Preta Rara selbst kategorisiert sich auf ihrem Instagram-Account in ihrer Profil-Biografie als Rapperin, Historikerin, Autorin und stur. Durchaus ein guter Anfang, wie wir finden, allerdings würden wir diese Beschreibung gerne noch ergänzen – wohlwissend, dass wir, trotz all unserer Bemühungen, Joyce Fernandes aka Preta Rara mit diesem Portrait wahrscheinlich nicht gerecht werden können. Aber wir versuchen es einmal:
Joyce Fernandes, so ihr bürgerlicher Name, hat nicht nur einen unfassbaren beruflichen Weg von einer Haushälterin zur Historikerin und Rapperin hingelegt, sie hat sich in den vergangenen Jahren in ihrer Heimat Brasilien auch zu einem wichtigen Vorbild und Sprachrohr für marginalisierte Stimmen entwickelt. Mit ihren Tätigkeiten als Lehrerin, TV-Moderatorin und Aktivistin setzt sich Fernandes unter anderem für Black Power und Body Positivity ein. Zweifelsohne gehört sie damit zu einer neuen Generation Schwarzer Frauen, die kein Blatt vor den Mund nehmen, sondern ihre Stimmen nutzen, um gegen Vorurteile anzukämpfen – sei es als Rapperin auf der Bühne, als Aktivistin im Internet, bei TED-Talks und auf der Straße, oder als Lehrerin und Mentorin. Sowohl als Privatperson wie auch Rapperin, Preta Rara will mit ihrem Stil, ihrer Denkweise, ihrem Aussehen, ihren Performances und so weiter die Menschen herausfordern und zum Umdenken bewegen. Je größer das Unbehagen bei ihrem Gegenüber, umso besser. Denn nichts liegt Preta Rara ferner, als sich mit Gegebenheiten zufrieden zu geben oder sich gar darauf auszuruhen.
Wie ihre Mutter erzählt, hatte Preta Rara schon als Kind viel zu sagen. Zum Teil war sie stundenlang ins Schreiben vertieft, obwohl sie noch gar nicht richtig schreiben konnte. Im Teenageralter stellte ihr Vater fest, dass ihre Texte alle im Reimschema verfasst sind. Kurzerhand erklärte er ihr, was Rap ist. Eins kommt zum anderen, und mit Anfang 20 gründet Preta Rara in ihrer Heimatstadt Santos die erste weibliche Rap-Crew Tarja Preta.
Als Teil von Tarja Preta konnte Joyce Fernandes wortwörtlich zum ersten Mal bewusst ihre Stimme nutzen und sich unter ihren Fans Gehör verschaffen, während sie tagsüber weiter als Hausangestellte arbeitete. Ein Umstand, der schwer auf ihren Schultern lastete, trat sie damit doch in die Fußstapfen zahlreicher Frauen vor ihr in ihrer Familiengeschichte. Tatsächlich hinterließen die Jahre als Haushälterin auch bei Preta Rara ihre Spuren. Hatte sie als Kind bereits von den zahlreichen Erniedrigungen und missbräuchlichen Situationen gehört, die ihre Großmütter, Tanten und ihre Mutter als Hausangestellte erleben mussten, fand sich Preta Rara mit Anfang 20 nun in genau derselben Position wieder. Aus der Not heraus, sich Luft machen zu wollen, postete Rara ihre Erfahrungen im Internet unter “Eu, empregada doméstica” (dt. „Ich, eine Hausangestellte“). Die Aktion zog innerhalb kürzester Zeit weite Kreise in der brasilianischen Gesellschaft. 2019 veröffentlichte Preta Rara sogar ein Buch mit dem gleichen Titel, in dem sie die diskriminierenden und erniedrigenden Geschichten zahlreicher Hausangestellten (in der Regel Schwarze Frauen) sammelte – angefangen bei den Erzählungen aus ihrer Familie bis zu Einreichungen von Fremden aus dem ganzen Land.
Seit 2017 hostet Preta Rara über ihren YouTube-Channel zudem die Webserie „Nossa Voz Ecoa“ (dt. „Unsere Stimmen“), mit der sie mehr Schwarzen Menschen Raum für ihre Erlebnisse geben möchte. Unter anderem geht es in der Interviewreihe um Themen wie Schwarze Kultur und Ästhetik, Rassismus, Machismo, Fatphobie, aber auch HipHop.
I believe that by making people feel uncomfortable is the only way things change.“1
Entgegen zahlreicher Stimmen ehemaliger Arbeitgeber:innen, die Rara aufgrund ihrer Herkunft und ihres Standes dazu rieten, sich mit ihrem Leben zufrieden zu geben, schloss sie im Jahre 2011 ihr Geschichtsstudium ab und arbeitet seitdem als Lehrerin.
2015 veröffentlichte sie ihr erstes Soloalbum „Audácia“ mit inhaltlich starken Songs wie „Negra Sim!“ (dt. „Schwarz ja!“) oder „Falsa Abolição“ (dt. „Falsche Abschaffung“). Auf den insgesamt zehn Tracks der Platte beschäftigt sich Preta Rara mehrheitlich mit anti-Schwarzem Rassismus in der brasilianischen Gesellschaft sowie gender- und/oder class-bezogenen Diskriminierungserfahrungen und setzt damit ein empowerndes Zeichen. Im Jahre 2018 erschien zudem eine Live-Version des Albums.
Fernab ihrer außergewöhnlichen Erscheinung – mit ihrem oftmals knallbuntem Afro und dem farblich dazu passenden, starken Make-up sticht Preta Rara alleine schon heraus – ist sie eine unglaublich wichtige Figur für die brasilianische (Rap)-Szene und Schwarze Community und dabei tagtäglich unermüdlich in der ersten Reihe im Kampf gegen Diskriminierung und für mehr Gleichberechtigung anzutreffen.
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