Viele Transgender-Personen müssen um die Akzeptanz ihrer Geschlechtsidentität kämpfen, ohne kämpfen zu wollen. Daher scheint es fast verwunderlich, dass Jolie Drake a.k.a. NoShame sich ganz freiwillig diesem Kampf stellt und dazu ein für das Thema recht ungewöhnliches Schlachtfeld wählt: Battle-Rap. Die Texanerin NoShame ist weltweit die erste Transgender-Rapperin, die in organisierten Ligen antritt. Ihre Kampfbereitschaft leistet zweifellos einen wichtigen Beitrag gegen Transphobie und Homophobie in der Rap-Szene.
Spätestens nach ihrem Battle gegen Michael White im Jahr 2014 hatte NoShame den Respekt der Battle-Szene sicher. An Freestyle-Battles nahm sie als Mann bereits seit 2003 teil, doch den Mut, sich als Frau auf der Bühne zu beweisen, fand sie erst im Jahr 2010. „Damals war ich schon der einzig weiße Mann auf der Bühne. Das Gefühl, anders zu sein, war also nicht wirklich neu für mich“, erinnert sich NoShame an ihren ersten Auftritt als Frau. „Klar war es ein großer Schritt, aber ich wollte damit Augen öffnen und zeigen, dass LGBT-Personen durchaus Teil der Battle-Rap-Kultur sein können“, erklärt NoShame. „Erfahrung im Battle-Rap hatte ich ja bereits als Mann gesammelt. Ich wusste also, was zu tun war und ich wusste, wie es zu tun war!“
Nach all den Jahren Freestyle-Runden und Cyphern macht sich jedoch langsam Lethargie breit. „Irgendwie ist es immer dasselbe. Meine Gegner kommen mit denselben Lines, wie ich sie schon 1000 Mal zuvor gehört habe, und das Publikum reagiert auf exakt dieselbe Art. Ich habe eine Frau und Kinder. Es gibt nur noch ein Battle an dem ich teilnehmen möchte und dann werde ich mich auf die Familie konzentrieren“, kündigt NoShame ihren Ausstieg aus dem Battle-Rap-Game an.
Geheiratet hat NoShame, bevor sie sich für eine Hormontherapie entschied. „Ich habe versucht, das zu tun, was alle von mir erwarteten – ein Mann zu sein. Aber ich fühlte mich einfach nicht wohl in meiner Haut. Die Hormone zu nehmen, fühlte sich richtig an“, erklärt NoShame, die sich seit der Trump-Regierung gesellschaftlich weniger akzeptiert fühlt. „Ich muss ehrlich sagen, dass es sich für mich aktuell nicht mehr so anfühlt, als seien die Leute offener gegenüber LGBT+-Themen. Noch in 2013 konnte ich ohne Probleme als Frau durch eine konservative Gemeinde laufen. Seit Trump im Amt ist, hat sich da viel zum Negativen geändert! Aber nicht nur für die LGBT+-Community. Solidarität mit dem BLM-Movement ist mir deshalb wichtig. Ich wünsche mir, dass die Mörder von Breanna Taylor vor Gericht kommen.“ Vielleicht sind die politischen Unruhen im Heimatland dann auch der Grund, weshalb sich NoShame aus dem Rap-Game zurückzieht, um sich auf das zu konzentrieren, das am Ende wichtig ist: ihre Familie. „Es ist mir egal, was die Leute über mich denken oder wie sie mich sehen – ob als Battle-Rapperin oder Aktivistin. An erster Stelle bin ich ein Mensch. Ein Mensch, der seine Kinder liebt und versucht, sie in einem Land großzuziehen, das politisch derzeit nicht meinen Wunschvorstellungen entspricht.“
Ein letztes Battle gilt es aber vor dem Rap-Ruhestand noch zu bestreiten: King of Dot. Die Battle League teilt sich in drei Ligen: PY Battles (Try-Outs), GZ Battles (nordamerikanische eigenständige kleinere Liga) und die weltweit größte Kategorie KOTD. Zur letzteren hatte man NoShame eingeladen bevor die Pandemie ausbrach. Wer sich also live von ihren Skills überzeugen möchte, behalte die KOTD -Dates im Auge. Es könnte die letzte verbale Schlacht werden, in die NoShame vor dem Mic Drop zieht.