Wenn Camp-Ästhetik auf ein Genre wie Rap trifft, dann muss man uns nicht zweimal bitten, sondern genießt unsere volle Aufmerksamkeit.
Erst vor wenigen Wochen wurde in Helsinki das Theater für zeitgenössischen Tanz, auf Finnisch „Tanssin talo“, eingeweiht und von ARTE dokumentarisch begleitet. Zur feierlichen Eröffnung dieser namhaften Kulturstätte präsentiert sich ein abwechslungsreicher Querschnitt der lokalen Tanzszene. Mit dabei sind unter anderem das queere Performance-Duo Amanda & Lydia, die zusammen mit den Rapperinnen Vanessa „Vane Vane“ Virta und Kaisa „Kaisa Cleva“ Nieminen einen beeindruckenden Auftritt hinlegen. Bis zum 14. August 2022 ist dieser noch auf ARTE Concert zu bestaunen.
Zusammen mit ihrem Produzenten Liki bilden Vane Vane und Kaisa Cleva die Formation Pimeä Hedelmä, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Die dunkle Frucht“. Beide Künstlerinnen arbeiten bereits seit 2015 für verschiedene Projekte zusammen, jedoch kommt es erst im Sommer 2018 zur Gründung von Pimeä Hedelmä. Inspiriert von Trap, Grime und Elementen des Memphis Rap kommt ihr Sound von Anfang an sehr basslastig und düster daher, wirkt zum Teil wegen der Synthiemelodien und Samples fast schon ein wenig sphärisch, aber dennoch tanzbar („Basso“). Bereits mit ihrer zweiten Single „Jääkaappi“ geht die ursprünglich aus Pirkanmaa stammende Rap-Crew durch die Decke. Schaut man sich das zugehörige Video an, überrascht einen der weitere Werdegang nur wenig: Rap trifft auf Camp und Tanz.
Generell sind Pimeä Hedelmä für ihre starke Präsenz bekannt, insbesondere auf der Bühne. Das spricht nicht natürlich schnell herum. Nachdem im April 2019 ihre vier Tracks starke EP „Ei leiki“ erschienen ist, sind die Erwartungen an das offizielle Debütalbum „Hitmix 2020“ umso höher. Dieses feiert Release im Dezember 2020 und wartet mit Featuregästen wie Mon-Sala, Slyrre äS, Yeboyah und Pyöveli auf. Trotz der zum Teil düsteren Stimmung auf der Platte und der Ernsthaftigkeit („Terapiagäng“, „Hiano“), mit der die Rapperinnen ihre Texte vortragen, schwingt stets auch eine Portion Ironie mit – etwa im Song „Feikki“:
Mein Geschmack ist königlich, mein Rokoko oral, meine Lieblingsfarbe ist Pussyrosa und Korallenrot, meine Moral ist in Ordnung, meine Trophäen sind aus Gold, ich bin der glamouröseste Verlierer.“
Original: „Makuni rojaali, rokokoo oraali, lempiväri pussypink ja koralli, ok on moraali, kultaa mun pokaalit, oon hohdokkain luuseri.”
Es verwundert nur wenig, dass sich Pimeä Hedelmä innerhalb der letzten zwei Jahre zu einer wahren Sensation in der finnischen Szene entwickelt haben, sei es im Studio oder auf der Bühne: Vane Vane und Kaisa Cleva machen, wonach sie sich fühlen und was ihnen gut tut, fernab von Geschlechter-, Körper- oder Schönheitsnormen.
I think the interesting stuff is happening by non cis men because it hasn’t been heard yet in the way it’s being presented now.“
Original „Luulen, että kiinnostavat asiat tapahtuu ei-cis-miesten tekeminä, koska niitä ei ole vielä kuultu sellaisessa muodossa kuin niitä nyt esitetään.“
Im Interview mit Voima
Der Nachbericht ihrer Album-Releaseparty, welche aufgrund von Corona erst im Dezember 2021 stattfindet, erzählt von einem Abend, den alle Anwesenden so schnell nicht vergessen werden und der bei allen nicht Anwesenden definitiv ein Gefühl von FOMO auslöst.
Wir können nur hoffen, dass uns diese beeindruckende Crew bald auch einmal auf den heimischen Bühnen besucht und wir in den Genuss der eskapistischen Empowerment-Show von Pimeä Hedelmä kommen.