MARNELE

25. Oktober 2023

Penelope Braune

Chefredakteurin

Lea Sophie Fetköter

Die Vorzüge des Lebens in einer Großstadt wie Berlin liegen für Musikliebhaber:innen wie für Musikschaffende quasi auf der Hand: Es gibt nahezu jeden Abend ein unerschöpfliches Angebot kultureller und musikalischer Events. Nicht selten kann das überfordern, insbesondere wenn zusätzlich noch die FoMo kickt. Umso schöner, wenn man völlig nichtsahnend an einem Event wie Unreleased Berlin teilnimmt (an dieser Stelle ein Riesen-Shout-Out an die Initiator:innen für dieses Format und eine klare redaktionelle Empfehlung unserseits!) und eine:n dort ein Künstler wie MARNELE umhaut. Fair enough, waren es an diesem Augustabend im Club Monarch in Berlin vor allem die Damen in der Reihe der auftretenden Überraschungs-Acts, die die Bühne abgerissen und für ordentlich Stimmung gesorgt haben.

Es ist oft so, wenn ich weiß, ich hab‘ richtig Bock und ich bin davon überzeugt, ich kann das, was ich mache, dann geh‘ ich auf die Bühne und es legt sich wie so ein Schalter bei mir um. Und dann aktiviert sich einfach der Rampensau-Modus.“
MARNELE retrospektiv über ihren Auftritt bei Unreleased Berlin

Mit ihrem selbstbewussten Auftreten auf der Bühne, ihrem Flow und ihren Texten hinterließ MARNELE einen bleibenden Eindruck, nicht nur bei uns, sondern beim gesamten Publikum. Umso krasser wiegt anschließend die Erkenntnis, dass die Bochumerin an diesem Abend ihr Bühnendebüt gegeben hat. Im Juli veröffentlichte sie ihre Debüt-EP „Macht gegen Seele“. Mit zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 350 Follower:innen auf Instagram scheint sie nicht nur uns bislang durch die Lappen gegangen zu sein. Es wird höchste Zeit, daran etwas zu ändern.

Während MARNELE auf der Bühne mit ihrer vermeintlich toughen Art und einer beeindruckenden Energie überzeugt, wirkt die Künstlerin im Interview mit 365 Fe*male MCs eher ruhig und fast schon besonnen. Man bekommt schnell den Eindruck von einem jungen Menschen, der viel und sehr reflektiert über das eigene Handeln, das Geschehen in der Welt und die bestehenden Zusammenhänge nachdenkt.

Macht gegen Seele, sie schließen den Pakt nur ironisch / lieber Leben bestimmen lassen, als ewige Sinnesfragen“
Lyrics aus „Macht“

Insofern verwundert es wenig, dass MARNELE ihren Weg zur Musik eher über die Lyrik findet. Ihre Affinität für Sprachen, die sich schon in der Schulzeit herausbildet, kommt ihr beim Verschriftlichen ihrer Gedanken in Gedichtform zugute, dies gerne wahlweise auf Deutsch oder Französisch. So entsteht in einem Heartbreak-Moment über einem LoFi-Beat in der Badewanne MARNELEs erster Track. Diesen kann man online zwar leider nirgendwo mehr anhören, er stellt aber die Weichen für alles Nachfolgende. Mit „Weinbar“ und „Rauch mich“ erscheinen im Frühjahr 2021 die ersten offiziellen Singles der Newcomerin.

Wenngleich man stellenweise heraushört, dass hier jemand noch ganz am Anfang steht und mit der eigenen Stimme, dem Flow und Sound experimentiert, deutet sich eine Sache schon an: MARNELE liebt es, mit Worten zu spielen und ihre Emotionen und Gedanken in eine Form zu gießen, die zum Nachdenken anregt.

Auf ihrer EP „Macht gegen Seele“, die im Juli 2023 erschienen ist, hält die Rapperin dabei den Finger mitten in die Wunden unserer Gesellschaft. So spricht sie beispielsweise Themen wie toxische Männlichkeit („Macker“), Sexismus („Cruella“), neoliberale Macht- und Optimierungstendenzen („Macht“) oder einfach Herzschmerz („Gift“) an und verpackt diese mit ihrem toughen Rap-Alter Ego in düstere Trap-Beats oder tanzbare Electro-Tunes.

Alle sagen, Bitches haten sich, doch eigentlich macht’s hier keiner / Bitches teilen gerne, du bist hier der Neider.“
Lyrics aus „Cruella“

Im Interview verrät uns MARNELE, dass sie glücklicherweise nicht den Druck verspürt, auf Biegen und Brechen neue Texte schreiben und Songs releasen zu müssen. Die Inspiration kommt eben, wie sie kommt. Gleichzeitig sei sie aber auf jeden Fall angefixt und möchte künftig mehr live spielen. Recht so: Wer die Chance dazu bekommt, sollte sich dieses junge Talent nicht entgehen lassen.