Salem Aya lebt in New York City, geboren und aufgewachsen ist sie jedoch in Casablanca. Ihr Vater kommt aus Marokko, ihre Mutter aus den USA. In ihren Liedern rappt sie auf Drill-Beats, sie spielt aber auch gerne Gitarre. Ihre Texte schreibt die Musikerin überwiegend auf Englisch, aber auch Wörter aus dem marokkanisch-arabischen Dialekt Darija kommen darin vor. Genau diese Gegenpole machen ihre Musik und ihre Identität aus.
In ihren Song versucht Salem Aya durch ihr Auftreten und ihre Texte die Grenzen dessen, was in der marokkanischen Gesellschaft als orthodox gilt, neu zu definieren. Sie rappt über queere Beziehungen, weibliche Sexualität und mentale Gesundheit: Themen, die in der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen ist, als radikal und unüblich gelten. Als offen queere Frau in Marokko habe sie schon früh gemerkt, dass Menschen wie sie Risiken eingehen, nur um ihre eigene Identität zu leben. Homosexualität steht in Marokko unter Strafe und kann offiziell mit bis zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe geahndet werden. Gegenüber dem Online-Magazin Shoutout Miami erklärt die Künstlerin, dass es für sie wichtig sei, ihre Identität auszuleben, da sie schon als Kind gemerkt hat, welche Folgen es für die eigene mentale Gesundheit haben kann, wenn man darauf eben nicht Acht gibt.
The fact I am openly a queer female artist from an Arab country will always be a risk, but a necessity at the same time. If I don’t put myself out there and speak my truth, no one will.”
– Salem Aya im Interview mit Shoutout Miami
In der vor allem männlich geprägten HipHop-Szene Marokkos fühlt sie sich oft als Pionierin. Und obwohl sie in den USA lebt, ermutigen sie vor allem ihre marokkanischen Hörer:innen und bringen sie voran.
Auf ihrem aktuellen Song „Qandïsha“ kollaboriert mit dem marokkanischen Rapper Lemhllwess. Beim Anschauen des Musikvideos fühlt man sich zunächst, wie in einen Film: In schwarz-weiß und mit atmosphärischen Hintergrundgeräuschen sieht man Nahaufnahmen der beiden Musiker:innen sowie von der Küste und den Straßen Casablancas.
Der Titel des Songs erinnert an Aicha Qandïsha, eine der bekanntesten marokkanischen mythologischen Figuren. Der Legende nach soll sie während der kolonialen Besetzung Marokkos portugiesische Soldaten verführt und schließlich getötet haben. Zwischen dem Musikvideo zu „Qandïsha“ und der Legende lassen sich einige Parallelen ziehen. Salem Aya erklärte jedoch in einem Interview mit dem französischen Musikblog Madame Rap, dass die Lyrics nicht direkt in Verbindung mit der mythologischen Geschichte stehen. Vielmehr wolle sie ihr Interesse an Mode ausdrücken und beziehe sich dabei auf Schuhe von Maison Margiela, die auch im Video zu sehen sind und in ihrer Form an Hufe erinnern. Manchen Aussagen zufolge soll Aicha Qandïsha nämlich Pferdehufe anstelle von Füßen gehabt haben.
Obwohl Salem Aya seit einem Jahr keine neue Musik veröffentlicht hat, arbeitet sie an neuen Songs. Teilweise auch in Zusammenarbeit mit anderen marokkanischen Künstler:innen. In Zukunft möchte sie mehr auf Darija rappen und am liebsten eine EP veröffentlichen – wir warten gespannt!