Millaray Jara Collío bekam den HipHop in die Wiege gelegt. Mit vier Jahren fing sie an zu rappen. Zehn Jahre später, im Oktober 2020, veröffentlichte MC Millaray einen Song mit einer der größten MCs Chiles und Lateinamerikas: Im Featuring „Rebelíon de Octubre“ mit Ana Tijoux rappte die inzwischen 14-Jährige zweisprachig: auf Spanisch und Mapudungun, der Sprache der Mapuche, der größten indigenen Gruppe in Chile.
MC Millaray hat sich dem politischen Rap verschrieben: Sie rappt über die soziale Ungleichheit im Land, die Diskriminierung und staatliche Verfolgung und Repression gegen ihr Volk, die Mapuche. Dafür rappt MC Millaray auch auf Mapudungun. Im chilenischen Rap hat sich die Sprache der Mapuche unter jungen Rapper:innen in den letzten Jahren als Sprachrohr für den Widerstand etabliert. Die eigene indigene Identität zu zelebrieren und auf die Gewalt gegen das eigene Volk aufmerksam zu machen steht im Zentrum ihrer Tracks. Seit der Gründung des chilenischen Staates werden die Mapuche rassistisch diskriminiert, der Staat kriminalisiert ihren politischen Kampf um Unabhängigkeit. Immer wieder verhaften und ermorden im Süden Chiles Polizei oder Sicherheitskräfte multinationaler Unternehmen Mapuche.
MC Millaray hat sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht, diese Ungerechtigkeit in ihren Lyrics zu verarbeiten und als Spokesperson aufzutreten. „Die Musik entstand als Werkzeug, um die wachsende Missstimmung in der Bevölkerung auszudrücken, meine Wurzeln zu zeigen und für das einzustehen, das wir für gerecht halten“, sagte die junge Rapperin vor kurzem in einem Interview mit der chilenischen Zeitung The Clinic.
Alexis Jara, MC Millarays Vater, brachte seine Tochter früh zum HipHop: Er gibt Rap-Workshops für Jugendliche und Kinder in Arbeiter:innenvierteln in Santiago. Die Workshops sind für MC Millaray seit sie denken kann ihr zweites Zuause. Dort begann sie zu rappen und unterstützte schon als Kind ihren Vater bei Gigs auf Straßenfesten und in der Metro von Santiago.
Von ihrem Vater hat MC Millaray viel gelernt, sie hat aber auch schnell ihren eigenen Stil entwickelt. Ihr Rap ist härter und direkter als der Flow ihres Vaters, der stärker von Reggae und Raggamuffin geprägt ist. Mit gerade einmal 14 Jahren hat die Schülerin einen spezielleren Rap-Stil als viele ihrer männlichen Kollegen im HipHop. Ihre bisherigen Live-Tracks auf YouTube prägen Samples, die an 90er-Boombap erinnern – ein Genre, das im chilenischen Underground-HipHop immer schon beliebt war. In ihrem Song „Ser Mapuche“ (dt. „Mapuche sein“) verarbeitet sie ihre Lebensrealität als jugendliche Mapuche in Santiago de Chile.
Im Dezember 2019 stand MC Millaray mit vielen großen Namen des chilenischen Raps auf der Bühne von „Casaparlante“, einem der bekanntesten YouTube-Sender für chilenischen HipHop. Im achtminütigen Clip „Marichiweu“ rappen elf Artists über den Kampf der Mapuche während der massiven landesweiten Proteste in Chile, die im Oktober 2019 begannen. In ihrer Performance stand MC Millaray, wie zu erwarten, den erwachsenen MCs in Nichts nach.
Mittlerweile trat MC Millaray nicht nur raptechnisch in die Fußstapfen ihres Vaters, sondern ist auch aktiv in den Arbeiter:innenvierteln Santiagos und will marginalisierten Kindern eine Stimme geben. Zurzeit nimmt sie ein Album auf, in dem sie die Geschichten rappt, die sie bei Workshops mit Mapuche und migrantischen Kindern aufgeschrieben hat.