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Rican Da Menace

Rican Da Menace

Alle, die sich einbilden, sie wüssten, wie der Hase läuft, sollten sich heute warm anziehen: Rican Da Menace kommt, um ein paar scheinbare Gewissheiten zu pulverisieren. Das beginnt gleich bei ihrem Künstlerinnenamen. Wer sich Rican nennt, ist doch sicher Puertoricanerin. Oder? Nö: „Mein Vater stammt von Jamaika, meine Mutter aus San Salvador“, stellt sie klar. Den Spitznamen habe ihr bei ihren ersten Rap-Versuchen ein Kollege lediglich deswegen verpasst, weil er fand, sie sehe puertoricanisch aus. Die Aufnahmen waren nicht zu gebrauchen, der Name jedoch blieb hängen. Inzwischen hängt er auch buchstäblich um Rican Da Menace‚ Hals nämlich. Für die Kette mit ihrem Namen, die sie sich hat machen lassen, investierte die Rapperin stolze 145.000 Dollar.

Apropos Rapperin: Wer einen Blitzstart wie Rican Da Menace hingelegt hat, hatte doch garantiert von klein auf genau dieses Ziel vor Augen. Oder? Nö. „Hell, nah!“, wischt sie diese Vermutung jedenfalls im im Interview mit AllHipHop vom Tisch: „Ich war keine dieser Wenn-ich-groß-bin-will-ich-Rapper:in-werden-Personen. Ich musste einiges durchmachen, um an den Punkt zu gelangen, an dem mir aufging: Okay, das ist das beste für mich, also muss ich das tun. Ich habe mich erst in Rap verliebt, als ich angefangen habe, welchen aufzunehmen.“ Dass sie allerdings ‚irgendwas mit Musik‘ machen wollte, sei ihr schon immer klar gewesen. Die richtigen Kontakte ins Business knüpft sie jedoch erst 2020.

„Einiges durchmachen“ dürfen wir in diesem Fall gerne wörtlich verstehen. Rican Da Menace kommt im August 2001 in Baltimore zur Welt, wo sie auch aufwächst. „Der Ärger verfolgte mich“, erinnert sie sich. Was genau sie damit meint, behält sie für sich, deutet aber nicht einen, sondern gleich etliche Schulwechsel an. Wer unentwegt neu anfangen muss, braucht sicher ewig bis zu seinem Abschluss oder wirft vorher schon das Handtuch. Oder? Nö! Rican Da Menace hat ihr Zeugnis bereits mit 16 Jahren in der Tasche und sich nebenbei bereits ein Geschäft aufgebaut: „Ich habe, seit ich 14 bin, erst mir selbst, dann allen meinen Homegirls die Nägel gemacht. Ich wurde besser und besser und sagte irgendwann: ‚Eigentlich solltet ihr mich dafür bezahlen.‘ Das haben die dann wirklich gemacht!“ Daraus entwickelt sich ein regelrechtes Business. Noch Jahre später, als Rican Da Menace längst als Rapperin durchgestartet ist, erinnern sich ehemalige Kundinnen in den Kommentarspalten ihrer Videos: „Sie hat mir früher die Nägel gemacht. Sie war wirklich gut – und supernett!“

Wenn ich nicht im Musikgeschäft gelandet wäre, wäre ich wahrscheinlich immer noch im Nail-Business. Vielleicht würde ich Nagellack oder ähnliche Produkte verkaufen oder hätte mein eigenes Nagelstudio.“

Rican Da Menace im Interview mit AllHipHop

Ihr Karriereweg sah allerdings anderes vor. Wer einen Deal mit Columbia eintütet, hat doch gewiss vorher Track um Track unters Volk gehauen, um auf das eigene künstlerische Potenzial aufmerksam zu machen. Oder? Nö, Rican Da Menace nicht. Als das Label sie zur Vertragsunterzeichnung bittet, hat sie noch nicht einen einzigen Song veröffentlicht. „Es ist so verrückt“, findet sie selbst, „ich fühle mich gesegnet (…) Die Leute müssen wirklich eine Menge Vertrauen in dich setzen, um das zu tun. Sie haben ja keine Ahnung, was zum Teufel du dann machen wirst!“ Rican Da Menace nutzt die Chance, die sich ihr bietet, und zahlt den Vertrauensvorschuss mit Arbeitsethos zurück:

„Ich möchte Musik machen, die die Leute erreicht und die ihre Laune hebt, wenn es ihnen gerade nicht so gut geht“, beschreibt sie ihre Motivation. „Mit meiner Musik möchte ich die Menschen an meiner Geschichte teilhaben lassen und zeigen, dass alles möglich ist. Du kannst machen, was immer du willst, egal, wer dir sagt, das ginge nicht. Egal, was immer sich dir in den Weg stellt. Alles, das du dir in den Kopf setzt, kannst du erreichen.“ So blumige Sprüche lassen normalerweise Leute ab, die noch nie ernsthaft Gegenwind erfahren haben. Oder? Nun… Nö: Rican Da Menace traf der Gegenwind ganz geballt, in Form von Kugeln. Sechs Schüsse wurden auf sie abgegeben, an Details erinnert sie sich nur undeutlich. Noch Monate später steht ihr aber die Verwunderung ins Gesicht geschrieben: „Zuerst habe ich gar keinen Schmerz gespürt.“ Dann wird es schon nicht so schlimm gewesen sei. Oder? Naja, Nö: Ihr kleiner Finger ist zertrümmert, ihr Bein ebenso. Die Wiederherstellung dauert Monate und erfordert mehrere Operationen.

