Natürlich war es der Name, der mir als erstes ins Auge fiel. Und natürlich wird der Name auch beim Gespräch mit Fanny, wie Pink Viagra bürgerlich heißt, ein Thema sein. Ein Händchen für Rap-Namen hat die 28-Jährige: Bevor es Pink Viagra gab, nannte sie sich Amazon Crime. „Es klingt feministisch und ist auch ein politischer Name. Große Konzerne sind doch voll die Gangster! Als Rapperin wollte ich gefährlich wirken.“
Dabei klingt ihre Kindheit in einer Patchwork-Familie in Schleswig-Holstein recht behütet; das Studium brachte sie dann unter anderem nach Weimar, wo sie an der Bauhaus Universität Freie Kunst studiert. „Ich bin so glücklich über das Kunststudium, weil es mir die Freiheit bietet, dass ich machen kann, was ich will“, erklärt Fanny. Im Februar verteidigt sie ihre Diplomarbeit, in der sie auch ihr Alter-Ego Pink Viagra und Referenzen zu ihrem „neuesten Streich“ Little Sexy Jesus verarbeitet. „Ich bin atheistisch, aber durchaus spirituell“, sagt sie dazu. „Aber religiöse Strukturen haben viele Probleme geschaffen – gerade auch, was Frauen angeht!“
Generell arbeitet sie sehr selbstreferentiell: „Ich bin selbst mein Referenzpunkt. Ich versuche einfach alles, was mich interessiert und was ich mag, miteinander zu verbinden.“ Also ging es auf dem ersten Solotape „Sugarbabe“, das im August 2020 über ihre Crew Spätkauf Pakila erschien, viel um Heartbreak, „aber natürlich auch klassische Rap-Themen wie Autos, Drogen, Turn-up.“ Oft wird’s auch persönlich, Pink Viagra rappt dann über ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse. Oder über Sexualität und Feminismus: „Jede zweite Frau hat negative Erfahrungen mit Sexualität gemacht. Man kann heutzutage nicht keine Feministin sein.“
Darüber, wie Pink Viagra ihren Feminismus ausleben möchte, ist sie sich noch nicht ganz klar. Sexistische Beleidigungen findet sie als Stilmittel zwar okay, aber man müsse schon sehen, wie weit man da gehe. Das sei wie bei Drogen. „In der künstlerischen Freiheit von Rap kann man damit flexen, ohne dass man das Ernst nehmen muss.“ Pink Viagra kifft gerne und rappt darüber, aber „viele Leute checken relativ früh, was künstlerische Freiheit ist und was Ironie. Das ist ein schmaler Grat.“ Man wird dann von allen Seiten kritisiert. „Die Typen sagen „geh zurück in die Küche“ und die Frauen sagen „du bist nicht feministisch genug“.“ Daraus wächst zumindest bei Fanny eine Scheiß-drauf-Attitüde: „An dem Punkt ist man dann ein bisschen frei. Aber meine kleine menschliche Vorbildfunktion ist mir schon auch wichtig.“
Denn sie wurde sehr politisch sozialisiert und hat gelernt, Dinge zu hinterfragen. Aber sie sieht sich eben durch und durch als Künstlerin und aus dieser Sicht sei alles erlaubt. „Ich will provozieren, aber ich will auch nicht diese Verantwortung tragen: Warum muss ich mich erklären, wenn ich Pussy oder Bitch sage, oder nicht?“ Sie akzeptiert da aber auch die Grenzen anderer. Als Teil der Rap-Crew Query_powerball etwa ist sie als Pink Viagra vorsichtiger, denn auf „sexistische Battlerap-Scheiße“ hat sie keinen Bock. Vor allem die „Du-musst-aufpassen“-Mentalität, die in vielen Köpfen stecke, nervt sie. „Dazu bin ich zu sehr Punk und zu gern draußen!“
Dabei sieht Pink Viagra Sexismus nicht als etwas komplett Unnatürliches, sie verfolge ihn eher mit kritischem Interesse: „Man kann sich das als Frau auch zu Eigen machen.“ Das findet sich in ihren Sex- und Slut-positiven Texten wieder.
