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Manizha

Manizha

Es ist der 8. März 2021, Frauenkampftag. Der Tag, an dem in Russland erstmals durch Publikumsentscheid ein:e Vertreter:in für den Eurovision Songcontest gewählt werden soll. Diesen Entscheid kann die russisch-tadschikische Sängerin und Concious Rapperin Manizha Sangin mit ihrem Track „Russian Woman“ für sich entscheiden. Die Lyrics handeln von Selbstbestimmung und Selbstliebe – es ist eine Hymne für alle russischsprachigen Frauen. Unter anderem geht es auch darum Scheidungen zu normalisieren. „Но сломанной family / Не сломать меня„ (sinngemäß „lieber eine zerstörte Familie, als dass ich zerstört werde“). Auf YouTube finden sich zahlreiche, begeisterte User aus aller Welt, die ihren Auftritt beim Vorentscheid in Kommentarspalten und Reactions feiern. In Russland selbst sind die Meinungen allerdings gespalten.

So äußert sich Politiker Witali Milonow negativ über die Künstlerin und bezeichnet die Wahl der Repräsentantin als absolute Fehlentscheidung. Auch Sänger und Produzent Andrei Razin meldete sich melodramatisch und gekränkt auf Instagram zu Wort. Seiner Meinung nach würde Manizha mit ihrem Auftreten eine Schande über das Land bringen – eine Schande, mit der er nicht leben könne. Generell heißt es, sie sei viel zu politisch für den ESC. Ihr wird mitunter westliche Propaganda vorgeworfen und sogar ihre Fans seien gekauft. Für andere wiederum disqualifiziert sie sich sogar damit, nicht in Russland geboren zu sein. Zu guter Letzt lässt auch die DUMA von sich hören und bestätigt ihrer Einschätzung nach anti-russische Inhalte in den Lyrics gefunden zu haben.

„Every Russian woman needs to know
You strong enough
You gonna break the wall
Every Russian woman needs to know
You strong enough
You gonna break the wall“

Manizha ist nicht nur Performerin, sondern auch politische Aktivistin. Unter anderem ist sie Botschafterin der russischen Geflüchtetenhilfe kids.refugee und der UNO-Flüchlingshilfe. Zudem ist sie Initiatorin einer Kampagne gegen häusliche Gewalt, während welcher sie die App Silsila entwickelte. Diese soll Opfern helfen einen schnellen Notruf zu tätigen und Anlaufstellen wie Frauenhäuser zu finden. Außerdem spricht sie 2019 auf dem queeren Blog Otkritie öffentlich ihre Unterstützung für die LGBTQ+ Community in Russland aus, wofür sie satte 10.000 Unfollows auf Instagram kassiert.

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Seit ihrem sechsten Lebensjahr singt Manizha. Mit elf Jahren macht sie in einer Kinderfernsehsendung erste Erfahrungen auf der Bühne. Mit 15 erhält sie einen Plattenvertrag, unter welchem ihr der Name Ру.Кола / Ru.Kola aufgezwungen wird. Begründet wird die Entscheidung dadurch, dass ihr bürgerlicher Name für die russische Musikindustrie zu muslimisch klingen würde. Darüber hinaus soll sie sich die Haare blondieren, um mehr dem kaukasischen Stereotypen zu entsprechen und auch ihre Outfits darf sie nicht selbst bestimmen. Nach kurzer Zusammenarbeit verlässt sie das Label und zieht nach London, um dort Gospelmusik zu studieren. Während ihres Studiums bekommt sie erneut die Chance auf einen Plattenvertrag, welche sie jedoch ausschlägt. Manizha hat keine Lust mehr sich irgendwelchen Verträgen zu unterwerfen und entscheidet sich, unabhängig von Labeln und Industrie ihre eigenen Projekte zu starten.

In Interviews kommt sie nicht umhin, über den Einfluss der Frauen in ihrer Familie zu sprechen. Ihre Urgroßmutter war eine der ersten Frauen in Tadschikistan, die sich entschieden haben, das Kopftuch abzulegen und ihr eigenes Geld zu verdienen. Ihre Großmutter war es, die Manizhas Talent erkannt und sie in ihrer Gesangskarriere unterstützt habe. Ihre Mutter supportete die Künstlerin bei den Arbeiten zum Musikvideo „MAMA“ aktiv als Teil der Crew. Wenn es Manizha an etwas nicht fehlt, dann ist es Selbstbewusstsein und Stärke. Diese will sie auch an ihr Publikum weitergeben, welches durch den ESC bestimmt noch einen Wachstumsschub bekommen wird.

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