So ein Rückschlag zerstört eine noch nicht einmal gestartete Karriere doch komplett. Oder? Ihr ahnt es wahrscheinlich inzwischen: Nö. Rican Da Menace sagt rückblickend sogar, für sie habe sich die Sache ausgezahlt. Über Wochen hinweg habe sie nicht richtig laufen können, sei quasi vor dem Mikrofon gefesselt gewesen. Da sie Arbeit ohnehin als ihre Methode der Psychohygiene betrachtet – „So lange ich busy bin, ist alles im Lot!“ – stürzt sie sich in die Aufnahmen. „Vorher konnte ich noch gar nicht richtig mit meiner Stimme umgehen, ich hatte sie und meinen Sound noch nicht gefunden. Monatelange Übung ändert das und verhilft Rican Da Menace zudem zu enormen Selbstvertrauen:

Mach weiter, was auch immer passiert. Scheißegal, welche Knüppel dir das Leben zwischen die Beine wirft, du kannst den Mist überwinden (…) Du musst jeden Tag aufstehen und dich anstrengen, egal, was passiert. Dein Bein ist gebrochen, dein Arm ist gebrochen? Dann musst du eben herausfinden, was du mit deinem anderen Bein und dem anderen Arm machen kannst. Keine Ausreden.“

Rican Da Menace im Interview mit AllHipHop

Rican Da Menace findet also ihren Style, sie findet ungeahnte Stärke und sie findet ihre Arbeitsweise: „Normalerweise geh‘ ich ins Studio, höre einen Beat, und es muss sofort zünden“, erzählt sie bei DTLR Radio. „In dem Fall kommt mir auch sofort ein Vers in den Kopf. Wenn ich zu viel nachdenken muss, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass es das einfach nicht ist. Dann skippe ich zum nächsten Beat.“ Das Rezept scheint sich zu bewähren: Bald blickt Rican Da Menace, die erst 2019 mit der vielsagend betitelten Single „Ain’t Goin Back“ debütierte, etwa auf Kollabos mit Moneybagg Yo zurück:

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„Mein Sound ist sehr durchsetzungsfähig“, beschreibt sie ihr Alleinstellungsmerkmal. „Wenn ich rappe, muss man fühlen können, was ich sage. Ich werde keinesfalls klingen, als hätte ich irgendeinen Hauch eines Zweifels an dem, das ich sage.“ Rican Da Menace sprüht zudem vor Energie, Interviews mit ihr bersten regelmäßig schier vor Kreischen und Gelächter. So jemand hat doch bestimmt seine komplette Heimatstadt hinter sich. Oder? Nö. Baltimore’s Finest äußert sich dahingehend zumindest zögerlich: „Wenn sie sehen, dass du es geschafft hast, dann ja. Du musst die Leute aber erst bekehren. Wenn sie das gewisse Etwas dann sehen, dann glauben sie an dich und geben dir jeden Support, den du brauchst.“ Da sich Rican Da Menace aber als wahrhaftig gute Missionarin in eigener Sache entpuppt, zieht sie bald das fröhliche Fazit: „Das Leben ist wirklich gut zu mir.“

2023 kennt nicht nur Baltimore ihr Potenzial, sondern zumindest der Teil der Rap-affinen Welt, der das jährliche Auswahlverfahren für das Freshman-Cover des XXL Magazines verfolgt: Dort findet sich Rican Da Menace unter den Anwärter:innen. Ob sie es in die Top Ten schafft oder nicht, dürfte ihr allerdings zweitrangig sein. Rican freut sich viel mehr über einen anderen Ritterschlag: Foxy Brown, die sie unter ihren persönlichen Top-Five-Rap-Artists führt, feiert, was sie macht: „Sie war eine der ersten weiblichen MCs, die mir Liebe gezeigt haben. Hell, yeah! Sie hat mir eine DM geschickt, in der sie meine Musik feiert. Seitdem tauschen wir uns oft aus.“ Klingt, als dürften wir in nicht allzu ferner Zukunft einen gemeinsamen Track der beiden hören. Oder? Wir möchten das jedenfalls gerne glauben. Ein „Nö“ als Antwort akzeptieren wir an dieser Stelle zur Abwechslung einfach nicht. Irgendwelche letzten Worte, Rican? Na, sicher:

Alles, das dir in den Sinn kommt, kannst du machen. Du kannst ganz unten anfangen und einfach alles erreichen, vorausgesetzt, du bleibst dran. Du brauchst aber nicht zu denken, dass irgendetwas passiert, bloß weil du es willst. Du musst dafür arbeiten. Viele Leute bilden sich ein, Erfolg komme über Nacht. Das ist aber deren Problem. Nö, du musst deinen Arsch hochkriegen und hart daran arbeiten, deinen Scheiß auf die Reihe zu kriegen.“

Rican Da Menace im Interview mit AllHipHop

Amen.

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