„Perlen, Schmuck, Dobermänner – 808 Bässe, harte Kicks, Memphis-Sound und messerscharfe Flows: Willkommen in der Welt von Pearls„, heißt es auf der Webseite des Underground-Labels 808Muzik in der Beschreibung zu Pearls’ Debüt-Tape „Money N Pearls“. Mit den beiden Vorabsingles „Cutter (Intro)“ und „Pablo Escobar“ konnte Pearls, scheinbar aus dem Nichts kommend, Anfang 2022 bereits einige Aufmerksamkeit auf ihre Highspeed-Doubletime-Raps ziehen, ehe Ende Februar das gesamte Album erschien. Viel ist über Pearls abseits ihrer Musik und jenem Album-Text bisher nicht bekannt, bis dato gibt es keine Artikel über sie, Interviews lehnt die Künstlerin ab. Die digitale Spurensuche führt von Pearls’ Musikvideos auf dem 808Muzik-YouTube-Channel schnell zu ihren Kanälen auf Instagram und SoundCloud.
Als einen prägenden Einfluss für Pearls kann man dort eindeutig Bone Thugs-n-Harmony ausmachen, deren Merchandise oder Video-Reposts regelmäßig in ihrem Instagram-Feed zu sehen sind. Pearls’ erster SoundCloud-Track, den sie Ende 2019 online stellt, ist zudem ein Cover des Songs „Hard Times“ der US-Rapgruppe, die in den 90er-Jahren für ihre Triplet-Flows, kombiniert mit melodischen Elementen berühmt wurden. Bereits im Juni 2019 postete Pearls ein Video zu „Pablo Escobar“ auf ihrem Instagram, im August folgten dort die Videosingle „4 The Love of MoneY“ (die als „Money“ ebenfalls auf ihrem Debütalbum 2022 enthalten ist) sowie die weiteren IG– und SoundCloud-Tracks „Hoodromantik“, „OG’s“ und „Ride by“. Schon auf diesen ersten Songs und Fragmenten wird augenscheinlich, dass Pearls ihre Inspirationen aus dem 90s-US-Rap gekonnt auf Deutsch umzusetzen weiß: Auf laid-back Beats switcht sie spielerisch zwischen melodischen (Sprech-)Gesangspassagen und präzise gesetzten Triplet-Rap-Salven, und das scheinbar mühelos und routiniert.
Über Instagram kam 2019 der Kontakt zu Rapper und Producer Donvtello aka Moneymaxxx zustande, der mit seiner Label-Platform 808Muzik und als Teil der deutsch-österreichischen Supergroup Silk Mob ebenfalls 90s-US-HipHop mit schnellen Raps und melodiösem Einschlag in die Jetztzeit transportiert. Donvtello war sofort begeistert von Pearls’ charakteristischem Stil und ihrem in den bis dahin veröffentlichten Tracks deutlich erkennbaren Rap-Talent. Seiner Aussage nach gibt es sehr wenige MCs in Deutschland, die so flowen können. Die geteilten musikalischen Vorlieben für Down South-/Memphis-/90s- und Phonk-Rapmusik passten ebenfalls, und Money und Pearls beschlossen, gemeinsam an Pearls’ Debüt auf Albumlänge zu arbeiten. Zusammen suchten sie Samples aus, Moneymaxxx sorgte anschließend für die Beats, auf die Pearls schrieb und sich selbst recordete. Einige bereits releaste Tracks und Skizzen von Pearls überarbeiteten sie und nahmen komplett neue Songs auf. So entstand neben einigen weiteren, über SoundCloud und IG gedroppten Tracks bis zum Sommer 2021 das Kollabo-Tape „Money N Pearls“ mit insgesamt 15 Anspielstationen, das im Februar 2022 via 808Muzik als Audio-Kassette und zum Streamen auf Spotify etc. veröffentlicht wurde.
Mit fast einer Stunde Spielzeit präsentiert sich Pearls auf ihrem Debüt-Tape skillzmäßig in Topform: Derart leichtfüßig und effortless zersägen in der Tat die wenigsten deutschsprachigen MCs Südstaaten- und 90er-/2000er-type Instrumentals mit Doubletime-Flows und Melodien, die perfekt auf den Beats liegen. Inhaltlich liefert Pearls überwiegend Street-Representer- und Battle-Texte ab, es geht um hoodromantisches Cruisen mit den Girls, Glen-Sippen an der Corner und die omnipräsente Jagd auf das bunte Papier. Das alles immer mit einem dezidiert femininen Stempel, den die beiläufige Selbstverständlichkeit des Vortrages als selbstbewusste Rap-Normalität setzt: Pearls kommt mit „Crop-Top und Glitzer-Lip Gloss, die Pussy schmeckt so wie Glen-Shots“ und zückt „bei Bedarf Messer aus der Clutch, bestes Accesoire“. „Hab nur Money in mei’m Kopf“: Schreibt sie „schwarze Zahlen“, wird Pearls „sentimental“; Männer spielen für sie dabei eigentlich nur eine Nebenrolle als Boy-Toy. „Baby hat die Pumpgun für ein bisschen Fun, ich zieh‘ ihn in mein‘ Bann (ja), er macht Platz, wie ein Dobermann“ und „90-60-90 und sie riecht nach Zuckerwatte (…), er sagt, er ist so verliebt, doch Gefühle sind mir Latte“, heißt es auf dem sexpositiv-expliziten Twerk-Tune „Pearls“. Es geht auf dem Album jedoch stellenweise auch ruhiger und introspektiver zur Sache. „Manchmal fühlt sich auch ein G ziemlich lonely, ich hab so viele Optionen, doch ich will eigentlich nur ihn“, rappt Pearls nachdenklich auf „Maze“, einer Downtempo-Reflektion über die Unverträglichkeit von Hustle und Liebe in ihrem Streetlife.
Insgesamt ist „Money N Pearls“ ein sehr starkes Debüt einer sehr begabten Rapperin aus dem Underground, die die deutschsprachige Rap-Landschaft mit Flows auf sehr hohem Niveau bereichert. Wir dürfen äußerst gespannt sein, was die mysteriöse Doubletime-Queen Capital P-e-arls als nächstes vorhat.