Ich bin eine Bitch/ Ich lass die Typen leiden/ Ich lass sie weinen/ Es tut mir leid, yeah/ Ich bin eine Bitch
Hast du Zeit (Greta)
„Brooke Candy hat mich übelst inspiriert. Die hat das ganze Slutding so propagiert. Lady Bitch Ray hat das ja als Erste gemacht. Die hat mir fast ein bisschen Angst gemacht – ihre Bedeutung hab ich früher gar nicht verstanden, dann hab ich letztens wieder angefangen ihre alten Sachen zu hören. Ich find sie so cool – fast wie eine Märtyrerin.“ Natürlich schwärmt die Kunststudentin mit Hamburger Wurzeln auch von Hayiti, zu der ihr viele eine gewisse Ähnlichkeit attestieren: „Wenn es die nicht gäbe, dann gäbe es auf jeden Fall auch Pink Viagra nicht!“
Privat hört sie vor allem Travis Scott, Suicide Boys, Ghost Mane und Haarper. An Tightill schätzt sie vor allem seine Leichtigkeit und den Spaß, den er mit seiner Musik suggerieren will. Ein wichtiger Impact war für sie auch Yung Lean – oder Yung Kaffa & Kücük Efendi. „Ich hab auch so’n paar Sachen mit Autotune, die sich ohne so schlimm anhören würden“, lacht sie. „Oder Death Gribs, Yung Hurn, 21 Savage… Ich mag es, wenn Rap experimentell ist.“ An HipHop feiert sie aber vor allem das verbindende Element. Also sind neben den bereits bestehenden noch einige Features geplant. Mit Tightill etwa: „Der ist halt busy, aber ich hoffe, das klappt bald mal!“
Gerade in Thüringen ist sie gut vernetzt. Dabei hilft auch Instagram. „Ich bin echt viel auf Insta unterwegs. Die ganze Newschool-Cloudrap-Sache ist voll das Insta-Phänomen. Man muss sich dort schon sehr inszenieren, auch Hiphop-Videos sind total wichtig geworden.“ Gleichzeitig müsse man Instagram aber auch nicht so ernst nehmen, findet sie.
Wenn Fanny nicht rappt oder auf Insta rumhängt, macht sie Kunst und malt viel, sie kifft gern und liebt Sex – und Anime. Worüber sie auch gern rappt. Obwohl sie die Anime-Kultur so feiert, sind ihre liebsten „richtig basic“, wie sie sagt: Naruto hat sie gerade angefangen, sie liebt Sailor Moon, Tokioghul, das sehr düstere Deathnote, Initial Dee und noch einige weitere. Derzeit findet das einigen Anklang: „Ich find‘s cool, dass ich das mache, was ich mag und es in die Zeit passt!“ Als sie etwa Josip On Deck und seine Hentai-Sachen entdeckt hat, hat sie sich gefragt, warum sie noch irgendwas anderes mache. „Das ist so State oft the Art!“, findet Fanny.
Und warum jetzt Pink Viagra? In einem Radiofeature hörte sie von der Sexpille für Frauen und deren schlechtem Ruf, weil sie starke Nebenwirkungen habe, schlecht funktioniere und als Vergewaltigungsdroge missbraucht wurde. Fanny war schockiert, schließlich ist Viagra etwas, mit dem man eigentlich an seiner Sexualität arbeiten kann; und Sexualität hält Fanny für ein spannendes Thema, das auch schnell politisch werden kann. Sie selbst wäre übrigens lieber als Künstlerin denn als Musikerin berühmt, weil Pink Viagra sie kreativ etwa limitiert. Die Rapperin ist schließlich in erster Linie Teil von Fannys künstlerischem Output. Also folgt jetzt erstmal die Verteidigung ihrer Diplomarbeit und danach ein Job mit dem sie ausreichend Geld für’s Leben verdient. Aber „Kunst und Musik, das werde ich niemals ganz lassen können. Mal schauen, was es wird.“ Ihr Ziel sind so oder so 10K bar auf die Kralle monatlich.
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