeinflussen sollte. Je erfolgreicher sie wurde, desto mehr wendete sie sich jedoch wieder von der Religion ab – bis zu diesem Jahr. Auf Instagram verkündete sie, erneut zum Islam konvertiert zu sein. Auf ihr Instagramposting und ein Musikvideo, in dessen Intro sie den Koran zitierte, folgten schnell Hassnachrichten und sogar Morddrohungen. Öffentlich äußerte sie daraufhin tiefstes Unverständnis und verkündete, die Musik und ihren Glauben weiterhin miteinander in Einklang bringen zu wollen. Sie gab zu, Fehler gemacht zu haben und in Zukunft dazuzulernen, beispielsweise durch das Tragen eines Hijabs und weniger freizügigen Bühnenoutfits. „I do try my best to dress appropriately and cover up more […]. I used to wear skimpy hot pants on-stage but I’m covering up more now. I’m wearing my headscarf where I can. I’m still learning, practicing and trying to do the right thing but I’ve just reverted, it’s going to take a while.“
Allein in diesem Jahr veröffentlichte sie bereits vier Singles, weitere sollen folgen, und auch von einem Album war in verschiedenen Medien die Rede. Was genau Zuhörer:innen erwartet und inwieweit Lisa Mercedez sich zunehmend verändern wird, der Religion zuliebe oder, um weiter aus dem Untergrund auszubrechen, bleibt abzuwarten.